Gerd Pasch: Bis Donnerstag werden knapp 1000 Computerwissenschaftler in der Hansestadt über Informatik-Lösungen für die Logistik und insbesondere über die dabei eingesetzten Funkchips diskutieren. Radio Frequency Identification, kurz RFID, ist während der vergangenen Jahre ja sehr kontrovers diskutiert worden. Instabile Lösungen, die auf Umgebungsstörungen zu anfällig reagieren und Probleme der Datensicherheit und des Datenschutzes bestimmten die Diskussion. Wie wird das denn auf der Informatiker-Jahrestagung in Bremen diskutiert, Peter Welchering?
Peter Welchering: Was Stabilität der RFID-Anwendungen angeht, so hat sich in den vergangenen zwei Jahren enorm viel getan. Bessere Antennen, mit denen die Funkchips ausgelesen werden, bessere Abschirmung, so dass elektromagnetische Einstrahlungen nicht mehr die Logistik-Lösung zum Absturz bringen oder falsche Tag-Ergebnisse anzeigen, weil der Funkchip unkorrekt ausgelesen wurde, werden hier in Bremen als Anwendungsbeispiele gezeigt. Die sind also weit über den Laborstatus hinaus und haben sich in den vergangenen Monaten auch im Alltagsbetrieb als ausreichend robust erwiesen. Ein besonders ernsthaftes Problem bereitete ja das korrekte Auslesen ganzer Paletten. Lagen die RFID-Chips da nicht hundertprozentig korrekt, so führte das in der Vergangenheit immer wieder zu unangenehmen Auslesefehlern. Und dann zeigte etwa die Logistik-Software in einer Spedition, dass eine Palette falsch beladen war. Oder ein LKW hatte angeblich während der Fahrt ein Drittel seiner Ladung verloren. Dabei waren einfach aufgrund eines Lesefehlers zum Beispiel ein Drittel der geladenen Produkte am Zielort nicht erfasst worden. Das ist durch Mehrfachausrichtungen von Antennen und auch schlicht durch leistungsfähigere Antennen behoben worden. Vor allen Dingen die Arbeit mit integrierten Expertensystemen hat hier viel gebracht. Solch ein Expertensystem überprüft die Ausleseergebnisse des RFID-Chips auf Plausibilität, vergleicht beispielsweise die Ladeliste mit den Auslesergebnissen. Kommt es hier zu Differenzen, wird ein zweites Auslesen der Funkchips veranlasst, beispielsweise, indem die Paletten diesmal um zehn Grad gekippt ausgelesen werden, um Funkchips erfassen zu können, die einfach durch Verrutschen der Ladung eine Position eingenommen haben, in der sie nicht mehr ausgelesen werden können.
Pasch: Beim Einsatz von Funkchips ist ja auch der gläserne Konsument, der gläserne Bürger befürchtet worden. Werden da in Bremen entsprechende Datenschutzkonzepte diskutiert?
Welchering: Hier muss die Datenentstehung besser untersucht werden. Das ist übrigens auch für die Sicherheit der Frachtströme von entscheidender Bedeutung. Da muss es Regeln geben, welche Daten wo entstehen und welche dann weiter verarbeitet werden dürfen. Ein Beispiel: Bibliotheken kommen heute ohne den Einsatz von Funkchips in vielen Fällen gar nicht mehr aus. Die gesamte Buchausleihe, und vor allen Dingen das Zurückstellen benutzter Bücher ins Archiv beziehungsweise Magazin oder das Herausholen von bestellten Büchern aus den Magazinen kann mit Funkchips enorm vereinfacht und schneller gemacht werden. Bibliotheken, die früher Bereitstellungszeiten von bis zu fünf Stunden für ein bestelltes Buch oder eine gewünschte Zeitschrift hatten, kommen jetzt mit einer Dreiviertelstunde oder 30 Minuten aus. Und das ist in erster Linie den RFID-basierten Ausleihsystemen zuzuschreiben. Die sorgen dafür, dass die gewünschten Medien automatisch aus dem Magazin geholt werden können, und der Verbuchungsvorgang dauert nur noch Sekundenbruchteile. Gleichwohl wollen Bibliotheksnutzer nicht zum gläsernen Bücherleser werden. Also sie wollen verhindern, dass über ihr Leseverhalten ein Profil erstellt wird, zum Beispiel dass die zuletzt bestellten Bücher einen Aufschluss über Forschungen geben, an denen sie gerade arbeiten oder über politische Einstellungen oder einfach über Interessensgebiete. Und da denken die Informatiker eben stärker darüber nach, wie Daten entstehen und wie Datenentstehungskonzepte dafür sorgen, dass der Datenschutz gewährleistet werden kann.
Pasch: Wie sehen denn solche Konzepte für die Bewertung und Verwaltung für die Datenentstehung aus?
Welchering: Die sind inzwischen tatsächlich ein wenig genauer untersucht. Und dabei geht es in erster Linie darum, dass keinerlei Daten ohne ausdrückliche Genehmigung des Anwenders weitergeleitet werden dürfen. Im Falle der Bibliothek muss also sicher gestellt sein, dass sämtliche Daten sofort nach Benutzung gelöscht werden und das System der Bibliothek nicht verlassen. Ein Beispiel, dass immer wieder diskutiert wird, ist "Cool Logic", der Kühlschrank, der über ein Home-Shopping-System automatisch nachbestellt. Da könnte der Anwender dann etwa hinterlegen, dass Gemüse und Pommes frites automatisch bestellt werden, wenn sie zur Neige gehen, aber etwa Bier nur auf ausdrückliche Anweisung des Nutzers, und die Bier-Daten müssen gelöscht werden. Für Logistik-Konzepte würde das bedeuten: Der Empfänger von Waren legt fest, was mit der Wareninformation zu geschehen hat. Er bleibt also Herr seiner Daten, während die bisherigen Konzepte immer davon ausgingen, dass derjenige, der Daten erzeugt, auch darüber bestimmen darf, was mit ihnen passiert, wie sie zu verarbeiten sind. Gemäß diesem Konzept muss der Datenerzeuger beim Empfänger anfragen, was er mit den Daten machen darf.
Pasch: Werden dadurch nicht Logistik-Anwendungen überfrachtet und somit ineffizient?
Welchering: Im Gegenteil, das könnte sogar erheblich dazu beitragen, dass die Verkehrssteuerung besser gemanaged werden kann. Und zwar, indem die Container mit diesen Waren mit einem RFID-Bordsystem ausgestattet werden und dieses Bordsystem steht mit dem Empfänger und mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln wie LKW oder Binnenschiffen oder Zügen in ständigen Kontakt. Dadurch bleibt der Empfänger Herr seiner Daten, aber gleichzeitig können die Container sich wie ein Schwarm organisieren und etwa Warenströme bündeln. Wo also bisher zwei halbleere LKW gefahren sind, fährt dann nur noch einer. Sollte sich herausstellen, dass eine Fracht nicht zeitkritisch ist, organisiert der Containerschwarm, dass die Waren per Binnenschiff viel preisgünstiger und umweltschonender transportiert wird und sorgt auch dafür, dass die Fracht vom Hafen per Auto zum Empfängerort gefahren werden kann.
Pasch: Sind solche Schwarmkonzepte schon alltagstauglich?
Welchering: Da handelt es sich noch um Konzeptstudien, da gibt es noch keine einsatzreife Logistik-Software. Die Experten rechnen damit, dass solche Schwarmkonzepte auch noch einige Jahre bis zur Marktreife brauchen. Die ersten Simulationen sind allerdings schon ganz vielversprechend. Relativ kurzfristig wird eine Vorstufe zu diesen Schwarmkonzepten einsatzreif sein, nämlich der autonome Container. Ähnlich wie ein Datenpäckchen im Internet sich seinen Weg vom Absender zum Empfänger selbstständig über verschiedene Knotenrechner sucht, so werden sich die mit Funkchips versehenen Container auch ihren optimalen Weg vom Absender bis zum Empfänger via LKW, Schiff oder Zug selbstständig suchen. Dabei gibt es einen Basisplan, der eben die Standardroute und Absender sowie den Empfänger definiert. Alles andere berechnet der Container dann mit seiner eigenen Intelligenz, seinem Bordsystem. Also der Funkchip dient nicht mehr allein dazu, bestimmte Inhalte über die Ladung zu speichern, sondern der Funkprozessor errechnet selbtstständig Routen und berechnet Verkehrsmittel. Unser Frachtverkehr wird in einigen Jahren wie das Internet organisiert sein. Und der sich daran anschließende Schritt könnte dann der Straßenverkehr als autonomer Schwarm sein.
Peter Welchering: Was Stabilität der RFID-Anwendungen angeht, so hat sich in den vergangenen zwei Jahren enorm viel getan. Bessere Antennen, mit denen die Funkchips ausgelesen werden, bessere Abschirmung, so dass elektromagnetische Einstrahlungen nicht mehr die Logistik-Lösung zum Absturz bringen oder falsche Tag-Ergebnisse anzeigen, weil der Funkchip unkorrekt ausgelesen wurde, werden hier in Bremen als Anwendungsbeispiele gezeigt. Die sind also weit über den Laborstatus hinaus und haben sich in den vergangenen Monaten auch im Alltagsbetrieb als ausreichend robust erwiesen. Ein besonders ernsthaftes Problem bereitete ja das korrekte Auslesen ganzer Paletten. Lagen die RFID-Chips da nicht hundertprozentig korrekt, so führte das in der Vergangenheit immer wieder zu unangenehmen Auslesefehlern. Und dann zeigte etwa die Logistik-Software in einer Spedition, dass eine Palette falsch beladen war. Oder ein LKW hatte angeblich während der Fahrt ein Drittel seiner Ladung verloren. Dabei waren einfach aufgrund eines Lesefehlers zum Beispiel ein Drittel der geladenen Produkte am Zielort nicht erfasst worden. Das ist durch Mehrfachausrichtungen von Antennen und auch schlicht durch leistungsfähigere Antennen behoben worden. Vor allen Dingen die Arbeit mit integrierten Expertensystemen hat hier viel gebracht. Solch ein Expertensystem überprüft die Ausleseergebnisse des RFID-Chips auf Plausibilität, vergleicht beispielsweise die Ladeliste mit den Auslesergebnissen. Kommt es hier zu Differenzen, wird ein zweites Auslesen der Funkchips veranlasst, beispielsweise, indem die Paletten diesmal um zehn Grad gekippt ausgelesen werden, um Funkchips erfassen zu können, die einfach durch Verrutschen der Ladung eine Position eingenommen haben, in der sie nicht mehr ausgelesen werden können.
Pasch: Beim Einsatz von Funkchips ist ja auch der gläserne Konsument, der gläserne Bürger befürchtet worden. Werden da in Bremen entsprechende Datenschutzkonzepte diskutiert?
Welchering: Hier muss die Datenentstehung besser untersucht werden. Das ist übrigens auch für die Sicherheit der Frachtströme von entscheidender Bedeutung. Da muss es Regeln geben, welche Daten wo entstehen und welche dann weiter verarbeitet werden dürfen. Ein Beispiel: Bibliotheken kommen heute ohne den Einsatz von Funkchips in vielen Fällen gar nicht mehr aus. Die gesamte Buchausleihe, und vor allen Dingen das Zurückstellen benutzter Bücher ins Archiv beziehungsweise Magazin oder das Herausholen von bestellten Büchern aus den Magazinen kann mit Funkchips enorm vereinfacht und schneller gemacht werden. Bibliotheken, die früher Bereitstellungszeiten von bis zu fünf Stunden für ein bestelltes Buch oder eine gewünschte Zeitschrift hatten, kommen jetzt mit einer Dreiviertelstunde oder 30 Minuten aus. Und das ist in erster Linie den RFID-basierten Ausleihsystemen zuzuschreiben. Die sorgen dafür, dass die gewünschten Medien automatisch aus dem Magazin geholt werden können, und der Verbuchungsvorgang dauert nur noch Sekundenbruchteile. Gleichwohl wollen Bibliotheksnutzer nicht zum gläsernen Bücherleser werden. Also sie wollen verhindern, dass über ihr Leseverhalten ein Profil erstellt wird, zum Beispiel dass die zuletzt bestellten Bücher einen Aufschluss über Forschungen geben, an denen sie gerade arbeiten oder über politische Einstellungen oder einfach über Interessensgebiete. Und da denken die Informatiker eben stärker darüber nach, wie Daten entstehen und wie Datenentstehungskonzepte dafür sorgen, dass der Datenschutz gewährleistet werden kann.
Pasch: Wie sehen denn solche Konzepte für die Bewertung und Verwaltung für die Datenentstehung aus?
Welchering: Die sind inzwischen tatsächlich ein wenig genauer untersucht. Und dabei geht es in erster Linie darum, dass keinerlei Daten ohne ausdrückliche Genehmigung des Anwenders weitergeleitet werden dürfen. Im Falle der Bibliothek muss also sicher gestellt sein, dass sämtliche Daten sofort nach Benutzung gelöscht werden und das System der Bibliothek nicht verlassen. Ein Beispiel, dass immer wieder diskutiert wird, ist "Cool Logic", der Kühlschrank, der über ein Home-Shopping-System automatisch nachbestellt. Da könnte der Anwender dann etwa hinterlegen, dass Gemüse und Pommes frites automatisch bestellt werden, wenn sie zur Neige gehen, aber etwa Bier nur auf ausdrückliche Anweisung des Nutzers, und die Bier-Daten müssen gelöscht werden. Für Logistik-Konzepte würde das bedeuten: Der Empfänger von Waren legt fest, was mit der Wareninformation zu geschehen hat. Er bleibt also Herr seiner Daten, während die bisherigen Konzepte immer davon ausgingen, dass derjenige, der Daten erzeugt, auch darüber bestimmen darf, was mit ihnen passiert, wie sie zu verarbeiten sind. Gemäß diesem Konzept muss der Datenerzeuger beim Empfänger anfragen, was er mit den Daten machen darf.
Pasch: Werden dadurch nicht Logistik-Anwendungen überfrachtet und somit ineffizient?
Welchering: Im Gegenteil, das könnte sogar erheblich dazu beitragen, dass die Verkehrssteuerung besser gemanaged werden kann. Und zwar, indem die Container mit diesen Waren mit einem RFID-Bordsystem ausgestattet werden und dieses Bordsystem steht mit dem Empfänger und mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln wie LKW oder Binnenschiffen oder Zügen in ständigen Kontakt. Dadurch bleibt der Empfänger Herr seiner Daten, aber gleichzeitig können die Container sich wie ein Schwarm organisieren und etwa Warenströme bündeln. Wo also bisher zwei halbleere LKW gefahren sind, fährt dann nur noch einer. Sollte sich herausstellen, dass eine Fracht nicht zeitkritisch ist, organisiert der Containerschwarm, dass die Waren per Binnenschiff viel preisgünstiger und umweltschonender transportiert wird und sorgt auch dafür, dass die Fracht vom Hafen per Auto zum Empfängerort gefahren werden kann.
Pasch: Sind solche Schwarmkonzepte schon alltagstauglich?
Welchering: Da handelt es sich noch um Konzeptstudien, da gibt es noch keine einsatzreife Logistik-Software. Die Experten rechnen damit, dass solche Schwarmkonzepte auch noch einige Jahre bis zur Marktreife brauchen. Die ersten Simulationen sind allerdings schon ganz vielversprechend. Relativ kurzfristig wird eine Vorstufe zu diesen Schwarmkonzepten einsatzreif sein, nämlich der autonome Container. Ähnlich wie ein Datenpäckchen im Internet sich seinen Weg vom Absender zum Empfänger selbstständig über verschiedene Knotenrechner sucht, so werden sich die mit Funkchips versehenen Container auch ihren optimalen Weg vom Absender bis zum Empfänger via LKW, Schiff oder Zug selbstständig suchen. Dabei gibt es einen Basisplan, der eben die Standardroute und Absender sowie den Empfänger definiert. Alles andere berechnet der Container dann mit seiner eigenen Intelligenz, seinem Bordsystem. Also der Funkchip dient nicht mehr allein dazu, bestimmte Inhalte über die Ladung zu speichern, sondern der Funkprozessor errechnet selbtstständig Routen und berechnet Verkehrsmittel. Unser Frachtverkehr wird in einigen Jahren wie das Internet organisiert sein. Und der sich daran anschließende Schritt könnte dann der Straßenverkehr als autonomer Schwarm sein.