Freitag, 19. April 2024

Archiv

Erstes Interview nach Zusammenbruch bei Fußball-EM
"Mein Ziel ist die WM in Katar"

Bei der Fußball-EM im vergangenen Sommer ist der Däne Christian Eriksen mitten im Spiel seiner Mannschaft gegen Finnland auf dem Platz zusammengebrochen und hat einen Herzstillstand erlitten. Eriksen hat überlebt. Im ersten Fernsehinterview seit seinem Zusammenbruch hat der Däne jetzt angekündigt, seine Fußballkarriere fortsetzen zu wollen - und ein großes Ziel vor Augen zu haben.

Von Julia Wäschenbach | 08.01.2022
Christian Eriksen
Christian Eriksen (www.imago-images.de/Newspix24)
"Mir wird erst im Krankenwagen bewusst, dass ich eigentlich… tot war. Die Leute haben es gesehen und in ihren Wohnzimmern geweint, oder geweint, wo auch immer sie es gesehen haben. Heute habe ich das Glück, ihnen zeigen zu können: Danke für die Tränen, aber ich bin noch da."
Danke für euer Mitgefühl, es geht mir gut: Das ist die eine Botschaft, die Christian Eriksen der Welt im ersten Interview nach seinem Zusammenbruch vermitteln will, das in dieser Woche im dänischen Rundfunk ausgestrahlt wurde. Dass er noch da ist, ist nicht selbstverständlich. Minutenlang kämpfte ein Ärzteteam nach seinem Kollaps auf dem Fußballplatz um sein Leben, während sich seine Mannschaft und die Zuschauer in einem kollektiven Schockzustand befanden.

Eriksen hat keine Erinnerung an Zusammenbruch

"Ich kann mich an nichts davon erinnern, ich habe mich nur fern gefühlt. Anfangs habe ich gekämpft, Luft zu kriegen, die Augen zu öffnen. Dann habe ich Leute gesehen, die überall um mich herumstanden, all die Ärzte. Dann habe ich Stimmen gehört. Auch unseren Arzt, der über mich gesagt hat: Er ist 30. Ich habe ihn sofort korrigiert und gesagt: Nein, nein, ich bin 29, entspann dich. Also ich war sofort bei Bewusstsein."
Christian Eriksen - Wenn Fußball zur Nebensache wird
Auch an die Stimmung damals, daran, wie er aus dem Stadion getragen wird, kann sich der Däne noch ganz genau erinnern. Nur die drei, vier Minuten davor sind weg. Die Fans haben seinen Namen gerufen. Im Krankenwagen schießt dem Fußballnationalspieler ein Gedanke durch den Kopf: "Behaltet meine Fußballschuhe. Es ist aus. Ich werde nicht mehr Fußball spielen können."

Der dänische Nationalspieler will zur WM

Jetzt, nach rund sieben Monaten, in denen der Däne seinen Zusammenbruch nicht nur physisch, sondern auch mental verarbeiten musste, haben ihm die Ärzte genau dafür grünes Licht gegeben. Deshalb hat Eriksen im Interview des dänischen Rundfunks noch eine zweite Botschaft: Schreibt mich nicht ab. Ich bin fit und will wieder auf den Platz. Seit dem Herzstillstand lebt Eriksen mit einem Herzschrittmacher. In der italienischen Serie A, wo der offensive Mittelfeldspieler zuletzt bei Inter Mailand unter Vertrag war, darf er deshalb nicht mehr antreten. Einem Comeback in der dänischen Nationalmannschaft steht dagegen nichts im Wege.
"Mein Ziel ist es, bei der WM in Katar dabei zu sein. (…) Das ist natürlich noch lang hin. Bis dahin heißt es einfach nur: Fußball spielen und beweisen, dass ich wieder dasselbe Niveau erreichen kann wie vorher."

Rückkehr in die Nationalmannschaft ist möglich

Wenn ihm das gelingt, steht einer Rückkehr in die Nationalmannschaft nichts im Wege, wie Trainer Kasper Hjulmand gleich nach dem DR-Interview betont:
"Er ist einer der allerwichtigsten Spieler in unserer Mannschaft, außerhalb des Platzes und darauf. Christian ist ein Top-Spieler und ein Top-Mensch, und er ist schon seit sehr, sehr langer Zeit einer der wichtigsten Spieler in der Nationalmannschaft. Deshalb würde uns das einen ordentlichen Boost geben."

Jetzt braucht Eriksen Spielpraxis

Allerdings bräuchte Eriksen bis zum Einsatz bei der WM Spielpraxis. In welchem Verein er eine Zukunft haben könnte, steht bislang noch in den Sternen. Gerade, scherzt Eriksen im Interview, sei er zum ersten Mal in seinem Leben arbeitslos. Seinem Agenten zufolge sind mehrere Vereine an dem Mittelfeldspieler interessiert - etwa aus der Premier League, wo Eriksen bis 2020 spielte. Tottenham-Trainer Antonio Conte ließ am Freitag durchblicken, dass Eriksen die Türen bei seinem früheren englischen Club offenstehen. Wie es sein wird, das erste Mal wieder auf einem Platz zu stehen, kann sich Eriksen jetzt noch gar nicht vorstellen. Eins hat er aber nicht: Angst, dass sein Herz ihn noch einmal im Stich lassen könnte.
"Ich habe überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass das noch einmal passieren könnte. Auch nicht auf dem Fußballplatz. (…) Den Gedanken will ich aus den Köpfen der Leute haben: Dass ich noch einmal umfallen könnte. Denn das ist nicht der Plan."