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Spitzelvorwürfe
Nordrhein-Westfalen will mit Ditib im Gespräch bleiben

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) will die Zusammenarbeit mit dem Islamverband Ditib vorerst nicht aussetzen. Man wolle die Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten, sagte er in einer Stellungnahme. Sollten sich die Spitzelvorwürfe bestätigen, würde die Landesregierung aber Konsequenzen ziehen.

26.01.2017
    Rainer Schmeltzer, Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen
    Rainer Schmeltzer, Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen (dpa)
    Es müsse grundsätzlich Ziel bleiben, dass die Landesregierung mit Ditib im Gespräch bleibe, so Schmeltzer. Denn der Verband spiele für 1,5 Millionen türkische Muslime in Nordrhein-Westfalen eine wichtige Rolle. Eine komplette Einstellung der Gespräche würde deren Integration schaden. Zudem habe man Ditib in der Vergangenheit immer wieder als "Brückenbauer" erlebt. Gleichzeitig fordere er von dem Islamverband eine deutliche Distanzierung vom türkischen Staat: "Ditib muss sich als unabhängiger Verein erklären und damit von der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet lösen", so Schmeltzer. Das Integrationsministerium arbeitet im Beirat für den Religionsunterricht mit Ditib zusammen.
    Der Kölner Stadt-Anzeiger hatte heute berichtet, Schmeltzer wolle die Zusammenarbeit mit Ditib aussetzen. Der Generalsekretär des Verbandes, Bekir Alboğa, hatte dies gegenüber dem Deutschlandfunk zurückgewiesen.
    Der Generalbundesanwalt ermittelt
    Gegen den Verband waren in letzter Zeit immer wieder Spitzelvorwürfe laut geworden. Demnach sollen Imame von Ditib Informationen über Gemeindemitglieder, die möglicherweise in Verbindung mit dem türkischen Staatsfeind Fethullah Gülen stehen, an die türkische Religionsbehörde Diyanet weitergeleitet haben. In einem Gespräch mit der "Rheinischen Post" hatte Alboğa vor Kurzem zugegeben, "einige wenige Imame" hätten im Auftrag des türkischen Religionspräsidiums Informationen weitergegeben. Später dementierte er, Spionage eingestanden zu haben. Er habe mit seiner Aussage erreichen wollen, dass die Vorwürfe ernst genommen und von Ditib weiterhin untersucht werden. Der Generalbundesanwalt bestätigte kurz darauf, dass Ermittlungen wegen Spionage aufgenommen worden seien.
    Was ist Ditib?
    Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (türkisch: Diyanet İşleri Türk İslam Birliği, abgekürzt DİTİB) ist der größte deutsche Islamverband. In ihm sind über 900 türkisch-islamische Moscheegemeinden organisiert. Der Verein koordiniert die religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der Gemeinden. Er ist ein in Deutschland eingetragener Verein. Laut Satzung ist Ditib an die türkische Religionsbehörde Diyanet angebunden. Ihre Imame werden von Diyanet nach Deutschland geschickt und von ihm bezahlt. Sie sind türkische Staatsbeamte.
    Niedersachsen und Rheinland-Pfalz haben Gespräche ausgesetzt
    Bereits im Herbst hatte das NRW-Innenministerium eine Kooperation mit Ditib bei einem Präventionsprogramm gegen islamistische Radikalisierung beendet. Letzte Woche hatte dann Niedersachsen nach den erneuten Spitzelvorwürfen Gespräche über einen Staatsvertrag mit Ditib auf Eis gelegt. Das Land wollte darin regeln, wie islamischer Religionsunterricht aussehen soll oder welche Vorschriften beim Bau vom Moscheen gelten. Bereits im vergangenen August hatte Rheinland-Pfalz Gespräche mit Ditib wegen der Frage der Abhängigkeit von der Türkei beendet.
    Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, Vorstandsmitglied des Liberal-Islamischen Bundes, forderte im Deutschlandfunk die Aussetzung der Zusammenarbeit mit Ditib. Die Gespräche im Beirat für den islamischen Religionsunterricht sollten gestoppt werden, bis Ditib die Vorwürfe aufgeklärt und Konsequenzen gezogen habe. Sie riet allerdings davon ab, die Zusammenarbeit mit Ditib komplett zu beenden. Das sei nicht sinnvoll. In vielen Gemeinden würde die Ditib gute Arbeit leisten.
    (cvo/ach)