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Sportliches Erbgut

Medizin. - Sport ist gesund - doch was sich beim sportlichen Training auf der genetischen Ebene tut, ist bislang kaum erforscht. Wissenschaftler des Karolinska-Instituts in Stockholm gingen dieser Frage nach und fanden heraus, warum wir beim Kraftakt im Fitness-Studio erfolgreich sind - oder auch nicht.

Von Sascha Ott |
    Ein Fahrrad ist in Stockholm eine nützliche Sache. Die Radwege sind breit und die Distanzen nicht weit. Die Probanden von Carl Johan Sundberg strampelten allerdings nicht über die 14 Inseln und 40 Brücken des nordischen Venedigs, sondern im Labor des Karolinska-Institut. Vier mal pro Woche saßen zwei Dutzend junge Schweden auf einem Fahrrad-Ergometer am Institut für Physiologie, jeweils eine dreiviertel Stunde lang. In den sechs Wochen wurden ihnen regelmäßig Proben aus dem Muskelgewebe entnommen und analysiert. Im Erbgut der Probanden suchten die Forscher nach Genen, die durch das Training besonders aktiviert, also zur Proteinproduktion angeregt wurden.

    "Wir haben gut 10.000 Gene beobachtet. Die meisten bleiben unverändert. Aber 500 Gene werden beeinflusst. Unter anderem die, die für die Energieversorgung der Zellen verantwortlich sind. So verbessert sich die Fähigkeit der Muskelzellen, ATP zu bilden, die Energiesubstanz im Körper."

    Außerdem zeigte sich eine erhöhte Aktivität der Gene, die für die Produktion bestimmter Wachstumsfaktoren zuständig sind: also der Proteine, mit deren Hilfe Informationen von einer Zelle zur anderen weitergeleitet werden. Ebenso aktivierte das Training Genbereiche, die mit der Entwicklung der Blutgefäße im Körper in Verbindung stehen. Diese Ergebnisse sollen Hinweise darauf liefern, durch welche genetischen Mechanismen körperliches Training Herz- und Kreislaufkrankheiten vorbeugt. Weitere Ergebnisse beziehen sich auf das bessere Verständnis des Diabetes.

    "Wir haben herausgefunden, dass gerade die Gene, die bei Diabetes zu inaktiv sind, im Zuge des Trainings stärker aktiviert werden. Dass man durch Training dem Diabetes entgegenwirken kann, war schon bekannt, aber bisher wusste man nicht, welche Gene dafür verantwortlich sind."

    Ebenso wusste man bisher nicht, welche Gene dafür verantwortlich sind, dass manche Menschen durch ihre Erbanlagen sportlicher sind als andere. Etwa ein Drittel des Trainingserfolgs, so weiß man, hängt von den Erbanlagen ab. Um diesen Unterschied genauer zu untersuchen, haben Carl Johan Sundberg und seine Kollegen die Probanden in mehrere Gruppen unterteilt: Diejenigen, die physiologisch am besten auf das Training reagierten, wurden mit denen verglichen, bei denen das Radfahren die geringsten körperlichen Auswirkungen hatte.

    "Vergleicht man die acht Trainingsbesten mit den acht Schlechtesten, dann findet man einen deutlichen Unterschied bei der Aktivität der Gene. Diejenigen, die am leichtesten trainieren, erhöhen auch am stärksten die Aktivität bestimmter Schlüsselgene. Wir nehmen also an, dass die Trainingsunterschiede mit diesen bestimmten Genen zusammenhängen."

    Hintergrund der Studie am Karolinska-Institut ist aber im Grunde nicht die Identifikation von Sportlergenen, sondern der Kampf gegen eine tückische Erbkrankheit: die Duchenne-Muskel-Dystrophie. Die Krankheit wird nur an männliche Nachkommen vererbt und führt zu einem schleichenden Abbau der Muskulatur. Die schwedischen Forscher fanden nun gut 100 Gene, die sowohl durch sportliches Training, als auch durch die Duchenne-Krankheit in ihrer Aktivität verändert werden.

    "Wenn ein Gen beim Training aktiver war, dann war es auch bei den Duchenne-Kindern aktiver. Nur bei einem dieser 100 Gene war es umgekehrt: Das wird durch Sport stark aktiviert, aber bei den Duchenne-Patienten ist es inaktiv. Und daher denken wir, dass dieses Gen möglicherweise nicht nur ein trainingsspezifisches Gen ist, sondern auch bei den Duchenne-Kindern eine besondere Rolle spielt. Es wäre interessant diesen Zusammenhang genauer zu untersuchen, um ihn besser zu verstehen."

    Die Ergebnisse der Karolinska-Forscher könnten die Entwicklung einer Gentherapie gegen Duchenne, an der seit Jahren gearbeitet wird, beschleunigen. Langfristig bedeutsamer – wenn auch noch in weiter Ferne – ist aber natürlich das Ziel, durch das Verständnis der genetischen Hintergründe bessere Therapien gegen Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten zu entwickeln.