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Sportliteratur des Jahres 2023
Welche Werke auf der Buchmesse die Sportwelt bewegen

Die Sportliteratur der Frankfurter Buchmesse 2023 gibt einen Einblick in die Seelen von Leistungsträgern und befasst sich etwa mit Diskriminierung, Burnout, der Debatte um Leistungsansprüche und der Sensibilisierung von Kindern für die Gefahren sexuellen Missbrauchs.

Jessica Sturmberg |
Malaika Mihambo steht vor einer Wand mit der Schrift Frankfurter Buchmesse.
Malaika Mihambo stellt auf der Frankfurter Buchmesse ihr Buch "Spring Dich frei" vor. (Jessica Sturmberg)
Weitspringerin Malaika Mihambo, Olympiasiegerin, zweifache Weltmeisterin, Europameisterin, siebenfache Deutsche Meisterin ist eine der Weltbesten auf der Weitsprungbahn. Wie sie, die Tochter einer sehr hingebungsvollen Mutter und eines abwesenden Vaters aus Tansania, aber in ihrer Jugend steter Diskriminierung ausgesetzt war, das erzählt sie in ihrem Buch "Spring Dich frei - Mein Weg zu Achtsamkeit und innerer Stärke". Darin beschreibt sie, wie sie aufgewachsen ist: in eher bescheidenen Verhältnissen, ein Scheidungskind, der Vater, kaum für sie da und wenn - dann nicht mit schönen Erinnerungen behaftet ist.
Und sie schreibt, wie sie aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert wurde, wie sie zur Leichtathletik kam und diese Sportart für sich entdeckte, erfolgreich wurde, aber auch Rückschläge einstecken musste. Und sie erklärt, warum sie sich nach den Olympischen Spielen in Rio ganz neu ausrichtete.
Malaika Mihambo. Regina Carstensen: "Spring Dich frei". emf-Verlag. 269 Seiten.

Debatte um den Leistungsgedanken

Menschen, die auf den Punkt Höchstleistungen abliefern müssen, bezeichnen sich auch als Peak Performer - Athletinnen und Athleten müssen das naturgemäß zu den Wettkämpfen tun, aber es gibt auch in der Wirtschaft Personen, die auf den Punkt liefern müssen. Wie können nachwachsende Generationen diese Freude entwickeln oder bewahren? Das ist ein Anliegen der Peak Performer Stiftung, in der Leistungsträgerinnen und -träger aus dem Sport und der Wirtschaft zusammentreffen und diese Freude entwickeln wollen.
Schirmherrin ist die ehemalige Biathletin Magdalena Neuner, die zusammen mit zwei Unternehmen ein Buch herausgebracht hat, das auch den Titel trägt "Peak Performer". Neuner fragt: "Wo soll den in Zukunft unser Wohlstand herkommen wenn nicht von Menschen, die Lust haben sich anzustrengen?"
Die Sportbücher des Jahres 2023 stehen auf einem Fußballfeld an der Seitenlinie aufgereiht.
Die Sportliteratur des Jahres 2023 ist vielfältig: Im Fußballbereich haben etwa Alexandra Popp und Markus Babbel Werke beigesteuert, aber auch die ehemalige Biathletin Magdalena Neuner ist vertreten. Und in "Mein Körper gehört mir - auch im Sport!" geht es um Missbrauchsprävention. (Jessica Sturmberg)
In die zuletzt aufgeheizte Debatte um den Leistungsgedanken bringt Magdalena Neuner zusammen mit anderen ehemaligen Leistungssportlerinnen und -sportlern, wie den Bender-Zwillingen aus dem Fußball, Ex-Handball-Nationalspieler Dominik Klein oder Ex-Para-Skirennläufer Gerd Schönfelder einen Beitrag ein, der Spitzenleistung und wie sie erbracht werden kann neu denkt.
Aber bevor sie damit beginnt, erzählt sie zuerst, wie ihr sportlich größter Erfolg - die beiden Olympiasiege in Vancouver 2010 sie gar nicht glücklich gemacht haben. Im Gegenteil. Danach hatte sie einen Burnout und fasste den Beschluss, ihrer Karriere ein selbst definiertes Ende zu geben. Zwei Jahre machte sie noch weiter und dann hörte sie zum Erstaunen und wohl auch mancherlei Entsetzen im Verband im Alter von 25 Jahren auf. Auf einem Höchstniveau ihrer Leistungskurve, die zu dem Zeitpunkt vielleicht nicht mal der Gipfel war. Aber eben mit der Erfahrung eines von zwei Burnouts. Es ist ein dialogisches Buch, in dem Geschichten erzählt, kommentiert und Ratschläge gegeben werden.
Magdalena Neuner, Christopher Spall und Christian Grams. Peak Performer: Von Spitzenleistern lernen, das echte Leben zu meistern. Leistungskultur neu denken. Murmann Verlag. 216 Seiten.

Fußballerin Popp: Jugendjahre im Jungsteam, Ausnahmestellung in der Nationalmannschaft

Fußball-Nationalspielerin Alexandra Popp erzählt in ihrem Buch von ihren Jugendjahren in einem Jungsteam, dass sie mit 14 gar nicht verlassen wollte, aber musste. Ihr Weg bis zur Nationalmannschaft und dort ihre Ausnahmestellung. Aber sie verpasst auch wegen Verletzung zwei Europameisterschaften und ist dann endlich in England dabei, wo der Traum vom Titel ganz nah ist. Und dann muss sie das Finale drangeben, weil ihr lädierter Oberschenkel sie auf die Bank zwingt.
Die WM in Australien und Neuseeland wollte sie unbedingt nochmal erleben, der Traum von einem Erfolg stellt sich nicht ein. Es ist die Geschichte ist die eines Mädchens, das noch in einer Zeit ins den Fußball kam, als es für Mädchen wenig Platz und kaum Strukturen gab. Heute ist sie die bekannteste ihrer Generation, Kapitänin, Anführerin. Damals war sie das einzige Mädchen unter Jungs.
Alexandra Popp. Mara Pfeiffer. Dann zeige ich es euch eben auf dem Platz. Verlag Droemer Knaur. 309 Seiten.

Markus Babbel: Rückblick auf eine lange Karriere

Etwas länger zurück liegt die aktive Karriere von Markus Babbel, Europameister von 1996. Inzwischen ist er 51 Jahre alt und im Fußball nur noch als TV-Experte aktiv. Seine Leidenschaft gilt der Musik. Auch er hat eine Biographie geschrieben und packt darin viele Geschichten aus. Beispielsweise über die verkorkste WM 1998 in Frankreich, die Rolle von Lothar Matthäus. Seine Jugendjahre beim FC Bayern München, die Jahre beim FC Liverpool und seine schwere Krankheit in der Zeit. Und er thematisiert den Suizid seines älteren Bruders Gerhard.
Europameister Markus Babbel lächelt in die Kamera
Markus Babbel, Europameister von 1996, hat eine Biographie mit dem Titel "It's not only football" geschrieben (Jessica Sturmberg)
Markus Babbel, Alex Raack. Markus Babbel - It's not only Football. Edel-Verlag. 288 Seiten.
Um eine Ära des - wie viele heute noch sagen - besten Fußballs, mindestens aber besonderer Fußballpersönlichkeiten geht es beim Buch über die WM 1974 in Deutschland. Ein Turnier, bei dem die Niederländer um Johann Cruyff fest davon überzeugt sind, dass es ihre Stunde ist. Sie zeigen den schönsten Fußball, bringen Menschen zum Träumen und am Ende gewinnt Deutschland. Für Fußball-Nostalgiker eine unterhaltsame Retrospektive.
Hubert Dahlkamp, Dietrich Schulze-Marmeling. 1974 - Die WM der Genies. Verlag Die Werkstatt. 350 Seiten.

Sport und Politik im Laufe der Zeit

Um die Verquickung von Sport und Politik geht es in "33 Sportereignisse, die die Welt verändern". Sportswashing, Sport und Klimaschutz, Niederknien und aufstehen gegen Rassismus, oder auch die Geschichte des italienischen Radstars Gino Bartali, der im Zweiten Weltkrieg Passfotos und Dokumente schmuggelte, um Jüdinnen und Juden das Leben zu retten. Das Buch enthält interessante Ansätze und ist gespickt mit kreativen Grafiken.
Fabian Sommavilla. 33 Sportereignisse, die die Welt verändern. Katapult Verlag. 288 Seiten.

Die wichtigsten Meilensteine des deutschen Handballs

Für diejenigen, die alles zum Handball wissen wollen, gibt es im Goldenen Buch zum Handball ein umfassendes Werk. Es beginnt mit den Ursprüngen 1917 in Berlin, als Max Heiser das Spiel erfand - im Grunde aus dem Gedanken heraus, dass die Turnvereine die Kinder an den immer populärer werdenden Fußball verloren. Sie brauchten attraktive Spielformen. Und damit war unter anderem Handball geboren.
Am 20. Juni 1954 verlor der THW Kiel gegen FA Göppingen 11:15 auf der Kieler Waldwiese.
Am 20. Juni 1954 verlor der THW Kiel gegen FA Göppingen 11:15 auf der Kieler Waldwiese. (Stadtarchiv Kiel)
Autor Erik Eggers erzählt in einem fast enzyklopädischen Werk alle wichtigen Stationen aus deutscher Sicht, der tragische Unfall von Joe Deckarm, der Olympiasieg der DDR-Männermannschaft 1980 in Moskau oder der WM-Triumph 2007 bis zu den aktuellen Entwicklungen wie Missbrauchswürfen.
Erik Eggers. Das Goldene Buch des deutschen Handballs. Verlag Eriks Buchregal. 376 Seiten.

Prävention gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder

Um Prävention gegen Kindesmissbrauch im Sport geht es in dem Kinderbuch "Mein Körper gehört mir - auch im Sport!" Die Illustratorin und Kinderbuchautorin Dagmar Geisler erzählt die Geschichte von Nora, einem Mädchen, das begeistert turnt und eigentlich die beste in ihrem Verein ist. Aber plötzlich zieht sie sich zurück, weil sie findet, dass ihr Trainer Sven sie bei den Hilfestellung so merkwürdig berührt. Sven ist der Trainer, den alle toll finden, der beste, den sie je hatten, dazu noch nett und lustig. Wenn Nora jetzt sagt, dass sie eigentlich lieber keine Hilfestellung von ihm haben will, was passiert dann?
Um genau diese Situation geht es Dagmar Geisler. Kinder fühlen sich nicht wohl, und wissen nicht, ist das Gefühl übertrieben oder richtig? In dem Buch geht es gut für Nora aus, Sven nimmt ihre Bedenken ernst, und spricht mit allen Kindern aus der Trainingsgruppe, dass es richtig ist, so etwas zu sagen. Er hat selber schwere Übergriffigkeit erlebt und erzählt davon.
In einem Umfeld, in dem präventiv gegen sexuellen Missbrauch agiert wird, soll ein Kind das äußern dürfen und es muss so thematisiert werden können, dass auch der Trainer nicht gleich unter einen Verdacht gerät. Dieser präventive Ansatz ist Dagmar Geisler wichtig. Ihr Buch macht es für Grundschulkinder auch gut lesbar und ist dabei nicht so düster.
Kinderbuchautorin Dagmar Geisler vor einem Regal mit ihrem Buch "Mein Körper gehört mir - auch im Sport".
Kinderbuchautorin Dagmar Geisler stellt ihr Buch "Mein Körper gehört mir - auch im Sport" vor. (Jessica Sturmberg)
Dagmar Geisler. Alexander Ndolo. Mein Körper gehört mir - auch im Sport! Loewe-Verlag. 48 Seiten.