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Sponsoren gesucht

Die Universität Göttingen steht quadratmeterweise zum Verkauf - aber natürlich nur symbolisch und nur ein bestimmter Bereich: Verkauft werden Räume des ehemaligen Hochschulgefängnisses, dem größten der sechs in Deutschland erhaltenen so genannten Karzer. Sponsoren sollen Teile der Wände oder auch eine der acht Zellen erwerben - und so die zahlreichen historischen Graffiti dort vor dem Zerfall bewahren.

Von Hans-Peter Fischer |
    Besonders gemütlich wirken die acht Zellen des Göttinger Studentengefängnisses nicht gerade: Sechs Quadratmeter sind sie groß, eingerichtet mit einfachsten Holztischen und Betten, darauf ursprünglich Strohsäcke. Dem Sozialwissenschaftler Gert Hahne ist das wenig wohnliche Ambiente wohl vertraut, er hat die acht erhaltenen Zellen in seiner Doktorarbeit genauer unter die Lupe genommen.

    " Das Essen gut, der Sekt auf Eis, fidel im kleinen Freundeskreis, ein dreifach Hoch, oh Karzer Dir, nicht Strafe ist's, es ist Plaisier."

    Solche Gedichte und Parolen bedecken fast jeden Quadratzentimeter der Wände und Decken, dazwischen Selbstportraits und Burschenschaftswappen. Die Graffiti entstanden in unzähligen Karzernächten - bis 1933 wurden Studenten Jahrhunderte lang nicht von bürgerlichen Gerichten bestraft, sondern allein von der Uni. Studentinnen haben in Göttingen allerdings nicht gesessen, in den Akten finden sich ausschließlich Männer. Viel Mühe gaben sich die Delinquenten, ihre Missetaten zu verewigen:

    Gert Hahne:
    " Als ich sie zuerst gesehen, dachte ich nur das eine: Himmel brennt die Lampe schön, diese oder keine! Das war ein klassisches Delikt, um auf den Karzer zu kommen, man warf eine Gaslaterne aus und damit man dabei auch auf jeden Fall erwischt wurde, kündigte man das zum Teil vorher bei der Uni an."

    Wenigstens eine Nacht im Karzer - im 20. Jahrhundert prahlten Studenten damit. Dagegen zeugen Inschriften aus der Mitte des 19. Jahrhunderts von ernsteren Vergehen und Anliegen - wie demokratisches Aufbegehren gegen den Landesfürsten. Doch die Farben der historischen Graffiti verblassen allmählich, immer mehr Risse durchziehen den Putz. Die Uni will die acht Zellen nun retten. Vizekanzlerin der Uni Göttingen, Doris Lemmermöhle:

    " Eine Universität hat eine Geschichte und der Karzer gehört zur Universität und ich denke, dass er auch vom Leben der Universität auch deutlich macht, das zweite ist: Es ist natürlich auch ein Stückchen Rechtsgeschichte und das dritte: Es ist auch ein Stück Stadtgeschichte."

    80.000 Euro kostet die Restaurierung, insgesamt 400 qm Wand- und Deckenfläche sind zu sanieren. Göttinger Absolventen und Einwohner sollen nun spenden - und so symbolisch Teile des Karzers erwerben, wenige Quadratzentimeter oder gleich eine ganze Zelle. Hochschuletats bleiben unangetastet, heutige Studierende erleiden keine Nachteile. Trotzdem sind nicht alle begeistert. Ein Stimmungsbild:

    " Ich denke, man erschöpft die Ressourcen falsch und müsste das Geld für andere Zwecke nutzen, man müsste die potentiellen Spender eben für andere Projekte gewinnen und nicht für dieses."

    " Ich finde, solche geschichtlichen Dokumente sollte man schon bewahren, so viel Geld ist es dann ja auch nicht, wenn das eingeworben wird, dann geht der Uni ja auch nix verloren dabei."

    " Fundraising ist ja in Ordnung, das sind freiwillige Zahlungen, zweckbezogen, deswegen finde ich das auch in Ordnung."

    Das Interesse ist jedenfalls schon vor dem heutigen Beginn der Spendenaktion groß, erste Zusagen stehen bereits. Mitinitiator Gert Hahne ist überzeugt, dass die Göttinger den notwendigen Betrag gemeinsam zusammenbekommen.

    " Die Studenten in Göttingen hatten immer eine besondere Beziehung zu ihrer Stadt, hatten das in der Vergangenheit und haben das heute auch noch, genauso wie die Bürger, früher noch viel stärker als heute, wirtschaftlich von den Studenten abhängig waren und wir wollen hier versuchen, diese alte Solidarität wieder zum Leben zu erwecken, es ist einfach schön zu sehen: Wow, so war das früher, das muss doch eine tolle Zeit gewesen sein."