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Sportgerichtshof CAS
Nur ein Teilerfolg für Pechstein

Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bescheinigte dem Internationalen Sportgerichtshof CAS in einem Grundsatzurteil Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit. Eisschnellläuferin Claudia Pechstein hatte Beschwerde eingereicht, weil sie den Sportgerichtshof in Lausanne nicht für unparteiisch hält.

Jörg Münchenberg im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 02.10.2018
    Eisschnellläuferin Claudia Pechstein wartet am 08.03.2016 im Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (Baden-Württemberg) auf den Beginn ihres Prozesses.
    Eisschnellläuferin Claudia Pechstein (picture alliance / dpa - Uli Deck)
    Jörg Münchenberg: Claudia Pechstein ist 46 Jahre alt und immer noch aktive Eisschnellläuferin. 2009 wurde sie von der Internationalen Eisschnelllaufunion für zwei Jahre wegen Dopings gesperrt, nicht aufgrund eine positiven Probe, sondern wegen auffälliger Blutwerte. Seither, also seit fast 10 Jahren, kämpft Pechstein gegen diese Sperre. Sie ist damit durch alle Instanzen gegangen, auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser hat heute ein Urteil gefällt. Jessica Sturmberg, welches?
    Jessica Sturmberg: Es ist im Grunde ein zweifaches Urteil. Einmal geht es um die grundsätzliche Frage, ist der Internationale Sportgerichts CAS eigentlich ein unabhängiges Gericht? Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bejaht, der CAS sei unabhängig und unvoreingenommen. Claudia Pechstein hatte das dem Internationalen Sportgerichtshof CAS abgesprochen. Mit der Begründung, der CAS sei zu nah an den Verbänden und bilde die Seite der Athleten nicht ausreichend ab. Da gäbe es ein Ungleichgewicht. Das zeige sich in der Art und Weise, wie die Richter am CAS ernannt würden. Dieser Argumentation ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte so nicht gefolgt. Also in dem Punkt eine Niederlage für Pechstein.
    Aber ihr Verfahren ganz konkret sei nicht fair abgelaufen, weil es keine Öffentlichkeit gab. Das hätte der CAS ihr gewähren müssen. Das sei nicht fair gewesen. Und dafür bekommt Pechstein eine Entschädigung von 8000 Euro zugesprochen. Hier also ein Teilerfolg für Pechstein.
    Jörg Münchenberg: Wie bedeutend ist dieses Urteil?
    Jessica Sturmberg: Das hat schon sehr große Bedeutung, weil an der Frage die gesamte Sportgerichtsbarkeit hängt. Wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu dem Schluss gekommen wäre, der CAS ist grundsätzlich nicht unabhängig, dann hätte das gesamte System reformiert werden müssen. Man male sich mal aus, wenn Sportler vor Gerichten in ihren Heimatländern gegen ihre Sperren vorgehen könnten. Dann ist die internationale Einheitlichkeit nicht mehr gegeben. Dahingehend ist der CAS mit dem heutigen Urteil gestärkt worden.
    Allerdings es gibt Kritik am CAS, dass eben die Auswahl der Richter nicht ganz fair ablaufe. Das hatte zuletzt auch schwedischer Sportrechtler in einer Studie gezeigt, von den gut 400 Richtern am CAS kommen zur Hälfte immer nur 17 zum Zuge. Die Straßburger Richter räumen auch ein, dass Sportorganisationen einen deutlichen Einfluss auf das Auswahlverfahren der CAS-Schiedsrichter ausgeübt hätten. Aber sie sagen auch, daraus könne man nicht ableiten, dass diese Richter dann automatisch abhängig seien.
    Jörg Münchenberg: Ist der Fall Pechstein damit endgültig abgehakt?
    Jessica Sturmberg: Das heutige Urteil kann noch innerhalb von drei Monaten angefochten werden. Ob sie davon Gebrauch macht, ist die Frage. Ihr Anwalt Thomas Summerer hat Urteil noch nicht vorliegen und kann die Frage deswegen noch nicht beantworten. Ich würde vermuten, dass Pechstein das tut. Sie hat bisher keine Möglichkeit ausgelassen gegen die Sperre vorzugehen.
    Und es gibt auch noch ein anderes Verfahren, eine Beschwerde von ihr vor dem Bundesverfassungsgericht, die noch anhängig ist. Da geht es darum, ob Sportler in Deutschland vor einem ordentliche Gericht klagen dürfen. Pechstein will Schadensersatz für die zwei Jahre, die sie nicht an Wettbewerben teilnehmen konnte. Sie hat vor allem die Olympischen Spiele in Vancouver 2010 verpasst und damit Möglichkeiten Preisgelder zu gewinnen und Sponsorenverträge abzuschließen. Das Bundesverfassungsgericht muss erstmal klären, ob Sportler den Weg über ordentliche Gerichte gehen können. Weil eigentlich soll Streit im Sport den Sportschiedsgerichten vorbehalten bleiben, aber auch da ist wieder die Frage, ist der CAS unabhängig genug. Insofern könnte das heutige Urteil eine Signalwirkung auf dieses Verfahren haben. Hier ist nur die juristische Grundlage eine andere ist – nämlich das Grundgesetz und nicht die Europäische Menschenrechtskonvention.