Freitag, 19. April 2024

Archiv


Spitze in Deutschland

Die Göttinger Staats- und Universitätsbibliothek belegt zum vierten Mal in Folge Platz eins unter den deutschen Hochschulbibliotheken. Das ergab ein Vergleich des Deutschen Bibliotheksverbandes unter 76 Hochschulbibliotheken. Auch die Bibliotheken der Fachhochschule Regensburg und der Universität Mannheim schnitten sehr gut ab.

Von Elke Drewes | 02.07.2007
    "Ich nehme meine Bücher mit und lerne hier: ruhig und hell, man kann hier schön lernen, besser als zuhause. Sehr gut, alles sehr schön, man findet immer alles, was man sucht, gut ausgestattet: Lehrbücher, Aufsätze oder elektronische Zeitschriften. Die haben jetzt auch gerade die Öffnungszeiten verlängert: Jetzt kann man hier bis ein Uhr nachts lernen, das ist ganz praktisch, gute Atmosphäre, immer ruhig. Deswegen bin ich zufrieden."

    Hell, geräumig und still ist es in der Göttinger Staats- und Universitätsbibliothek. Ein Teppichboden dämpft die Schritte, durch die großen Fensterfronten des modernen Baus fällt viel Licht. Die Studierenden sitzen vor dem Computer oder in ihre Bücher vertieft. Nur im Eingangsbereich der zweiten Etage hört man leise Stimmen.

    "Hier treffen wir und diskutieren über Sachen, die wir zuhause alleine nicht lösen können, besonders Mathe und EDV. Wir lernen für die Matheprüfung, morgen 14 Uhr, stressig."

    So wie die angehenden Wirtschaftsingenieure nutzen auch andere Arbeitsgruppen die Gruppentische in der zweiten Etage für Gruppentreffs. Forstwissenschaftler büffeln gemeinsam für die Klausur in Bodenkunde.

    "Wir sind an der Norduni, aber hier ist es zentral, hell. Und wir können uns gut treffen bis ein Uhr nachts."

    Aber es gibt auch Kritik:
    "Ich weiß gar nicht, wo ich hier suchen soll, unten, oben, alles unübersichtlich, zu groß. Neuere Bücher Politologie finde ich hier nicht, da fehlt es dann doch etwas. Die Cafeteria könnte länger aufhaben, schließt schon um viertel vor Fünf. Die Bibliothek könnte noch länger aufhaben bis zwei, drei Uhr nachts."

    Bibliotheksdirektor Norbert Lossau hat sein Büro ebenfalls im Neubau der SUB. Er ist interessiert an Verbesserungsvorschlägen und lässt sie von seiner Mitarbeiterin gleich notieren.

    "Es gibt Bibliotheken in Karlsruhe und Konstanz, die haben 24 Stunden geöffnet, Konstanz setzt einen Wachdienst ein, Karlsruhe ein Chipkartensystem. Wir haben ein großes, unübersichtliches Gebäude, da muss man sehen, ob man dort nachts noch arbeiten würde."

    Außerdem würden nach Mitternacht nur noch wenige Studierende das Angebot nutzen, sagt der Direktor, so dass sich der höhere Aufwand an Wachpersonal, auch Energiekosten, nicht rechne. Über längere Öffnungszeiten der Cafeteria verhandele er gerade mit dem Betreiber, dem Studentenwerk. Die Politologen könnten ihre Seminarbücher in anderen Campusgebäuden finden. Dort habe man sie nach einem Brand in der Institutsbibliothek untergebracht.

    Besonders stolz ist der Bibliotheksdirektor Lossau auf seine professionellen Mitarbeiter, die jedes Jahr zahlreiche Anträge schreiben, um Fördermittel, sogenannte Drittmittel, einzuwerben. Zusätzlich zum Jahresetat von zwölf Millionen Euro akquiriert die Göttinger Staats- und Universitätsbibliothek acht Millionen Euro an Drittmitteln, sechsmal soviel wie andere Hochschulbibliotheken. Ein Großteil der Gelder wird für das wissenschaftliche Digitalisierungsprojekt eingeworben.

    "Wir haben ja in Göttingen eines der zwei wissenschaftlichen Digitalisierungszentren, das andere in München an der bayrischen Staatsbibliothek. Zum Beispiel Reisebeschreibungen aus dem 18./19. Jahrhundert, die Digitalisierung hat die DFG bezahlt. Sie stehen frei im Internet zur Verfügung. Wir haben andere Projekte: Elektronische Zeitschriften, Digi-Zeitschriften, da muss man ein Abo erwerben, in der Regel die Universität, und dann können die Mitglieder darauf zugreifen."

    Das heißt, wenn ihre Uni die Zeitschrift abonniert hat, brauchen die Studierenden nur ein Passwort, um wissenschaftliche Artikel kostenlos im Internet zu lesen. Neben dem Digitalisierungsprojekt bietet die Göttinger Unibibliothek auch Fachportale im Internet. Dort können sich Mathematiker, Geologen und Geisteswissenschaftler aus der ganzen Welt über aktuelle Forschungsfragen austauschen. Weltweit nachgefragt ist auch der Bestand an Wissenschaftswerken aus dem 18. Jahrhundert.

    "Die SUB Göttingen ist die Nationalbibliothek für das 18. Jahrhundert. In Göttingen sind mit Begründung der Universität 1734/37 wissenschaftliche Werke systematisch gesammelt worden. Wir bekommen Wissenschaftler aus aller Welt, die in der Wissenschaftsgeschichte arbeiten, aber auch Wissenschaftler, die wissen wollen, wie wurden Probleme in der Vergangenheit gelöst."

    Außerdem verfügt die Bibliothek über 20 literarische Sondersammlungen, die einzigartig sind in Deutschland.

    "Wir bekommen von der DFG Geld, um die Literatur einmalig in Deutschland vorrätig zu halten. Zum Beispiel der anglo-amerikanische Raum, Monografien, alles, was es da auf dem Markt gibt, bekommen wir zu fassen und wenn Sie es irgendwo finden, dann finden Sie es bei uns. Es gibt Bibliotheken, die uns beneiden, und andere, große Staatsbibliotheken in Bayern und Berlin, die von den regulären Mitteln höher stehen."

    Reguläre Mittel, das ist der Grundetat von zwölf Millionen Euro im Jahr. Den finanziert das Land Niedersachsen. Aber im Rahmen des niedersächsischen Hochschuloptimierungskonzeptes wurden auch die Mittel für Universitätsbibliothek kräftig gekürzt, bedauert Direktor Norbert Lossau. Einige teure Abos für wissenschaftliche Zeitschriften musste die Bibliothek streichen, auch beim Personal muss gespart werden. Aber er blickt optimistisch in die Zukunft. Trotz des bundesweiten Spitzenplatzes der Göttinger Staats- und Universitätsbibliothek, etwas zu verbessern gibt es immer.

    "Oh, ja, viele Bereiche, in denen wir besser werden wollen. Bei uns sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgefordert zu überlegen, ob das, was wir machen, sinnvoll ist, das hört beim Bibliotheksdirektor nicht auf, jeder muss sich das überlegen."