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Sportpolitik
Sport ist kein Weltverbesserer

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und das Sekretariat der Vereinten Nationen (UN) wollen mit einem "historischen Abkommen, durch Sport die Welt verbessern". Das könnte klappen, wenn er als das behandelt würde, was er im Kern ist: Ein Kulturgut der Menschheitsgeschichte. Aber davon ist das IOC meilenweit entfernt - ein Kommentar.

Von Hajo Seppelt | 03.05.2014
    Friede, Freude, Sonnenschein? Sport kann die Welt verbessern, so tut er das allerdings nicht.
    Friede, Freude, Sonnenschein? Sport kann die Welt verbessern, so tut er das allerdings nicht. (dpa / picture alliance / Kay Nietfeld)
    Es gibt kaum Symbolüberladeneres als Olympische Spiele. Die Entzündung des Feuers, Friedenstauben, Eidesformeln, Flaggenzeremonien, Fackelläufe - Symbolik in Ihrer reinsten Form. Die Olympischen Ringe - zur Schau gestellt wie das Allerheiligste in einem Gottesdienst. Der Inszenierung des Pathos wohnen - in aller Regel – politische Repräsentanten unzähliger Staaten bei. Symbolpolitik. Alle wollen so tun, als würde Olympia, ja der Sport, die Welt verbessern können. Jetzt heißt es wieder – Originalton – "Das IOC und das Sekretariat der Vereinten Nationen treffen ein historisches Abkommen, um durch Sport die Welt zu verbessern." Geht's noch ein bisschen dicker aufgetragen?
    Richtig ist, Sport könnte die Welt verbessern, zu Humanismus beitragen, wenn er als das behandelt würde, was er im Kern ist: Ein Kulturgut der Menschheitsgeschichte. Aber davon ist das IOC meilenweit entfernt. Der Einsatz für humanistische Werte wie Fairplay und Völkerverständigung, für Umwelt- und Naturschutz – all diese Begrifflichkeiten entpuppen sich als hohle Phrasen, wie gerade die jüngste Entwicklung deutlich macht. Sotschi war geprägt von massiver Umweltzerstörung, von Einschränkung universeller Menschenrechte. Das IOC schmeißt sich aber wie in Russland oder zuvor China zweifelhaften oder gefährlichen Potentaten an den Hals. Es giert nach Milliarden durch Sponsoren- und TV-Verträge, indem es die Leistungen der eigentlichen Akteure, der Sportler, für seine Profitzwecke zu missbrauchen trachtet. Die Athleten selbst haben im Machtgefüge des IOC nur wenig mitzubestimmen, eine kleine Elite von Funktionären – in den meisten Fällen ohne jegliche demokratische Legimitation – jettet dagegen in First-Class-Flügen um die Welt, steigt stets in Fünf-Sterne-Hotels ab und lässt sich fürstlich hofieren. Die Wahrung elitärer Pfründe – das war stets so und ist es immer noch. Selbst Papst Franziskus hat für seine katholische Kirche längst erkannt, dass in einer globalisierten Welt mit einer zunehmend kritischeren Haltung zu den weltweiten Ungerechtigkeiten eine höfische Kultur der Macht nicht als Vorbild taugen kann.
    Das IOC passt in dieser Form nicht mehr in unsere Zeit, es ist ein Gralshüter des Gestrigen. Und außerdem: die Ware, die das Olympia-Komitee meistbietend verhökert und dafür auch noch Steuerfreiheit verlangt, die Leistung der Athleten nämlich, ist verderblich, weil allzu oft durch Doping und Korruption verseucht. Was hat es zudem mit einem Kulturgut zu tun, wenn die Buchhalter-Logik in Sponsorunternehmen und Ministerien die sportliche Leistung allein im Gegenwert der in sie investierten Gelder vermisst? Zumal etliche Länder das Geld dafür gar nicht haben. So bleibt nur ein müdes Lächeln, wenn das IOC mit dem Abkommen mit den Vereinten Nationen ein weiteres Mal Symbolpolitik als einen großen Coup verkaufen will. Allen voran Thomas Bach, der deutsche Präsident, der unter dem hochkorrupten ADIDAS-Patron Horst Dassler das sinistre Geschäft der Sportpolitik lernte.
    Es ist nur allzu gut zu verstehen und richtig so, wenn immer weniger demokratische Gesellschaften Olympia mehr ausrichten wollen, das IOC ablehnen. Brot und Spiele? Opium fürs Volk? Das aufgeklärte Volk will nicht mehr ohne weiteres mitspielen. Die Welt verbessern durch Sport funktioniert so nicht. Vorher sollte sich der Sport erstmal selbst verbessern.