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Spontaner Einfall

Mehrfach mussten Autohersteller in den vergangenen Jahren Automodelle zurückrufen, weil unerwünschte Wechselwirkungen verschiedener Prozessoren die Autos fahruntüchtig machten. Die Computersysteme müssen deshalb lernen, besser miteinander zu kooperieren. Wie das bewerkstelligt werden soll, darüber haben gestern rund Wissenschaftler und Entwickler auf dem Symposium "Organic Computing" in Karlsruhe diskutiert.

Von Peter Welchering |
    Man darf sich die organischen Computer allerdings nicht zu menschenähnlich vorstellen. Denn beim Organic Computing geht es wirklich nur um Rechnerarchitekturen und nicht etwa um den Übercomputer, der uns alle unter seine Knute zwingen will. Es geht auch nicht darum, Computer aus organischem Material, mit richtigen Nervenzellen oder Hautsensoren zu entwickeln. Sondern, es geht darum, Computer zu entwickeln, die sich selbst organisieren und dabei ihrer Umgebung anpassen und die rechtzeitig unerwünschte Wechselwirkungen erkennen und vermeiden. Professor Hartmut Schmeck von der Universität Karlsruhe beschreibt das so.

    " Beim Organic Computing ist man daran interessiert, diese Systeme, die sich selbst organisieren können, beherrschbar zu halten, und gerade in Interaktion mit dem Menschen auch dafür zu sorgen, dass sie sich vertrauenswürdig verhalten, dass sie nicht ein Verhalten zeigen, dass vom menschlichen Benutzer nicht mehr gewünscht wird. "

    Dazu hat die deutsche Forschungsgemeinschaft einen Sonderforschungsbereich eingerichtet. Und die ersten Ergebnisse der Grundlagenforschung, die wurden gestern in Karlsruhe diskutiert.

    Organische Computer können überall dort eingesetzt werden, wo verteilt gearbeitet wird. Das Internet ist zum Beispiel so ein organisches, sich selbst organisierendes System. Fällt da eine Datenleitung oder ein Knotenrechner aus, wird er überbrückt, und zwar so lange, bis er sich als wieder funktionsfähig zurückmeldet. Die organische Ampel ist ein anderes Beispiel. Im Straßenverkehr einer Stadt da gibt es zehntausende von Autos, jeder Fahrer hat seine eigenen Ziele, und damit jeder seine Ziele erreichen kann, und nicht einfach nur die stärksten Autos die schwächsten beiseite schieben, brauchen wir Regeln im Straßenverkehr, etwa Vorfahrtsregeln, die zum Beispiel von Ampeln gesteuert werden. Prof. Schmeck erläutert die organische Ampel so:

    " Diese Ampeln sollen zunächst einmal sehr flexibel auf konkrete Verkehrssituationen reagieren können. Das kann auf einer ersten Ebene erst mal so sein, dass man nur erfährt, wie viele Fahrzeuge kommen an der aktuellen Kreuzung und man bekommt zusätzliche Informationen von den benachbarten Straßenkreuzungen und entsprechend der Situation werden die Ampelphasen angepasst. "

    Zum Beispiel, indem bei einem sehr langen Rückstau die Linksabbieger eine längere Grünphase erhalten, um den Stau rasch abzubauen. Die Ampeln werden dabei nicht von einem Zentralrechner gesteuert, sondern jede Ampeln hat ihren eigenen Steuerungscomputer, einen organischen Computer, der tauscht sich mit den benachbarten Ampeln aus, wertet Informationen über die Zahl der Autos aus und berechnet danach die Ampelphasen.

    Die organische Ampel folgt dabei nur teilweise festen Regeln. Es gibt einige feste Regeln, etwa dass Blaulichtfahrzeuge Vorfahrt haben. Und es gibt Lernregeln. Der organische Computer wertet kontinuierlich aus, wie gut die Regeln, die er gerade befolgt, die Verkehrssituation regulieren und vergleicht das mit früheren Situationen. Und dann kann das System Vorschläge für Regeländerungen machen. Die allerdings muss der Mensch erst noch genehmigen, bevor die in Kraft treten.

    Der organische Computer erkennt, wenn etwas kaputt ist, er erkennt, was kaputt gegangen ist, er weiß, wie es repariert werden kann, und er kann mit Übergangslösungen arbeiten. Also wenn beispielsweise die Birne von meinem hinteren rechten Blinker am Auto kaputtgeht, kann so ein organischer Computer das erkennen. Er sagt das dem Fahrer und sagt ihm auch was für eine Ersatzbirne er an der nächsten Tankstelle kaufen soll. Er gibt genaue Anweisungen, wie die Birne ausgetauscht werden kann. Und bis die Birne repariert ist, benutzt er als Blinker das Bremslicht oder das hintere Rücklicht - er hat also eine Ersatzlösung.