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SPIO - Nanopartikel im Medizineinsatz

Das Molekül dieser Woche heißt SPIO. Ausgeschrieben bedeutet das: Superparamagnetisches Eisenoxid. Benutzt wird der Zungenbrecher in Form von Partikeln, die winzig klein sind, um die zehn Nanometer, und wegen seiner besonderen Eigenschaften.

Von Volker Mrasek | 18.05.2011
    "Man denkt magnetisch ist magnetisch."

    Stimmt aber gar nicht! SPIO ist kein Dauermagnet wie eine Kompassnadel, sondern:

    "Es ist so, dass Superparamagneten nur dann magnetisch sind, wenn sie sich in einem äußeren Magnetfeld befinden."

    SPIO ist also eine Art schlafendes magnetisches Material, das man erst wecken muss. Und das geschieht bei Untersuchungen im Magnetresonanz-Tomografen. Dort wird ein äußeres Feld angelegt und SPIO als Kontrastmittel eingesetzt. Medizintechniker haben mit den rostroten Nanopartikeln aber noch mehr vor.

    "Geh mal hier weiter hoch. Da geht's hoch, hoch, hoch, hoch, hoch."

    Das Institut für Versuchtierkunde am Aachener Uni-Klinikum.

    "So, da haben wir doch den schönen Enddarm."

    Auf dem Operationstisch ein betäubtes Hausschwein.

    "Willst du die auch benutzen, oder gehst Du weiter höher?" - "Nee, würde gerne so eine dieser Schlingen nehmen, die eh schon so schön da im Oberbauch rumliegen."

    Die beiden Chirurgen Jens Otto und Nikolas Kühnert setzen dem Tier ein sogenanntes Hernien-Netz ein. Ein Kunststoff-Implantat, das Ärzte häufig verwenden, wenn sie Leisten- und andere Brüche im Bindegewebe operieren. Solche Netze sollen die Schwachstellen im Gewebe verstärken.

    "Gehört zu den häufigsten Eingriffen. Es werden ungefähr anderthalb Millionen Netz-Implantate jährlich weltweit verbaut."

    Oft aber seien Folge-Operationen nötig, wie Nils Krämer sagt, Radiologe am Aachener Klinikum. Weil sich die Netze im Körper verformen oder verlagern. Eine Nachkontrolle ist dabei praktisch nicht möglich. Denn die Implantate lassen sich mit einem bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanz-Tomografie nicht richtig darstellen.

    Hier kommen jetzt die SPIO-Partikel ins Spiel:

    "Unsere Idee war, die Netze mit kleinsten magnetischen Teilchen zu versehen. Und damit eine Abgrenzbarkeit des Netzes gegenüber dem umgebenden Gewebe zu erzielen."

    "Das Netz selber wird mit resorbierbaren Kunststofftackern an der Bauchdecke fixiert. So."

    Deshalb die Versuche an den Hausschweinen. Die dabei implantierten Hernien-Netze sind Prototypen. Sie enthalten das superparamagnetische Eisenoxid und sind auf Tomografie-Bildern zu erkennen. Radiologe Nils Krämer hofft, dass man bald bequem von außen sehen kann, wie sich die Implantate im Körper verhalten:

    "Und darüber die Netze dann auch besser wird anpassen können", "

    " sodass sich die Zahl der Komplikationen und nötigen Folgeoperationen vielleicht reduzieren lässt. "

    Große Chancen für SPIO sehen die Aachener Forscher auch in der Krebstherapie. An die Nanopartikel lassen sich nämlich Medikamente anheften, und man kann sie:

    " "In die Blutbahn spritzen und mit Magnetfeldern an den Ort des Tumors lenken."

    Die rumänische Physikerin Ioana Slabu erhofft sich eine gezieltere Chemotherapie mit weniger Nebenwirkungen. Am Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik, wo sie forscht, wurden passende, millimeterkleine Magnetspulen entwickelt, die sich in den Körper einführen lassen. Auch hier laufen bereits die ersten Tierversuche mit SPIO:

    "Also, bis die Operation fertig ist, wird jetzt bestimmt noch so anderthalb Stündchen vergehen."

    Links zum Thema

    Weitere Beiträge der Reihe: Molekül der Woche
    Deutschlandfunk-Reihe zum UN-Jahr der Chemie 2011