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Spionage
Goldmine Kurznachricht

Durchschnittlich fast 200 Millionen SMS am Tag sammelte, durchforstete und kategorisierte die NSA allein im April 2011, meldete der Guardian am Freitag. Auch der britische Geheimdienst soll beteiligt gewesen sein.

Von Jochen Spengler | 17.01.2014
    Ein Mann tippt eine Nachricht in sein iPhone.
    Alles andere als sicher: das Schreiben von Nachrichten per Handy. (picture alliance / dpa)
    SMS - eine Goldmine zum Ausbeuten - unter dieser Überschrift preist die National Security Agency in einer Präsentation aus dem Jahr 2011 die eigenen Möglichkeiten.
    Und aus Unterlagen des Ex-Geheimdienst-Mitarbeiters Edward Snowden geht offenbar hervor, wie fleißig sich die US-Spione aus der Goldmine bedienen. Allein im April 2011 sollen – so meldet es heute der britische Guardian - durchschnittlich 194 Millionen SMS pro Tag gesammelt und gespeichert worden sein. Das NSA-Computerprogramm habe den Codenamen "Dishfire" und es sammele laut Dokumenten des britischen Geheimdienstes GCHQ. Zitat – "so ziemlich alles, was geht."
    Auch der britische Geheimdienst im Boot
    Wie schon bei dem vom Guardian enthüllten Abgreifen von Emails und Telefongesprächen ist bei der Nutzung der SMS-Daten durch die NSA offenbar auch der britische Geheimdienst mit im Boot. Er sammele zwar nicht selbst, schreibt der Guardian, durchforste aber die Sammlung nach Kommunikations-Metadaten von Menschen im Vereinigten Königreich.
    Großbritanniens Außenminister William Hague bekräftigte heute morgen gegenüber der BBC einmal mehr, dass alles rechtmäßig zugehe und er wiederholte die Floskel britischer Politiker, dass man Geheimdienstaktivitäten oder Beschuldigungen prinzipiell nicht kommentiere:
    "Doch was ich sagen kann ist, dass gegen unser Rechts- System nicht verstoßen wurde, das wie ich am 10. Juni im Parlament betont habe, sehr streng kontrolliert. So müssen ich oder der Innenminister es ausdrücklich genehmigen, wenn die Inhalte einer Kommunikation überwacht werden sollen, wir haben das strikteste System weltweit, kein Land hat ein strikteres."
    Der Guardian berichtet, dass die NSA nicht bloß verdächtige Ziele überwache, sondern verdachtsunabhängig weltweit SMS sammele und speichere. Aus den Textnachrichten filtere die NSA dann Reisepläne, Finanztransaktionen, Namen und Fotos von elektronischen Visitenkarten oder Adressbücher heraus. Dafür sorge ein zweites Programm mit dem Namen "Prefer".
    Es durchforstet und analysiert automatisch das Material zum Beispiel nach entgangenen Anrufen, täglich fünf Millionen, worauf auf Kontakte und Bekannte geschlossen würde. 1,6 Millionen Roaming-Benachrichtigungen von Telefon-Providern würden pro Tag genutzt, um Grenzübertritte nachzuvollziehen; schließlich ermittelten die NSA-Leute aus den SMS auch zehntausende Orts- und Aufenthaltsdaten.
    Ungenehmigte und verdachtsunabhängige Datensammlung
    Gegenüber dem Guardian widersprach die NSA dem Eindruck, dass die Daten ohne Verdacht und unkontrolliert gesammelt würden. Doch Alan Rusbridger, Chefredakteur des Guardian, bekräftigt, es handele sich um eine ungenehmigte und verdachtsunabhängigen Datensammlung gegen uns alle.
    "In den letzten Monaten haben wir von den Geheimdienstchefs erfahren, dass Metadaten tatsächlich Informationen über unser aller Leben bieten. Unsere Beziehungen, wen wir anrufen, mit wem wir zusammen sind, wonach wir gesucht haben. Es ist die große Frage, ob wir damit einverstanden sind, all diese Daten preiszugeben und die Natur des internets zu verändern, um eine Art Sicherheit zu bekommen, von der einige Richter und Senatoren bezweifeln, dass es sie überhaupt gibt. Diese Debatte müssen wir führen und das geht nur auf der Basis von Informationen."
    Weltweit wurden 2012 pro Tag fast 20 Milliarden SMS versandt, was bedeutet, dass die NSA Zugriff auf ein Prozent der globalen Kurznachrichten haben dürfte.