Mittwoch, 24. April 2024

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Spionage-Verdacht
Durchsuchungen bei Ditib-Imamen

Nach Spitzel-Vorwürfe gegen den Moscheeverband Ditib haben Ermittler bei Razzien in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Wohnungen mehrerer Geistlicher durchsucht.

Von Kemal Hür | 15.02.2017
    Das Foto vom 15.02.2017 zeigt die DITIB-Moschee in Fürthen (Rheinland-Pfalz). Fahnder des Bundeskriminalamtes haben das Anwesen aufgrund von Spionage-Vorwürfen gegen Imame des islamischen Moscheeverbandes DITIB durchsucht. Foto: Thomas Frey/dpa | Verwendung weltweit
    Dier DiTiB-Moschee in Fürthen (Rheinland-Pfalz), wurde nach Spionage-Vorwürfen gegen Imame von BKA-Beamten durchsucht (Thomas Frey/dpa)
    Der religionspolitische Sprecher der Grünenfraktion im Bundestag, Volker Beck, hatte bereits im Dezember wegen der Spionagetätigkeit von Ditib-Imamen Strafanzeige gestellt. Dass erst heute Wohnungen von verdächtigen Imamen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz durchsucht werden, findet Beck viel zu spät:
    "Man hätte schon im Dezember agieren müssen, um gegebenenfalls durch Haftbefehle oder andere Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Tatverdächtigen das Land nicht verlassen können. Die Ditib hat selbst erklärt, Religionsattachés und Imame sind abberufen worden. Deshalb ist die Vermutung naheliegend, dass gar nicht mehr alle Tatverdächtige in Deutschland für Strafermittlungsverfahren und Ermittlungen zur Verfügung stehen."
    Die Ditib-Zentrale in Köln hatte die Anschuldigungen erst zurückgewiesen, dann aber erklärt, einzelne Imame hätten ohne Wissen des Bundesverbands Fehler begangen. Übersetzt bedeutet das: Sie haben auf Anweisung des türkischen Religionspräsidiums Informationen über mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung gesammelt und an Ankara übermittelt. Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch im Sommer verantwortlich. Zuletzt versuchte die Ditib, sich mit einem vermeintlichen Schachzug aus der Affäre zu ziehen. Sie erklärte, nicht sie, sondern das türkische Religionspräsidium sei der Arbeitgeber der Imame.
    Maas: "Verband muss sich glaubhaft von Ankara lösen"
    Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD erklärte heute schriftlich:
    "Nichts rechtfertigt die Begehung von Straftaten. Wer den Islam nur als Deckmantel für Spionage benutzt, kann sich nicht auf die Religionsfreiheit berufen. Grundsätzlich gilt: Der Einfluss des türkischen Staates auf die Ditib ist zu groß. Der Verband muss sich glaubhaft von Ankara lösen. Die Ditib sollte ihre Satzung ändern, die die enge Verbindung zur türkischen Religionsbehörde Diyanet festschreibt. Nur als unabhängiger deutscher Verband hat die Ditib eine Zukunft als verlässlicher Partner."
    Dass die Ermittler heute nur die Wohnungen von vier Imamen durchsuchten, könnte ein Indiz dafür sein, dass andere Tatverdächtige sich bereits in der Türkei aufhalten. Denn es liegen Berichte von mehr als zehn Imamen aus den Zuständigkeitsbereichen der türkischen Konsulate in Köln, Düsseldorf und München vor. Die Imame berichten darin ausführlich über angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung.(*)
    Der Islamverband vertritt bundesweit mehr als 900 Moscheen und ist laut eigener Satzung eine Vertretung des türkischen Religionspräsidiums. Alle Entscheidungen werden in Ankara getroffen und über die Religionsattachés in den Konsulaten in die Landesverbände und einzelne Moscheen hinein getragen.
    Die Attachés sind türkische Diplomaten. Dennoch muss auch gegen sie vorgegangen werden, sagt Volker Beck:
    "Da versucht man mit diplomatischer Höflichkeit den Konflikt zu vermeiden. Mitarbeiter der Türkischen Republik, die diplomatischen Schutz haben, können hier nicht belangt werden. Aber dann muss auch gesagt werden, wir wollen keine Religionsattachés mehr in Deutschland einreisen lassen, die diese Funktion ausüben, um hier illegale Aktivitäten über die Ditib-Strukturen in unserem Land zu betreiben."
    Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Agententätigkeit. Eine Erklärung zu den Razzien will sie am frühen Mittwochnachmittag geben.
    (*) Anmerkung der Redaktion: Wir haben an dieser Stelle eine Passage gelöscht, weil in der ersten Beitragsfassung ein falscher Zusammenhang hergestellt wurde.