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Sprachen-Mischmasch at its best

In der Geschäftswelt - und auch in der Wissenschaft - gilt das Beherrschen des Englischen als selbstverständlich. Damit stellt sich die Frage, ob und wie sich diese Globalisierung der Sprache auf die anderen Nationalsprachen auswirkt. Sind wir auf dem Weg zur Welt-Einheitssprache?

Von Ursula Storost | 16.12.2010
    Unser Leben wird immer internationaler. Und gleichzeitig immer einheitlicher. Ob Rio oder Recklinghausen: Bilder und Informationen im Netz gleichen sich. Und längst ist es Usus, dass Geschäftsleute oder Wissenschaftler durch die Welt reisen. Zu Vorträgen oder Verhandlungen. Da muss miteinander gesprochen werden. In einer Sprache, die alle verstehen, sagt der Linguist Theo Bungarten von der Universität Hamburg.

    "Selbst große deutsche Konzerne haben Englisch als Konzernsprache, haben damit aber auch große Probleme, weil selbst auf der mittleren Führungsebene es Widerstände gibt und die Betreffenden dann doch in Deutsch kommunizieren."

    Eine Einheitssprache ist also nicht in Sicht. Zumal die Europäische Union propagiert, dass jeder Europäer neben seiner Muttersprache noch mindestens zwei weitere europäische Sprachen sprechen sollte. Allerdings: Viele Wörter des Deutschen werden heutzutage nicht mehr gelernt.

    "Wenn ich die Fachsprache der Wirtschaft in bestimmten Bereichen lerne, ich komme mit den deutschen Termini, die auch existieren ja gar nicht mehr in Berührung. Also kann ich auch nicht entsprechende Termini lernen."

    Consulting und Catering, Team und Trend haben die deutschen Begriffe längst abgelöst. Nicht nur im Jargon weltweit agierender Firmen.

    "Im Spracherwerb lernen Kinder ja bestimmte Wörter der deutschen Sprache nicht mehr, weil sie sie nur noch in Englisch hören. Ich nehme das Beispiel Handy. Na gut, das ist jetzt nicht englisch, sondern denglisch oder sogenannte Anglizismen."

    Aber es ist Bestandteil der deutschen Sprache. Ebenso wie stylisch, gecancelt oder public Viewing, was im Englischen öffentlich Aufbahrung bei einer Beerdigung bedeutet. Sprachgebrauch verändert sich eben, sagt Axel Satzger. Er ist Professor für angewandte Sprachwissenschaft und Fachsprachenforschung an der TU Dresden. Wenn man sich in bestimmten Bereichen vorwiegend englischer Wörter bedient, werden diese Wörter im Deutschen irgendwann nicht mehr existieren.

    "Es gab ein interessantes Beispiel in der jüngeren Vergangenheit. Zerfall der ehemaligen Sowjetunion. Wissen zum Beispiel zur Kerntechnik, zum Betrieb von Kernreaktoren war russisch versprachlicht. Aber nicht in den Sprachen der einzelnen Republiken in denen auch Kernreaktoren standen. In der Ukraine beispielsweise. Dort waren diese Fachsprachen im Prinzip Russisch. Nach dem Zerfall der SU gab es eine Rückbesinnung auf nationale Traditionen, auf die eigene Sprache. Und was passiert denn da? Entwickelt man solch eine Fachsprache neu?"

    Das wäre sprachlich fast unmöglich. Und gesellschaftlich nicht akzeptiert, glaubt Axel Satzger. Also wechselt man im Rahmen der Globalisierung von der russischen gleich in die englische Fachsprache. Denn das Wissen – in diesem Fall um Kernkraft - soll gesellschaftlich genutzt werden.

    "Das ist keine Erscheinung unserer Zeit. Bereits Leibnitz hat gefordert, dass das Fachwissen seiner Zeit in deutsch versprachlicht worden ist. In seiner Zeit war es üblich, Fachwissen lateinisch zu versprachlichen. Er hat die Verwendung des Deutschen gefordert. hat die Deutschen aufgefordert, ihren Verstand und die Sprache besser zu üben."

    Der Zwang, Wissen weltweit zu nutzen, ist heute bedeutend größer als im 17. oder 18. Jahrhundert. Und deshalb erlebt das Englische als Lingua Franca, als weltweite Verkehrssprache einen rasanten Aufstieg

    "Wenn man 100 Jahre zurückdenkt, dann war das Deutsche zumindest in einigen Bereichen die Wissenschaftssprache. Diese Bedeutung hat das Deutsche verloren. Das hängt mit auch mit wirtschaftlichen Prozessen zusammen. wenn man sich anschaut wo in den letzten Jahrzehnten große Entdeckungen gemacht worden sind, dann war das im englischsprachigen Raum, in den Vereinigten Staaten. Wenn Sie an das Internet denken, an Computertechnologie."

    Die moderne Kommunikationstechnologien tun ein Übriges, um Sprache zu verändern. Es sind nicht nur Veränderungen im Wortschatz, sondern auch Veränderungen in der Grammatik, die Axel Satzger im Deutschen beobachtet. Konzeptionelle Mündlichkeit, so heißt die verkürzte elektronische Kommunikation. Der Schreiber tut so, als würde er sprechen.

    "So gibt es eine These, dass der Kernstandard des Deutschen einfacher wird. Das heißt, man verzichtet immer häufiger auf Flexionsendungen. Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Man hört durchaus eine Nachricht, die lautet, die Kanzlerin empfing den Präsident von Frankreich. Wo bleibt denn da das 'en'?"

    Der Fachsprachenforscher möchte aber nicht von Sprachverfall sprechen. Sprache entwickele sich immer aus der Umgangssprache, bekommen von dort ihre Impulse, sagt er. Allerdings sei festzustellen, dass Zeitstufen wie Plusquamperfekt, Futur zwei oder der Konjunktiv im Deutschen stark zurückgingen.

    "Solche Veränderungen vollziehen sich jetzt schon innerhalb einer Generation. In früheren Zeiten vollzogen sich solche Veränderungen über mehrere Generationen hinweg. Das hängt natürlich auch mit der gesamten Beschleunigung der Kommunikationsprozesse zusammen. Und damit auch wieder mit den Kommunikationstechnologien."

    Inzwischen gibt es allerdings auch Bewegungen gegen die Globalisierung. Die Menschen besinnen sich auf ihre Wurzeln. Auf ihre hergebrachten Sprachen.

    "Man spricht manchmal von sogenannten Glokalisierungsprozessen. Globalisierung und Gegenreaktion Lokalisierung. Besinnung auf nationale Werte, auf nationale Traditionen, um einen Ankerpunkt zu haben in diesem globalen Weltgeschehen."

    Aber auch wenn man sich auf eine gemeinsame Verkehrssprache einlässt, heißt das längst nicht, dass man sich wirklich versteht, sagt Rochier Crijens, Abteilungsleiter Deutsch am Institut für Unternehmenskommunikation der Universität Nimwegen.

    "Ob man rechtzeitig anfängt oder fünf Minuten später, darin unterscheiden sich die Kulturen auch. In der Zeitauffassung wie genau sollt ich es nehmen oder welche Flexibilität sollte ich einbauen, damit ich der Kultur Rechnung trage in der ich gerade eben tätig bin."

    "Wir treffen uns um acht" kann in Griechenland bedeuten, dass man eine halbe Stunde später kommt. In Deutschland soll man vielleicht pünktlich sein. Und in Großbritannien gebietet es die Höflichkeit zehn Minuten früher da zu sein. Alles ist relativ, sagt Rochier Crijens.

    "Auch mit der Höflichkeit, mit Hierarchien. Ob man Titel erwähnt oder nicht. Auch wie lange beispielsweise in der Wirtschaft eine Verhandlung dauert. Das sind kulturelle Aspekte und wir erforschen das in der sogenannten Diskursforschung."

    Dabei stellen die Forscher fest, dass es verschiedene nationale und kulturelle Denksysteme gibt, die über Sprache allein nicht zu transportieren sind.

    "Sprachverständnis ist mehr als nur das richtige Sprechen, die richtige Aussprache oder die Anwendung eines richtigen Idioms. Sprachverständnis konstituiert sich im Dialog mit dem Gesprächspartner und verlangt auch, dass wir Rücksicht nehmen auf diesen Gesprächspartner und auf die Interaktion achten."

    In diesem Sinne wird es noch ein langer Weg sein bis die Menschen sich global verstehen. Unabhängig von der Sprache.