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"Spiridon" vor Gericht

Dopingberichte sind manchmal heikel, auch im Sport gehen Betroffene immer wieder gegen Journalisten vor. Prozesse und juristische Drohungen kosten Geld und schüchtern ein. Aktuelles Beispiel ist Viktor Röthlin. Der Schweizer Marathonläufer hat die Laufzeitschrift ´Spiridon` verklagt. Morgen ist die Berufungsverhandlung in Berlin.

Von Daniel Drepper | 04.03.2012
    Journalisten sollen nach der Wahrheit suchen. Das Problem beim Doping: Ohne positive Probe lässt sich nur selten ein Sportler überführen. Umso wichtiger, dass Journalisten auch ohne juristisch verwertbare Beweise berichten – so bald ihr Verdacht begründet ist. Das ist ein schmaler Grat.

    Viktor Röthlin wird von den gleichen Anwälten vertreten wie Claudia Pechstein, von der Kanzlei Schertz Bergmann. Die Kanzlei klagt gegen einen Text von Manfred Steffny in der Laufzeitschrift Spiridon. Röthlin verlangt eine umfassende Richtigstellung und 15000 Euro Entschädigung.

    Steffny schrieb im Herbst 2010 über Viktor Röthlins Marathon-Titel bei der EM in Barcelona. "Unglaublich! Todkrank und jetzt Europameister" titelte Steffny und fragte: "War es das größte Comeback seit Lazarus?"

    Anfang 2009* hat Viktor Röthlin eine Lungenembolie und muss mit dem Training aussetzen. Anderthalb Jahre später wird er Europameister im Marathon. Steffny wundert sich über den Erfolg. Der Journalist berichtet über in seinen Augen schwache Leistungen bei anderen Wettkämpfen und Verbindungen zu der verdächtigen Trainerfamilie Rosa aus Italien. Steffny zeigt sehr deutlich, dass er Röthlin für einen Doper hält.

    Die erste Instanz hatte die Klage im vergangenen Sommer zu großen Teilen abgewiesen. Das Gericht schreibt: "Die öffentliche Diskussion entsprechender Verdachtsmomente müssen Spitzensportler hinnehmen." Es dürften nur "keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen werden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben könnten". Genau das ist der Punkt, den Röthlins Anwalt Bergmann angreift, die Tatsachen.

    Bergmann schreibt, fast alle dieser so genannten Anknüpfungstatsachen seien falsch. Zum Beispiel habe Röthlin nach seiner Lungenembolie keine Operationen gehabt, sondern nur minimal-invasive Eingriffe über einen Katheter. Röthlin sei deutlich mehr Wettkämpfe gelaufen, als von Steffny beschrieben. Röthlin sei zudem nicht Gabriele Rosas Schützling, sondern habe ihn nur hin und wieder getroffen.

    Steffnys Anwalt Michael Lehner hält dagegen. Es sei klar, dass Röthlin eine lebensgefährliche Lungenembolie gehabt habe – ob diese nun mit Operationen oder einem Katheter behandelt wurde, sei unerheblich. Auch die übrigen von Röthlin angeführten Wettkämpfe würden das Bild nicht verzerren. Und durch die Kontakte zur Familie Rosa könne man durchaus davon sprechen, dass Röthlin ein Schützling von Gabriele Rosa sei.

    Es geht um Details. Steffny hat einige Dinge nicht korrekt beschrieben. Und er hat Röthlin vor der Veröffentlichung nicht mit den Vorwürfen konfrontiert. Das war fahrlässig. Allerdings hat Steffny nach dem ersten Urteil bereits einiges richtig gestellt. Rechtfertigen die Fehler auch ein Schmerzensgeld von 15000 Euro? Die morgige Entscheidung des Berliner Kammergerichtes könnte kommende Dopingtexte beeinflussen.

    *In einer ersten Version dieses Beitrags hieß es, Röthlin hatte Anfang 2010 eine Lungenembolie. Tatsächlich geschah dies Anfang 2009.