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Sport statt Pillen

Medizin. - Mal zittern die Hände und Beine unkontrolliert, so dass kein Glas zum Mund geführt, kein Schritt getan werden kann. Dann wieder erstarren die Muskeln und der Patient ist im eigenen Körper gefangen. Rund 250.000 Menschen leiden in Deutschland an der Parkinsonschen Erkrankung, bei der Dopamin produzierende Zellen untergehen. Doch die Ursachen für den langsamen Nerventod werden langsam klarer und das eröffnet auch neue Chancen für die Therapie.

Von Volkart Wildermuth |
    Es führen viele Wege zur Parkinsonschen Krankheit. In manchen Familien lösen defekte Erbanlagen das Leiden aus. Genauso können aber auch Gifte für das schleichende Nervensterben verantwortlich sein. So entwickelten junge Heroinabhängige in San Francisco plötzlich die Symptome der Schüttellähmung, als ihr Stoff verunreinigt war. Gene und Gifte, beides sind Extremfälle, meist entsteht Parkinson im Zusammenspiel einer ererbten Belastung mit Schadstoffen aus der Umwelt. Professor Timothy Greenamyre von der amerikanischen Emory Universität und derzeit Gast der Jahrestagung der US-amerikanischen Gesellschaft für Neurowissenschaften konnte die Krankheit in Ratten und Affen mit dem Pflanzenschutzmittel Rotenon erzeugen. Rotenon schädigt die Kraftwerke der Zellen, die Mitochondrien. Dadurch entstehen vermehrt aggressive Sauerstoffverbindungen und zwar im ganzen Körper. Die Dopaminneurone reagieren auf diese Belastung besonders empfindlich und sterben langsam ab. Wird ihre Zahl zu klein, entstehen die typischen Parkinsonsymptome. Es sind aber nicht nur Pestizide, die diese Nerven schädigen.

    Ich glaube, genauso wichtig sind Stoffe, die über den gleichen Mechanismus wirken, die ebenfalls die Mitochondrien schädigen, die aber natürlichen Ursprungs sind. Sie werden von bestimmten Pilzen, Bakterien und Pflanzen gebildet. Ich glaube, wir sind diesen Stoffen im Wasser, in der Luft und in der Nahrung ausgesetzt. Die Belastungen sammeln sich im Lauf unseres Lebens an und schädigen uns auf ähnliche Weise.

    Die Parkinsongene wirken ebenfalls auf die Mitochondrien und die aggressiven Sauerstoffverbindungen. Mit diesem Modell kann Timothy Greenamyre also die verschiedenen Wege zur Parkinsonschen Krankheit erklären. In den ersten Jahren nach ihrem Ausbruch können die Patienten die Symptome meist mit einem Medikament in den Griff bekommen, das den Dopaminspiegel künstlich erhöht. Die Nerven sterben aber weiter und irgendwann helfen die Pillen nicht mehr, das Zittern und die Lähmungen kehren zurück. Wenn es aber gelingen würde, den Nerventod nur etwas zu verlangsamen, könnten die Patienten wahrscheinlich ihr Leben lang mit den herkömmlichen Medikamenten auskommen. Professor Clive Svendsen von der Universität in Madison versucht, die empfindlichen Nerven für den Angriff der aggressiven Sauerstoffverbindungen zu stärken und zwar mit Wachstumsfaktoren. Der Mediziner vergleicht diese Stoffe mit einem Dünger fürs Gehirn

    Wie man den Garten im Frühjahr düngt und das Gras plötzlich sprießt, so gibt es auch Dünger für die Nerven, die sie schützen und wachsen lassen. Das Problem ist, diesen Dünger ins Gehirn hinein zu bekommen. Wir haben den Wachstumsfaktor GDNF direkt ins Nervengewebe hinein gespritzt. Das hat bei den Patienten zu einer deutlichen Besserung der Parkinsonsymptome geführt, weil die Dopaminmenge im Gehirn wieder angestiegen ist.

    Die Patienten konnten sich die drei Jahre in der Studie fast normal bewegen und das, obwohl ihnen vorher die normalen Medikamente nicht mehr geholfen hatten. Eine größere Studie einer anderen Arbeitsgruppe konnte die Erfolge allerdings nicht bestätigen. Die beiden Teams haben sich jetzt zusammengesetzt und vermuten, dass die GDNF-Dosis in der zweiten Versuchsreihe zu gering war. Weitere Studien sollen jetzt Klarheit bringen. Allerdings ist das Verfahren in jedem Fall sehr aufwändig. Das GDNF wurde von einem Depot im Bauch über Schläuche bis ins Gehirn gepumpt. In Zukunft möchte Clive Svendsen Stammzellen ins Gehirn implantieren, die den Wachstumsfaktor vor Ort bilden sollen. Im Tierversuch funktioniert das sehr gut. Es gibt allerdings sehr viel einfachere Wege, den GDNF-Spiegel im Gehirn anzuheben. Zum Beispiel mit Sport, wie Michael Zigmond herausgefunden hat. An der Universität Pittsburgh ließ der Forscher Ratten mit ihren Pfoten trainieren und versuchte gleichzeitig mit einem Gift Parkinsonsymptome auszulösen.

    Als wir uns die Nerven ansahen, wirkten sie in den trainierten Tieren ganz normal, so als ob sie kein Gift erhalten hätten. Wir vermuten, das Sport die Bildung von Wachstumsfaktoren auslöst zum Beispiel von GNDF und das der dann die Effekte der aggressiven Sauerstoffverbindungen abmildert. Wir geben dazu kein Medikament, wir aktivieren die Fähigkeit des Gehirns, sich selbst zu schützen und zwar durch Sport.

    Michael Zigmond hat begonnen, dieses Konzept auch bei menschlichen Parkinsonpatienten zu erproben. Ob trimmen allein die Krankheit aufhalten kann, ist fraglich. In jedem Fall aber werden derzeit so viele neue Ansätze gegen Parkinson erprobt, dass die Forscher optimistisch sind, in fünf bis zehn Jahren das Leben der Patienten dauerhaft erleichtern zu können.