Archiv


Sport statt Pillen

Medizin. - Beim 10 Menopause-Weltkongress in Berlin geht es vor allem um Hormone, und das nicht nur um die Wechseljahrsbeschwerden abzufedern, sondern auch um auf längere Sicht ein Altern bei guter Gesundheit zu ermöglichen. Frauen sind aber derzeit skeptisch, wenn es um eine Dauertherapie mit Hormonen geht. Deshalb werden auf dem Berliner Kongress auch Alternativen vorgestellt. Sport zum Beispiel.

    Von Volkart Wildermuth

    Die meisten Referenten der Sitzung "Altern und Training" sind selbst hart an der Pensionsgrenze und wirken dennoch schlank und fit. Offenbar predigen sie nicht nur körperliche Ertüchtigung, sie drehen auch selbst ihre Runden im Park oder stemmen Gewichte. Das auf einem so hormonzentrierten Kongress der Sport überhaupt eine eigene Sitzung erhält hat nach Dr. Clemens Becker vom Geriatrischen Zentrum Ulm zwei Gründe:

    Zum einen ist es so, dass man gesehen hat in den letzten Jahren, dass die Verbindung von Medikamenten und körperlicher Betätigung viel effektiver ist als die Einnahme von Medikamente alleine und zum andern ist es so, dass viele Frauen eben nicht bereit sind, Medikamente überhaupt zu nehmen und es geht für uns darum dort auch Alternativen anbieten zu können.

    Und Sport ist eine Alternative. Viele langfristige Studien belegen, dass körperliches Training nicht nur die Muskeln stärkt und die Ausdauer verbessert, sondern auch das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall, für die Zuckerkrankheit und den Knochenschwund, ja selbst für Brustkrebs und Alzheimer senkt. Auch kurzfristig können die Forscher viele positive Effekte nachweisen. Wenn zum Beispiel das Herz beim Training schneller schlägt, dann pumpt es das Blut kräftiger durch die Adern. Die werden gedehnt und das setzt wiederum Stickstoffmonoxid frei, ein Botenmolekül das dem Verkalken der Adern vorbeugt. Und das ist längst nicht alles. Becker:

    Sport senkt zum Beispiel den Blutruck, das kann man messen, bestimmte Blutfettbestandteile werden günstig beeinflusst, die Blutzuckerausnutzung wird zum Beispiel bei Zuckerkranken begünstigt. Es gibt eine Fülle von anderen Effekten die aufgetreten sind und bei regelmäßiger körperlicher Betätigung sind bisher keine schädlichen Wirkungen beobachtet worden sondern insgesamt günstige Wirkungen auf nahezu alle Parameter, die gemessen wurden.

    Vor zehn Jahren empfahlen die Sportwissenschaftler vor allem Ausdauertraining. Das ist unbestritten gesund, doch heutzutage stehen außerdem Muskelkraft, Balance und Beweglichkeit im Vordergrund. Warum zeigt das Beispiel Osteoporose. Der Knochenschwund erhöht das Risiko für einen Oberschenkelhalsbruch. Deshalb ist es gut, wenn die Knochendichte etwa durch eine Hormonbehandlung wieder steigt. Andererseits führt die Osteoporose allein nur selten zu Problemen. Erst wenn eine älterer Mensch mit schwachen Knochen auch wirklich stolpert und fällt, wird er sich den Oberschenkelhals brechen. Und die Neigung zu Stürzen lässt sich mit Gleichgewichts- und Krafttraining deutlich senken. Wissenschaftlich ist die Datenlage also eindeutig, ältere Menschen sollten Sport treiben, doch der Erkenntnis folgen viel zu selten Taten. Die Hemmschwelle ein Fitnessstudio zu betreten steigt mit den Lebensjahren. Das ist doch nur was für Bodybuilder und junge Managertypen. Das Geriatrische Zentrum Ulm hat deshalb Angebote gezielt für die Ansprüche und das Leistungsvermögen der Älteren gemacht. Bewährt hat sich zum Beispiel Tai Chi Chuan, das chinesische Schattenboxen, das mit seinen langsamen Bewegungen niemand überfordert und besonders den Gleichgewichtssinn fördert. Becker:

    Als wir in Ulm diese Tai Chi Chuan Gruppen angeboten hatten war es so, dass wir ursprünglich mit 40 Personen starten wollten und dann zu unserer Überraschung kamen wir in diesen Raum und es saßen 140 Personen darin, die morgen am liebsten damit anfangen wollten. Das ist ein Beispiel dafür, wie attraktiv solche Programme sein können.

    Clemens Becker hat die Tai Chi Chuan Kurse drei Monate wissenschaftlich begleitet. Ergebnis: körperliche Leistungsfähigkeit aber auch Konzentration und Aufmerksamkeit stiegen deutlich an. Die Teilnehmer waren so begeistert, dass sie die Kurse in eigener Regie und für eigenes Geld fortführten. Das ist ungewöhnlich. Die meisten Alten, die ein regelmäßiges Training beginnen, hören nämlich schnell wieder damit auf. Die Gesundheitsvorteile des Sports reichen allein als Motivation nicht aus. Auf Dauer, so zeigen psychologische Befragungen, kommt es weniger auf den gesundheitlichen als auf den sozialen Gewinn an. Deshalb ist funktioniert ein Gruppentraining immer besser als der Versuch, den inneren Schweinehund allein zu besiegen. Je früher mit dem Training begonnen wird desto besser. Höchste Zeit ist es aber in jedem Fall, wenn Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit so weit nachlassen, dass Einschränkungen im Alltag drohen. Darauf sollten vor allem auch die Ärzte achten. Wenn ihre Patienten keine fünf Sekunden mehr auf einem Bein stehen können, 10 Meter Gehstrecke nicht in 10 Sekunden bewältigen oder länger als 15 Sekunden benötigen, um fünf mal hintereinander von einem Stuhl aufzustehen, den sollten sie dringend zu einem Sportkurs für Ältere schicken meint Clemens Becker:

    Wir sagen zwei bis dreimal in der Woche mindestens spazieren gehen, ein flottes Tempo eine halbe Stunde, das ist sozusagen die Basis, dann ist es wichtig dass in dem Moment, wo man merkt, dass die Kräfte nachlassen man zum Beispiel in der kalten Jahreszeit für sechs Monate an einer Kraftübungsgruppe teilnehmen sollte und das dritte wäre, auch die Balance zu verbessern eine ideale Form zum Beispiel im Sommer ist das Tai Chi Chuan oder das geht genauso gut ein Senioren Tanznachmittag, das geht genauso gut. Das ist Effektiv, das kann man messen, das haben wir gemessen, das haben andere gemessen.