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Sportgerichtsbarkeit auf dem Prüfstand

Der Schweizer Fußball-Klub FC Sion klagt vor ordentlichen Gerichten und dem Internationalen Sportgerichtshof gegen den Fußball-Weltverband und die Europäische Fußball-Union. Streitpunkt ist die Verpflichtung von sechs Spielern während einer Transfersperre. Jetzt flammt die Diskussion auf, bedeutet die Klagewelle vor staatlichen Gerichten das Ende der Sportgerichtsbarkeit?

Von Heinz Peter Kreuzer | 15.01.2012
    Sportschiedsgerichte haben den Vorteil, dass sie im Hauptverfahren schneller entscheiden als ordentliche Gerichte. Da sind sich die Juristen einig. Dirk-Rainer Martens, Richter am Internationalen Sportgerichtshof CAS, definiert diese Form der Rechtsprechung so:

    "Eine Schiedsgerichtsbarkeit tritt dann in Aktion, wenn zwei Parteien sich geeinigt haben, dass sie einen Streit den sie haben, statt durch ein Staats- durch ein Schiedsgericht entscheiden lassen wollen. Das ist eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien, an die diese Parteien auch gebunden sind."

    Deshalb bewertet der renommierte Sportrechtler Martin Stopper den Fall Sion so:

    "Das, was der FC Sion betreibt, ist nicht das Durcheinanderwirbeln der Sportgerichtsbarkeit, sondern sie bemühen sehr viele Gerichte. Das führt aber nicht dazu, die Sportgerichtsbarkeit als solche in Frage zu stellen."

    Aber genau das will der FC Sion, die Sportgerichtsbarkeit in Frage stellen. Sions Anwalt Alexandre Zen-Ruffinen:

    "Wir hoffen sehr stark darauf, dass unser Fall das System ändern wird. Denn wir sind überzeugt, dass der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne nicht allen Parteien im Fußball die gleichen Chancen garantiert. Der CAS arbeitet korrekt, wenn sie ein Verfahren gegen andere Vereine oder Spieler anstrengen, aber nicht, wenn sie gegen so große Verbände wie FIFA und UEFA klagen."

    Der Münchner Jurist Martin Stopper bestreitet diese Sicht der Dinge:

    "Über die Unabhängigkeit des CAS ist ja schon viel geschrieben und geredet worden, der gilt aber nach offizieller Lesart auf jeden Fall als unabhängig. Finanziert werden muss eine solche Veranstaltung von den Verbänden. Aber die Unabhängigkeit dadurch in Frage zu stellen, ist etwas zu einfach."

    Für Martens liegen die Probleme der Sportgerichtsbarkeit aber woanders. Er weist darauf hin, dass diese Einigung auf eine Schiedsgerichtsbarkeit nicht von allen als freiwillig gesehen würde. Denn Athleten und Vereine müssten eine Schiedsgerichtsvereinbarung unterschreiben, um an Wettbewerben teilnehmen zu können.

    "Das ist ein Problem, darüber haben sich schon viele Gedanken gemacht und da werden sich noch viele Gedanken machen. Aber ich persönlich bin der Auffassung, dass es im Interesse aller ist, Entscheidungen im Sport durch Schiedsgerichte entschieden werden und nicht durch Staatsgerichte."


    Trotz dieser Regelung ist der Gang vor ordentliche Gerichte aber nicht unüblich. Diese würden laut Stopper jedoch häufig auf die Schiedsabrede hinweisen und das diese einzuhalten sei. Für ihn ist es eher die Ausnahme, dass sich ein ordentliches Gericht wie im Fall Sion mit dem Fall befasst. Der Schweizer Jurist und ehemalige CAS-Richter Stefan Netzle begründet die Notwendigkeit von Einstweiligen Anordnungen.

    "Diese Möglichkeit der vorsorglichen Maßnahme wird man nicht eliminieren können und auch nicht wollen. Da die Sportschiedsgerichtsbarkeit nicht in der Lage ist, vorsorgliche Maßnahmen durchzusetzen, das können nur staatliche Gerichte, wenn die Gegenpartei, die betroffen ist, nicht einverstanden ist. Das führt aber nicht dazu, dass die Sportgerichtsbarkeit ausgehebelt wird."

    Aber solchen vorsorglichen Maßnahmen ist auf jeden Fall Folge zu leisten, ansonsten macht man sich strafbar. Die Europäische Fußball-Union hat sich jedoch geweigert, den FC Sion in die Europa League einzugliedern. Für Alexandre Zen-Ruffinen hat das folgenden Grund:

    "Die UEFA missachtet die Entscheidungen des staatlichen Gerichts, weil es sich um einen kleinen Klub und einen finanziell wenig lukrativen Wettbewerb wie die Europa League handelt. Mit einem deutschen oder französischen Verein würden sie das nie tun, weil es dann um mehr Geld geht als bei einem kleinen Klub wie dem FC Sion."