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Sportvereine gegen Ganztagsschulen

Wenn Kinder bis 17 Uhr in der Schule sind, bleibt ihnen wenig Zeit für das Training in einem Sportverein. Doch die Vereine könnten mit Ganztagsschulen kooperieren. Ob das bereits klappt, haben der Landessportbund Rheinland-Pfalz und das Mainzer Bildungsministerium in einer Studie untersucht.

Ludger Fittkau im Gespräch mit Manfred Götzke | 17.09.2012
    Nach einem langen Tag in der Ganztagsschule haben viele Kinder keine Lust mehr auf Vereinssport
    Nach einem langen Tag in der Ganztagsschule haben viele Kinder keine Lust mehr auf Vereinssport (Deutschlandradio - Hendrik Maaßen)
    Manfred Götzke: Hallo Herr Fittkau!

    Ludger Fittkau: Hallo Herr Götzke!

    Götzke: Herr Fittkau, welche Rolle spielen denn die Vereine heute am Ganztagschulnachmittag?

    Fittkau: Sie spielen eine nicht so große Rolle bisher, wie man denken könnte. Das hat jetzt Professor Lutz Thieme von der Fachhochschule Koblenz herausgefunden. Der hat mit seinem Team wirklich mehr als 200 Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz, 320 Übungsleiter und 800 Sportvereine befragt und einfach gefragt, wie es mit der Zusammenarbeit läuft - das ist wirklich die größte Studie zum Thema bundesweit.

    Das für mich überraschendste Ergebnis und auch für viele Kollegen: Mehr als die Hälfte der Übungsleiter, die an den Ganztagsschulen Sportangebote machen, kommen gar nicht aus Sportvereinen, sondern sind Einzelpersonen, die nichts mit den Vereinen zu tun haben. Lediglich etwas mehr als ein Drittel der Sportangebote kommt von den Sportvereinen selbst, der Rest kommt von Wohlfahrtsverbänden oder Unternehmen.

    Das heißt also: Die haben wirklich Probleme, Fuß zu fassen die Sportvereine, und das in einem Bundesland, das muss man sagen, Rheinland-Pfalz, das seit Jahren ja versucht, den Ganztagsschulbetrieb auszubauen und auch politisch schon lange hinter steht.

    Götzke: Woran liegt das? Warum spielen die Vereine bisher da keine Rolle?

    Fittkau: Ein Hauptpunkt wurde heute genannt von den Studienmachern: Der Übungsleitermangel - die Vereine haben selbst wenig Übungsleiter, fühlen sich dann auch überfordert, auch noch in Schulen Angebote zu machen. Oftmals sind die Vereine auch noch nicht dazu gekommen, darüber nachzudenken, was können wir mit den Schulen zusammen machen, stellt der Koblenzer Professor Thieme fest. Viele Vereine in Rheinland-Pfalz, muss man auch sagen, sind auch sehr klein, sind nicht so professionell wie Mainz 05 oder große Vereine. Sondern haben auch keine professionelle Infrastruktur, um da wirklich eine Kooperation aufzubauen mit Schulen und auch Ansprechpartner dafür zu haben.

    Und dann muss man auch sagen, viele Vereine glauben auch nicht, dass die Kooperation mit den Ganztagsschulen ihnen weiterhilft, zum Beispiel Talente zu finden, die dann wirklich noch nachmittags in den Verein gehen. Sie haben es angesprochen, oft sind die Kinder dann auch müde, wenn sie um 17 Uhr nach Hause kommen. Und deswegen versprechen sich die Vereine offenbar auch nicht so viel von der Kooperation mit den Schulen für ihre eigene Sportentwicklung.

    Götzke: Was machen die Schulen stattdessen?

    Fittkau: Sie sind zögerlich. Jetzt wurde bei der Veranstaltung heute, bei der Pressekonferenz gesagt, die Schulen und auch die Vereine müssten eigentlich mal genauer untersuchen, was sind das eigentlich für Einzelpersonen, die da den Unterricht machen. Die werden oft von Schulleitern angesprochen. Professor Thieme konnte das noch nicht genau sagen. Er hat diese Gruppe noch nicht genau untersucht, er vermutet, dass da viele Sportstudenten mit Bachelorabschluss von den Schulen angesprochen werden oder auch noch während des Sportsstudiums dahingehen und dann diesen Sportunterricht geben.

    Das Problem dabei ist, dass eben viele noch nicht als Übungsleiter komplett ausgebildet sind. Etwa zehn Prozent aller Übungsleiter an den Ganztagsschulen sind nicht ausgebildet. Das ist natürlich ein Problem. Und da könnten die Sportvereine helfen. Die könnten auch helfen, wenn diese Einzelübungsleiter mal ausfallen und kein Ersatz da ist. Da können natürlich Sportvereine mit ihrem Fundus an Übungsleitern helfen. Und deswegen empfiehlt man eigentlich eine größere Zusammenarbeit, das war ein ganz wichtiger Punkt, zwischen Schulen, Sportvereinen und diesen Einzelpersonen.

    Götzke: Bleibt die Frage, wie die erreicht werden kann?

    Fittkau: Das ist schwierig. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz möchte jetzt die Schulen verpflichten, dass sie wirklich verpflichtend auf die Vereine zugehen, mit denen zuerst kooperieren. Aber es müssen auch die Vereine auf diese Einzelpersonen zugehen. Das wird schwer sein, und ich glaube, da ist noch viel zu tun, weil die Vereine eben auch oft organisatorisch nicht in der Lage sind, da wirklich viel zu leisten. Hauptamtliche könnten helfen, die wurden auch gefordert, aber viel kann das Land da im Augenblick auch nicht für ausgeben.

    Götzke: Die Kooperation zwischen Ganztagsschulen und Sportvereine ist noch sehr ausbaufähig, das dürfte nicht nur für Rheinland-Pfalz gelten! Luttger Fittkau hatte die Infos. Dankeschön.