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Sport für graue Zellen

Medizin. - Der 1. Europäische Präventionstag in Bonn deckte ein reichhaltiges Spektrum an Themen ab, von der Vorsorge gegen Herzinfarkt bis zur Raucherentwöhnung. Eine Schweizer Wissenschaftlerin stellte etwa ein Training vor, durch das gerade Ältere ihre Alltagskompetenz erhalten und sogar verbessern können.

Von Kristin Raabe | 26.11.2007
    Einkaufslisten, Telefonnummern und der Weg zum neuen Hausarzt – all das können sich ältere Menschen viel schlechter merken als jüngere. Auch dann, wenn sie eigentlich völlig gesund sind und nicht an Alzheimer oder einer Demenz leiden. Das liegt daran, dass das Arbeitsgedächtnis mit den Jahren immer mehr nachlässt. Es speichert kurzfristig Informationen, die für die Bewältigung einer Aufgabe benötigt werden. Etwa die Preise der verschiedenen Kaffeesorten, die im Kopf verglichen werden, bevor man sich schließlich für eine günstige, aber wohlschmeckende Sorte entscheidet. Manchmal können Defizite im Arbeitsgedächtnis aber auch auf den Beginn einer schwerwiegenderen Erkrankung hinweisen. Iris-Katharina Penner, von der Universität Basel:

    "Wir sehen das auch bei sehr vielen Patienten am Anfang ihrer Erkrankung. Wir sehen das bei Demenzen, bei Multipler Sklerose, wir können das beobachten bei Schizophrenie, wir beobachten es bei Parkinsonpatienten, dass gerade im Anfangsstadium der Erkrankung dieser zentrale Baustein beeinträchtigt wird. Deswegen haben wir ein Programm entwickelt, was gerade diese Funktionen fördert. Das ist ein Computerprogramm mit unterschiedlichen Modulen, wo man die räumlichen Aspekte des Arbeitsgedächtnis und auch die sprachlichen trainieren kann."

    Das Computerprogramm stellt seinen Anwendern ähnliche Aufgaben, wie sie auch im Alltag bewältigt werden müssen. In einem Modul etwa erscheint ein Stadtplan, der einen Weg beschreibt, den sich der User merken muss. Hier soll die räumliche Komponente des Arbeitsgedächtnisses trainiert werden. In anderen Modulen geht es darum, sich Zahlen zu merken oder es müssen sprachlich Aufgaben bewältigt werden.

    "Wir haben gesunde ältere Personen genommen, im Schnitt 70jährig, und haben dann über vier Wochen viermal wöchentlich dieses Computerprogramm zuhause durchgeführt und man sieht dann nach diesem Training nach vier Wochen einen signifikanten Leistungsanstieg innerhalb dieses Trainings. Dann haben wir sozusagen vor und nach dem Training eine kognitive Testung, eine neuropsychologische Untersuchung mit denen gemacht und man sieht dann auch nachher, nach dem Training, dass die auch neuropsychologisch besser werden."

    Computerprogramme, die das Gedächtnis trainieren, gibt es viele. Wissenschaftlich untersucht ist die Wirksamkeit dieser Programme in der Regel allerdings nicht. Das ist bei dem Computertraining der Baseler Wissenschaftlerin anders. Außerdem hat Iris-Katharina Penner Hinweise, dass die trainierten Leistungen des Arbeitsgedächtnisses sich auch auf den Alltag auswirken.

    "Ich habe Briefe bekommen und Telefonate von diesen Teilnehmern, die total begeistert waren. Erstmal von dem Programm, weil sie gesagt haben, es hat ihnen total Spaß gemacht, das zu machen. Das Tollste fand ich, dass einer dieser Teilnehmer meinte "Jetzt kann ich mich endlich wieder an die Telefonnummer meines Sohnes erinnern, was ich vorher nicht konnte. Ich musste vorher immer auf meine Zettel schauen". Und jetzt kann er sie auswendig. Und das zeigt mir einfach, dass es wirkt."

    Eigentlich soll ihr Programm der Entwicklung von altersbedingten Gedächtnisstörungen vorbeugen. Die positiven Ergebnisse mit gesunden Studienteilnehmern haben die Psychologin ermutigt, ihr Trainingsprogramm auch bei Patienten mit Erkrankungen des Nervensystems zu testen.

    "Wir haben jetzt eine Studie durchgeführt bei Multipler Sklerose, da sehen die Ergebnisse ähnlich gut aus. Wir sehen auch eine signifikante Leistungsverbesserung. Und wir sind jetzt in laufenden Studien bei Alzheimer Demenz, Parkinson und Schizophreniepatienten."

    Im Frühjahr will Iris-Katharina Penner ein Buch mit einer CD herausbringen, dass dann über den Buchhandel bezogen werden kann. Dann kann jeder zuhause - rein präventiv – sein Arbeitsgedächtnis trainieren. Und das soll sogar Spaß machen.