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Sport als weiches Machtmittel

Die außenpolitische Instrumentalisierung des Sports hat sich massiv ausgeweitet, meint das französische Institut für internationale und strategische Beziehungen (IRIS). Es ist ein international angesehener "Think Tank" und hat nun erstmals zum Thema Sport-Diplomatie geforscht.

Von Suzanne Krause | 24.02.2013
    Bei den Olympischen Spielen in London, im vergangenen Sommer, saßen zeitweise vier Milliarden Zuschauer vor dem Bildschirm. Fast jeder zweite Erdenbürger. Die Sportbegeisterung ist ein globales Massenphänomen, das sich immer mehr Staaten zunutze machen wollen: sie betrachten Sport als außenpolitisches Instrument, sagt Pim Verschuuren, Koordinator der Forschungsarbeiten beim französische Institut für internationale und strategische Beziehungen (IRIS):

    "Heute kann man nicht einfach mehr andere Staaten angreifen, mit militärischem oder wirtschaftlichem Machtgebaren beeinflussen. Heute muss man anders Überzeugungsarbeit leisten. Die Globalisierung bringt mit sich, dass die Investoren immer flatterhafter sind. Und somit ist die Frage des ‘Nation Brandings‘, des Images eines Landes, mittlerweile viel wichtiger geworden. Bei dieser neuen softpower spielt der Sport, neben den Themen Erziehung und Bildung, Spitzentechnologie oder auch Kultur, eine größere Rolle als je zuvor."

    Sport als weiches Machtmittel, als weiche diplomatische Strategie. Wie das funktionieren kann, haben die Pariser Forscher anhand verschiedener Länder untersucht. Die Vereinigten Staaten gelten als Paradebeispiel. Ihr Prinzip: Außenpolitik auf Augenhöhe mit der Bevölkerung. Das Außenministerium schickte beispielsweise amerikanische Spitzensportler als Basketball-Lehrer nach Venezuela. Ein Land, mit dem die traditionellen diplomatischen Beziehungen seit langem eingefroren sind.
    "Die Vereinigten Staaten entwickeln Austauschprogramme zwischen Sportlern und der Bevölkerung in Afrika, Asien, Lateinamerika und sogar in Europa, um ihr Ansehen bei der jeweiligen Bevölkerung zu verbessern. In einigen Teilen der Welt sind die Amerikaner nicht gern gesehen. Deshalb weiten sie vor allem seit 2001 ihr sportdiplomatisches Programm vehement aus."

    Doch einen Einheitsweg gibt es in der Sportdiplomatie nicht. Staaten gehen unterschiedliche Wege, je nachdem welches Ziel sie haben. Ein weiteres Beispiel: Katar.
    "Katar möchte zur Welthauptstadt des Sports werden. Und generell mit dem Sport andere Einnahmequellen über Erdgas und Erdöl hinaus erschließen."

    Dafür investiert das kleine Emirat seit einigen Jahren Milliarden von Dollar. In den landeseigenen, aber weltweit sendenden Fernsehkanal Al Jahzira Sport, in den französischen Fußball-Club Paris Saint-Germain und vor allem in die Fußball-Weltmeisterschaft, die 2022 in Katar stattfinden wird. Für solche Großereignisse haben Staaten in der Sportgeschichte schon immer viel Geld in die Hand genommen, sich aber häufig unterschiedliche Wirkungen davon versprochen. Pim Verschuuren vom Think Tank IRIS vergleicht die Olympischen Spiele von London 2012 mit denen in Peking 2008.

    "Als China die Olympischen Spiele in Peking veranstaltete, war es schon eine Wirtschaftsmacht. Die Regierung nutzte die Spiele, sich auch als Großmacht im Sport zu präsentieren und seine industrielle Leistungsfähigkeit auszustellen. Und Großbritannien: London braucht eigentlich keine Werbung. Aber mit den Olympischen Spielen wollte das Land sein angestaubtes Image aufbessern, zeigen, dass es innovativ und kreativ ist."

    Wie Deutschland Sport als diplomatisches Instrument nutzt, haben die IRIS-Forscher nicht untersucht. Dabei betreibt das Auswärtige Amt schon seit 1961 international Sportförderung. Bildet rund um den Globus Trainer und Sportlehrer aus oder finanziert Ausländern Schulungen in Deutschland. Dafür stehen dieses Jahr 4,5 Millionen Euro zur Verfügung - ein Drittel mehr als in den Vereinigten Staaten. Außenminister Guido Westerwelle sagte im Jahr 2010:

    "Das, was wir an Sportförderung machen, ist zum einen eine Unterstützung, auch eine entwicklungspolitische Unterstützung von gerade ärmeren Ländern. Aber das Entscheidende ist, dass sich das Deutschlandbild durch Sport auch ganz wesentlich in diesen Ländern prägen lässt, als ein tolerantes Land, als ein vielfältiges Land. Fair, durchaus ambitioniert beim Sport."

    Anders sieht es in Frankreich aus. Ausgerechnet im Mutterland der klassischen Diplomatie müsse man sich der außenpolitischen Möglichkeiten des Instruments Sport noch bewusst werden, sagen die Forscher. Das Land veranstalte zwar sportliche Großveranstaltungen, habe seit langem internationale Sportprogramme. Allerdings fehle eine Koordinierung, eine klare Strategie.

    "In Frankreich gilt Sport als eine Aktivität, die zwar die Massen begeistert – aber mit Politik wenig zu tun habe. Da zeigt sich ein kultureller Unterschied zu anderen Ländern. Andernorts hat man keine Komplexe, dem Sport auch in der Politik einen wichtigen Platz einzuräumen."