Dienstag, 30. April 2024

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Spin-offs auf dem Serienmarkt
Sofort vertraut mit "Young Sheldon"

Immer häufiger erhalten erfolgreiche Serien ein sogenanntes Spin-off. Beispielsweise "Young Sheldon", das Spin-off von "Big Bang Theory". Dahinter steckt oft ökonomisches Kalkül. Über die Qualität der Spin-offs von "Greys Anatomy", "Beaking Bad" und Co lässt sich jedoch streiten.

von Julian Ignatowitsch | 10.09.2018
    Schauspieler Tim Daly (TV Serie "Private Practice") beim 49. Monte Carlo Television Festival
    Tim Daly - aus dem Spin Off 'Private Practice' (PHOTOPQR/NICE_MATIN (Eric Duliere/dpa))
    Der junge Sheldon ist wie der Alte: ein Besserwisser, ein Pedant, ein Neurotiker, ein echter (Wissenschafts-)Nerd!
    Sheldon: "Ich fing mit einer Wasserrakete an, dann hab ich Festbrennstoff versucht, aber nachdem die Garage gebrannt hat, habe ich wieder Wasser genommen. Ich habe sogar versucht, Uran für einen Atomantrieb zu nehmen, aber das Zeug ist schwer zu kriegen."
    Der neunjährige Schüler sagt Sätze wie man sie vom Physiker Dr. Sheldon Cooper aus der Kultserie "The Big Bang Theory" längst kennt. Sheldon ist der beliebteste und schrägste Charakter der erfolgreichen Sitcom - und deswegen hat sein junges Ich nun eine eigene Serie, einen Ableger, ein sogenanntes Spin-off bekommen.
    Sheldon: "Hätte ich nicht erfolgreich Karriere als theoretischer Physiker gemacht, war es tatsächlich mein Plan Fahrkartenkontrolleur zu werden."
    Teilweise erzählt der alte Sheldon aus dem Off, während der junge all die Dinge macht und liebt, die wir bereits von ihm kennen: Eisenbahnfahren, zu Radio Shack gehen und über physikalische Phänomene nachdenken. Sheldon: "Ein Körper bleibt in Ruhe oder in gleichförmiger, geradliniger Bewegung, solange die Summe der auf ihn einwirkenden Kräfte Null ist."
    Neue Serien als Reststoffverwertung
    Gerd Hallenberger: "Der Begriff Spin-off hieß ja ursprünglich einfach: Man hat etwas und da wird etwas abgesponnen. Wie wenn man mit einem Stoff etwas gemacht hat und dann nimmt man den Reststoff und macht damit etwas Ähnliches."
    Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger erklärt was ein Serien-Spin-off auszeichnet: "Eine Serie besteht aus Figuren, aus Handlung aus Athmo und Erzählweise. Wenn man einen Spin-off baut, sollte man zusehen, dass in mehr als einem Bereich dort eine Kontinuität da ist, nicht Gleichheit, aber Kontinuität, also Anschlussfähigkeit. So dass das Publikum über diese Aspekte praktisch an die Hand genommen werden kann und in die neue Serie hineingeführt werden kann."
    So fühlt man sich sofort heimisch in der texanischen Familie Cooper mit der christlichen Mutter, dem Football-begeisterten Vater und der naiven Schwester.
    Missy: "Können wir nicht Duck Tales gucken?"
    Sheldon: "Weil wir nichts dazu lernen, wenn wir Duck Tales gucken ..."
    Missy: "Das ist Fernsehen, das ist nicht dafür da, dass man etwas lernt."
    Sie alle sind ganz anders als der hochbegabte Sheldon und doch scheinen wir sie alle schon zu kennen. Denn Humor und Machart von "Young Sheldon" erinnern allzu sehr an "The Big Bang Theory", mit Chuck Lorre und Steven Molaro sind ja auch die gleichen Macher am Werk. Gerd Hallenberger: "Es geht im Prinzip beim Gucken von Serien immer um so ein ganz heikles Spannungsfeld: Es muss Ähnlichkeit da sein, es muss Differenz da sein. Zu viel Ähnlichkeit bedeutet, es wird langweilig. Zu viel Differenz bedeutet, die Kontinuität wird nicht mehr wahrgenommen. Und genau diesen Spagat zu schaffen, das ist die größte Kunst in der Produktion von Serien."
    Meist - so ist das auch im Fall von "Young Sheldon", wo die Ähnlichkeit zu groß ist - fällt das Spin-off zum Original qualitativ ein wenig ab. Jüngere Beispiele wie "Better Call Saul", Spin-off zu "Breaking Bad" oder "Private Practice", Spin-off zu "Grey’s Anatomy", bestätigen das.
    Trump Kritik in Serie
    Aber es geht auch anders: Manche Serienwelt wird durch ihre Fortsetzung komplexer, vielschichtiger. Wie im Fall der Serie "The Good Fight", ein Spin-off zur Anwaltsserie "Good Wife". Hier wird neben den täglichen Gerichtsverhandlungen auch die aktuelle Politik zum Thema. "The Good Fight" ist ein ziemlich kritischer Kommentar auf die Ära Trump:
    Donald Trump: "The Fake News are the enemy of the people!"
    Andere Zeiten, andere Sehgewohnheiten - das könnte auch bei Spin-offs zu Innovation führen, meint Hallenberger, und nennt eines der frühsten Beispiele: Star Trek: "Wo die Enterprise der 60er Jahre noch sehr stark der alten Idee fröhnte, Science Fiction sei so etwas wie Wild West im Weltraum, wo dann die Next Generation eindeutig mehr geprägt war – wenn man so will - von einer Post-68-, Post-Hippie-Utopie: friedliches Zusammenleben ist auch im Kosmos möglich."
    Ob Star Trek, Baywatch oder CSI - die Mechanismen sind die gleichen, meint Hallenberger: "Es hat sehr viel mit ökonomischen Interesse zu tun, was man auch bei einigen der allerersten, erfolgreichen Spin-offs sehen kann. Zum Beispiel gab es in den USA in den End-70ern, frühen 80er-Jahren eine sehr erfolgreiche Serie namens "Dallas". Da hat man sich natürlich auch überlegt, wie kann man den Erfolg verlängern. Und das geschah dadurch, dass man einer Nebenrolle, einem Bruder der Ewing-Familie, dann auf einmal mit einer eigenen Spin-off-Serie jetzt unter dem Titel "Unter der Sonne Kaliforniens" praktisch eine eigene Serienwelt gab."
    Und für die großen Serienhits ist ein Spin-off heutzutage ohnehin fast schon Pflichtprogramm. Der US-Sender HBO zum Beispiel sucht schon jetzt mehrere mögliche "Game of Thrones"-Nachfolger, obwohl die Serie ja erst im nächsten Jahr mit der achten Staffel ausläuft.