Gut, dass Emil Steinberger nicht zum Probesitzen kam, er hätte die schmalen Scherze des Abendinspizienten, der verlegen durch die Kojen wandert und keinen Grund zur Panik sieht, sofort von der Bühne verwiesen, wäre unverzüglich zum Federkern der Matratzen vorgedrungen. Hier aber müssen sich erst Schubladen wie von Geisterhand öffnen, schließen oder Feuer speien, bevor der Seelenstriptease eines Sofa-Zielgruppenopfers, der Selbstfindungsprozess beim Erwerb einer Teekanne sich durchs Wegeleitsystem des Kaufhauses Bahn brechen können. Wir dünken uns im Kabarett und warten auf die nächste Pointe – lange. Denn es spricht der Konsument, wie man ihn kennt. Schon kennt aus Ingrid Lausunds Supermarkt-Revue "Hysterikon", die viel abgedrehtere Exemplare durch die Schranke ließ. Lausund, Autorin und Regisseurin, die ihre Stücke erst während der Proben schreibt und die Texte wieder verwirft, wenn sie "die Kollision mit den Schauspielern" nicht überleben, ist diesmal eine Wochenend-Workshopleiterin. Lass' sie raus, die Kapitalismuskritik, gern auch als triebabführende Kreischoper im Küchenbioloch. Über Dramaturgie sprechen wir beim nächsten Mal.
Aber nicht ohne meinen Barhocker, fordert - wir haben das Parkett gewechselt - der Venezianische Edelmann im weißen Anzug. In der etwas feineren Kölner Innenstadt steht das Schauspielhaus – und zeigt fürs Erste Kneipeneinrichtungen. Tresen, wohin das Auge blickt im Offizierskasino Venedigs und Zyperns. Flüssiges für die Kehle und Flüssiges um die Knöchel. Hierher hat sich der neueste Othello verirrt. Nicht ohne die guten Wünsche seiner schwarzen Mama 'zuhause' in Afrika - Shakespeare selber hatte sie ja nicht kennen gelernt. Dass Sohn Othello trotz militärischer Bilderbuchkarriere ein Außenseiter bleiben könnte, muss sie nicht befürchten: der General ist weiß, guckt aus allen Kölner Plakaten wie der berühmte Orson Welles, entscheidet sich auf der Bühne aber für das Modell Ernest Hemingway, der bekanntlich auch gerne trank und das Meer liebte. Othello ist ein Kolonialherr unter mehreren, nur dass er die Ökonomie der modernen Gemeinheit, den Missbrauch des Wortes, noch nicht geschluckt hat. Wie ein großer gutmütiger Brummbär lässt er sich vom kleinen Giftzahn Jago das tödliche Serum einflößen, das da mit Eifer sucht, was Leiden schafft. Bevor er allerdings Desdemona, sein Partygirl im Perlenkleid, minutenlang ertränkt – ein Ruck soll durch die Fernsehnation gehen - wird im Planschbecken heftigst gesoffen, gehampelt und gestrampelt zu einem wirklich ausgezeichneten Cross-Over-Soundteppich von Wim Willaert, mit tatkräftiger Unterstützung Verdis. Willaert muss komponieren, was Ola Mafaalani, die Regisseurin aus der Niederländisch-flämischen Schule bei Shakespeare nicht fand: Warum dieser 'Mohr' sich tiefer und tiefer bis zur maßlosen Raserei in die Eifersuchts-Schimäre schraubt.
Inwieweit der Klangkünstler und Regisseur Manos Tsangaris seiner Auftragskomposition "Fries" ein ausgegrabenes Stück von Andreas Gryphius einverleibte oder umgekehrt, ist in diesem Fall wenig wichtig – denn es fügt sich ganz gut. Wenn "Cardenio und Celinde, die unglücklich Verliebeten", ihre barocken Alexandriner aus dem Jahr des Westfälischen Friedens mal betonen, mal unterdrücken, dann applaudieren oder konterkarieren Harmonium und Bratsche, mit Zweigen gestrichene Trommeln, Glissandobleche und im ganzen Raum der Schlosserei verteilte Saiten. Des Oberlehrers an erhöhtem Platze, der dem blöden Abonnenten die Geschichte erklärt, hätte es wahrlich nicht bedurft. Leider war der Fries, beliebtes Schmuckelement im Barock, meistens origineller als die Inszenierung des Gryphius-Textes um ein paar junge Leute in Bologna, die nach kurzer Kostprobe irdischer Liebe inklusive Exhumierung einer wandelnden Ritterleiche, quasi im Angesicht des Leibhaftigen, in den Schoss der Kirche zurückkehren.
Tsangaris ließ die Schauspieler niedlich kostümieren und pudern und vor allem sorgfältig und ausdauernd monologisieren - auf einer halbwegs humanen Schräge. Das ist hübsch, macht aber – wie alles Hübsche – schnell müde. Gottlob fuhren allerhand ferngesteuerte blinkende Bonsai-Bäumchen herum, Taschenlampen – gegen die Friedhofsangst – rotierten an Motörchen und durch ein üppiges Dränagesystem ließ Tycho, der Zauberer, Herr über Leben und Tod, die Schicksals-Billardkugeln rollen.
Für den professionellen Tourniersport allerdings hat sich das Schauspiel Köln mit den ersten drei Partien noch nicht qualifiziert.
Link: mehr ...
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Aber nicht ohne meinen Barhocker, fordert - wir haben das Parkett gewechselt - der Venezianische Edelmann im weißen Anzug. In der etwas feineren Kölner Innenstadt steht das Schauspielhaus – und zeigt fürs Erste Kneipeneinrichtungen. Tresen, wohin das Auge blickt im Offizierskasino Venedigs und Zyperns. Flüssiges für die Kehle und Flüssiges um die Knöchel. Hierher hat sich der neueste Othello verirrt. Nicht ohne die guten Wünsche seiner schwarzen Mama 'zuhause' in Afrika - Shakespeare selber hatte sie ja nicht kennen gelernt. Dass Sohn Othello trotz militärischer Bilderbuchkarriere ein Außenseiter bleiben könnte, muss sie nicht befürchten: der General ist weiß, guckt aus allen Kölner Plakaten wie der berühmte Orson Welles, entscheidet sich auf der Bühne aber für das Modell Ernest Hemingway, der bekanntlich auch gerne trank und das Meer liebte. Othello ist ein Kolonialherr unter mehreren, nur dass er die Ökonomie der modernen Gemeinheit, den Missbrauch des Wortes, noch nicht geschluckt hat. Wie ein großer gutmütiger Brummbär lässt er sich vom kleinen Giftzahn Jago das tödliche Serum einflößen, das da mit Eifer sucht, was Leiden schafft. Bevor er allerdings Desdemona, sein Partygirl im Perlenkleid, minutenlang ertränkt – ein Ruck soll durch die Fernsehnation gehen - wird im Planschbecken heftigst gesoffen, gehampelt und gestrampelt zu einem wirklich ausgezeichneten Cross-Over-Soundteppich von Wim Willaert, mit tatkräftiger Unterstützung Verdis. Willaert muss komponieren, was Ola Mafaalani, die Regisseurin aus der Niederländisch-flämischen Schule bei Shakespeare nicht fand: Warum dieser 'Mohr' sich tiefer und tiefer bis zur maßlosen Raserei in die Eifersuchts-Schimäre schraubt.
Inwieweit der Klangkünstler und Regisseur Manos Tsangaris seiner Auftragskomposition "Fries" ein ausgegrabenes Stück von Andreas Gryphius einverleibte oder umgekehrt, ist in diesem Fall wenig wichtig – denn es fügt sich ganz gut. Wenn "Cardenio und Celinde, die unglücklich Verliebeten", ihre barocken Alexandriner aus dem Jahr des Westfälischen Friedens mal betonen, mal unterdrücken, dann applaudieren oder konterkarieren Harmonium und Bratsche, mit Zweigen gestrichene Trommeln, Glissandobleche und im ganzen Raum der Schlosserei verteilte Saiten. Des Oberlehrers an erhöhtem Platze, der dem blöden Abonnenten die Geschichte erklärt, hätte es wahrlich nicht bedurft. Leider war der Fries, beliebtes Schmuckelement im Barock, meistens origineller als die Inszenierung des Gryphius-Textes um ein paar junge Leute in Bologna, die nach kurzer Kostprobe irdischer Liebe inklusive Exhumierung einer wandelnden Ritterleiche, quasi im Angesicht des Leibhaftigen, in den Schoss der Kirche zurückkehren.
Tsangaris ließ die Schauspieler niedlich kostümieren und pudern und vor allem sorgfältig und ausdauernd monologisieren - auf einer halbwegs humanen Schräge. Das ist hübsch, macht aber – wie alles Hübsche – schnell müde. Gottlob fuhren allerhand ferngesteuerte blinkende Bonsai-Bäumchen herum, Taschenlampen – gegen die Friedhofsangst – rotierten an Motörchen und durch ein üppiges Dränagesystem ließ Tycho, der Zauberer, Herr über Leben und Tod, die Schicksals-Billardkugeln rollen.
Für den professionellen Tourniersport allerdings hat sich das Schauspiel Köln mit den ersten drei Partien noch nicht qualifiziert.
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