Eine Sporthalle am Goetheplatz in Mainzer Neustadt, einem Einwandererstadtteil. Zwölf Mädchen toben sich bei einem Laufspiel aus. Die Mehrzahl der Mädchen hat einen türkischen Migrationshintergrund, einige kommen aus streng religiösen islamischen Familien.
"Ich bin die Arisa und bin acht Jahre."
"Ich bin die Adija und bin acht Jahre."
"Ich bin die Aischa und bin acht Jahre."
"Ich bin die Agnes und bin neun Jahre."
"Ich bin die Hadja und bin sieben Jahre."
"Ich bin die Senna und bin neun Jahre."
Männer sind normalerweise in der Halle nicht zugelassen. Für heute haben die Eltern eine schriftliche Einwilligung gegeben, die die Anwesenheit des Reporters erlaubt.
"Ja, genau, weil die dürfen ja ohne Kopftuch nicht von Männern gesehen werden."
Die beiden Betreuerinnen Andrea Michael und Doreen Becker spekulieren darüber, dass einige Mädchen aus fundamentalistischen islamischen Familien heute nicht zum Sport gekommen sind, weil ein männlicher Besucher angekündigt wurde:
"Fehlen heute auch welche. Hat die Andrea gerade gesagt, dass zwei Mädchen aus fundamentalistischen Familien heute nicht da sind."
Die Anderen sind begeistert bei der Sache. Die Mehrzahl der Mädchen hat auch die Erlaubnis bekommen, ins Mikrophon zu sprechen. Einige tragen ein rosa T-Shirt mit der Aufschrift: Mädchensport macht stark.
"Hier ist es toll mit den Mädchen. Und hier merkt man, dass man gleich stark ist, weil die Jungs ja auch ein bisschen stärker sind."
"Und wenn man mit Jungs Sport macht, die Jungs schummeln dann."
Der dicht besiedelte Stadtteil Neustadt in Mainz hat einen hohen Anteil von Bewohnern mit Migrationshintergrund. Doreen Becker arbeitet hier seit 15 Jahren als Streetworkerin mit Jugendlichen. Sie weiß: Weil die Jungen oft lautstark auf sich aufmerksam machen, wenn sie ein Angebot wollen, kommen Mädchen öfter zu kurz.
Hinzu kommt: Gerade muslimische Mädchen müssen nach der Schule eher im Haushalt helfen als die Jungs der Familie. Deshalb hat die Streetworkerin bereits vor mehr als einem Jahrzehnt das Sportangebot für die Mädchen aus der Taufe gehoben – das muslimische und nicht-muslimische Mädchen im Viertel zusammenbringen soll:
"Und deshalb haben wir ein Angebot geschaffen, wo ein Mädchen, dass aus einer fundamentalistischen Familie kommt, der es wichtig ist, dass die Kinder ein Kopftuch tragen, dass die genau so mitmachen kann wie ein anderes Mädchen, das aus einem christlichen Hintergrund kommt. Das heißt, wir haben Bedingungen geschaffen: Wir haben eine Halle, die ist von außen nicht einsehbar. Wir haben eine Sportlehrerin, die das Angebot durchführt. Es wird auch nie ein Mann ohne unser Wissen Zutritt zu diesem Bereich haben. Die Mädchen brauchen einen geschützten Rahmen."
Eines der Mädchen in der Halle hat Geburtstag, es wünscht sich Völkerball. Es trägt wie alle anderen kein Kopftuch. Warum es in der Halle abgelegt werden muss, erklärt Übungsleiterin Andrea Michael:
"Ja natürlich, die können irgendwo hängen bleiben und wenn die sich viel bewegen, dann schwitzen die ja auch."
Einmal in der Woche trifft sich die Mädchengruppe abends für anderthalb Stunden in der Halle. Die Betreuerinnen holen die Mädchen auf Wunsch an dunklen Winterabenden zu Hause ab und bringen sie auch wieder zurück. Das schafft Vertrauen. Auch deshalb schicken fundamentalistische muslimische Familien ihre Kinder zum Mädchensport. Auch deshalb kommt Doreen Becker diesen Familien entgegen:
"Mir geht es um die Mädels! Mir geht es nicht um die Familien. Ich will keine Familien bekehren. Aber ich will, dass die Mädchen zu unseren Angeboten kommen können, dass sie sich hier wohlfühlen. Also eine Grenze ist halt schon, wenn ein Mann kommt, müssen wir halt vorher Bescheid sagen. Dann sollen die Mädels halt ihr Kopftuch aufsetzen dürfen. Wir sind so dankbar, dass wir die Möglichkeit haben, alle Mädchen miteinander zu verbinden, dass ich auch wirklich den Eltern danken will, dass sie so viel Vertrauen in uns haben, dass sie ihre Mädels schicken."
Streetworkerin Doreen Becker und Übungsleiterin Andrea Michael wissen: Sie konkurrieren mit ihrem Angebot auch mit sehr patriarchal organisierten Moscheevereinen. Zwei Mädchen der Sportgruppe berichten, dass sie regelmäßig zur religiösen Unterweisung in die Moschee gehen:
"Also wir lernen da Suren und machen da muslimische Sachen."
Doch Mädchensport? Den machen sie dort nicht, obwohl die Moscheevereine oft durchaus Sport anbieten - doch eher für Männer.
Nicht weit entfernt von der Sporthalle gibt es eine männerdominierte Parallelwelt: Eine fundamentalistische Moschee mit getrennten Eingängen für Männer und Frauen. Auf der Homepage der Moschee wird offensiv Sport für Männer und Kinder angeboten. Übungszeiten und Preise sind genau aufgeschlüsselt, für Frauen und Mädchen fehlen diese Hinweise.
Spätestens mit 18 kommen die muslimischen Mädchen nicht mehr zum Sport, den Doreen Becker und ihre Mitstreiterinnen in der Halle am Goetheplatz anbieten. Ob die Frauen später weiter Sport treiben, weiß die Streetworkerin nicht.
"Wir haben auch keine Nachfrage. Wir haben viele Eltern, die kommen, die ihre Kinder zu uns bringen. Wir haben auch beispielsweise die Altersgrenze sehr gelockert. Das heißt, manchmal ist es ja so, dass die 14-Jährigen auf ihre jüngeren Schwestern aufpassen müssen. Und wir sind in der Lage, ein Angebot zu machen, wo man mit einer Siebenjährigen und einer 14-Jährigen gleichzeitig Spaß hat. Also wir haben viele Geschwisterkinder, manchmal drei Geschwister, die zu uns kommen. Wir haben aber keine Nachfrage von Eltern, das die Sport machen wollen."
Pause, der erste Bewegungsdrang ist ausagiert. Die Mädchen lassen sich im Kreis auf dem Hallenboden nieder. Einige sind schon zwei Jahre dabei, andere erst seit wenigen Wochen.
Aber alle finden es cool, hier mal unter sich zu sein – ohne ihre Brüder oder die Jungs aus der Nachbarschaft.
"Die Jungs sind auch stinkig."
"Die nerven uns."
"Und sie geben fast immer an."
"Ich bin die Arisa und bin acht Jahre."
"Ich bin die Adija und bin acht Jahre."
"Ich bin die Aischa und bin acht Jahre."
"Ich bin die Agnes und bin neun Jahre."
"Ich bin die Hadja und bin sieben Jahre."
"Ich bin die Senna und bin neun Jahre."
Männer sind normalerweise in der Halle nicht zugelassen. Für heute haben die Eltern eine schriftliche Einwilligung gegeben, die die Anwesenheit des Reporters erlaubt.
"Ja, genau, weil die dürfen ja ohne Kopftuch nicht von Männern gesehen werden."
Die beiden Betreuerinnen Andrea Michael und Doreen Becker spekulieren darüber, dass einige Mädchen aus fundamentalistischen islamischen Familien heute nicht zum Sport gekommen sind, weil ein männlicher Besucher angekündigt wurde:
"Fehlen heute auch welche. Hat die Andrea gerade gesagt, dass zwei Mädchen aus fundamentalistischen Familien heute nicht da sind."
Die Anderen sind begeistert bei der Sache. Die Mehrzahl der Mädchen hat auch die Erlaubnis bekommen, ins Mikrophon zu sprechen. Einige tragen ein rosa T-Shirt mit der Aufschrift: Mädchensport macht stark.
"Hier ist es toll mit den Mädchen. Und hier merkt man, dass man gleich stark ist, weil die Jungs ja auch ein bisschen stärker sind."
"Und wenn man mit Jungs Sport macht, die Jungs schummeln dann."
Der dicht besiedelte Stadtteil Neustadt in Mainz hat einen hohen Anteil von Bewohnern mit Migrationshintergrund. Doreen Becker arbeitet hier seit 15 Jahren als Streetworkerin mit Jugendlichen. Sie weiß: Weil die Jungen oft lautstark auf sich aufmerksam machen, wenn sie ein Angebot wollen, kommen Mädchen öfter zu kurz.
Hinzu kommt: Gerade muslimische Mädchen müssen nach der Schule eher im Haushalt helfen als die Jungs der Familie. Deshalb hat die Streetworkerin bereits vor mehr als einem Jahrzehnt das Sportangebot für die Mädchen aus der Taufe gehoben – das muslimische und nicht-muslimische Mädchen im Viertel zusammenbringen soll:
"Und deshalb haben wir ein Angebot geschaffen, wo ein Mädchen, dass aus einer fundamentalistischen Familie kommt, der es wichtig ist, dass die Kinder ein Kopftuch tragen, dass die genau so mitmachen kann wie ein anderes Mädchen, das aus einem christlichen Hintergrund kommt. Das heißt, wir haben Bedingungen geschaffen: Wir haben eine Halle, die ist von außen nicht einsehbar. Wir haben eine Sportlehrerin, die das Angebot durchführt. Es wird auch nie ein Mann ohne unser Wissen Zutritt zu diesem Bereich haben. Die Mädchen brauchen einen geschützten Rahmen."
Eines der Mädchen in der Halle hat Geburtstag, es wünscht sich Völkerball. Es trägt wie alle anderen kein Kopftuch. Warum es in der Halle abgelegt werden muss, erklärt Übungsleiterin Andrea Michael:
"Ja natürlich, die können irgendwo hängen bleiben und wenn die sich viel bewegen, dann schwitzen die ja auch."
Einmal in der Woche trifft sich die Mädchengruppe abends für anderthalb Stunden in der Halle. Die Betreuerinnen holen die Mädchen auf Wunsch an dunklen Winterabenden zu Hause ab und bringen sie auch wieder zurück. Das schafft Vertrauen. Auch deshalb schicken fundamentalistische muslimische Familien ihre Kinder zum Mädchensport. Auch deshalb kommt Doreen Becker diesen Familien entgegen:
"Mir geht es um die Mädels! Mir geht es nicht um die Familien. Ich will keine Familien bekehren. Aber ich will, dass die Mädchen zu unseren Angeboten kommen können, dass sie sich hier wohlfühlen. Also eine Grenze ist halt schon, wenn ein Mann kommt, müssen wir halt vorher Bescheid sagen. Dann sollen die Mädels halt ihr Kopftuch aufsetzen dürfen. Wir sind so dankbar, dass wir die Möglichkeit haben, alle Mädchen miteinander zu verbinden, dass ich auch wirklich den Eltern danken will, dass sie so viel Vertrauen in uns haben, dass sie ihre Mädels schicken."
Streetworkerin Doreen Becker und Übungsleiterin Andrea Michael wissen: Sie konkurrieren mit ihrem Angebot auch mit sehr patriarchal organisierten Moscheevereinen. Zwei Mädchen der Sportgruppe berichten, dass sie regelmäßig zur religiösen Unterweisung in die Moschee gehen:
"Also wir lernen da Suren und machen da muslimische Sachen."
Doch Mädchensport? Den machen sie dort nicht, obwohl die Moscheevereine oft durchaus Sport anbieten - doch eher für Männer.
Nicht weit entfernt von der Sporthalle gibt es eine männerdominierte Parallelwelt: Eine fundamentalistische Moschee mit getrennten Eingängen für Männer und Frauen. Auf der Homepage der Moschee wird offensiv Sport für Männer und Kinder angeboten. Übungszeiten und Preise sind genau aufgeschlüsselt, für Frauen und Mädchen fehlen diese Hinweise.
Spätestens mit 18 kommen die muslimischen Mädchen nicht mehr zum Sport, den Doreen Becker und ihre Mitstreiterinnen in der Halle am Goetheplatz anbieten. Ob die Frauen später weiter Sport treiben, weiß die Streetworkerin nicht.
"Wir haben auch keine Nachfrage. Wir haben viele Eltern, die kommen, die ihre Kinder zu uns bringen. Wir haben auch beispielsweise die Altersgrenze sehr gelockert. Das heißt, manchmal ist es ja so, dass die 14-Jährigen auf ihre jüngeren Schwestern aufpassen müssen. Und wir sind in der Lage, ein Angebot zu machen, wo man mit einer Siebenjährigen und einer 14-Jährigen gleichzeitig Spaß hat. Also wir haben viele Geschwisterkinder, manchmal drei Geschwister, die zu uns kommen. Wir haben aber keine Nachfrage von Eltern, das die Sport machen wollen."
Pause, der erste Bewegungsdrang ist ausagiert. Die Mädchen lassen sich im Kreis auf dem Hallenboden nieder. Einige sind schon zwei Jahre dabei, andere erst seit wenigen Wochen.
Aber alle finden es cool, hier mal unter sich zu sein – ohne ihre Brüder oder die Jungs aus der Nachbarschaft.
"Die Jungs sind auch stinkig."
"Die nerven uns."
"Und sie geben fast immer an."