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Sprachförderung in Kitas und Schulen
Das BiSS-Projekt zieht Bilanz

Das von Bund und Ländern finanzierte Förderprogramm „Bildung durch Sprache und Schrift“ ist nach sieben Jahren ausgelaufen. Aber die Probleme an deutschen Schulen sind nicht geringer geworden - im Gegenteil. Die Investitionen in sprachliche Bildung werden also fortgesetzt.

von Christiane Habermalz | 22.11.2019
Eine Lehrerin unterrichtet Migrantenkinder in Deutsch
Bis zu einem Fünftel der Schülerinnen und Schüler können nicht gut genug lesen und schreiben, um dem Unterricht zu folgen (imago/Sämmer)
Die gute Nachricht gleich zu Beginn: Es wird weitergehen mit "Bildung durch Sprache und Schrift" - kurz BiSS - der Initiative zur Sprach- und Leseförderung von Bund und Ländern. Aus BiSS wird Biss-Transfer: Die an vorerst 600 Kitas und Schulen gewonnenen Erkenntnisse sollen ab 2020 in die Breite getragen werden. Rund 2700 allgemeinbildende Schulen sollen künftig bei der Umsetzung der Konzepte in die Praxis begleitet werden. Dafür will der Bund noch einmal rund 13 Millionen Euro zur Verfügung stellen, die Länder tragen die Kosten für Personal und Organisation. Eine Summe, die gering erscheint dafür, dass immerhin rund 10 Prozent der Schulen in ganz Deutschland erreicht werden sollen. Die Herausforderungen an den Kitas und Schulen im Bereich Lesen und Sprachförderung sind enorm, erklärte KMK-Präsident Alexander Lorz, Kultusminister von Hessen:
"Weil wir halt ein gewisses Sprachniveau bei den Kindern, die in die Schule kommen, nicht mehr automatisch voraussetzen können. Das konnten wir halt noch nie, haben wir vielleicht auch vorher schon zu Unrecht getan, aber mit Sicherheit ist die Diversität der Niveaus, mit denen die Kinder kommen, und die daraus folgenden Herausforderungen für die Lehrkräfte, haben glaube ich noch ein ganz anderes Ausmaß angenommen."
Überprüfung von pädagogischen Methoden
Dass es um Sprach- und Lesekompetenz und Textverständnis bei vielen Kindern und Jugendlichen in Deutschland nicht zum Besten steht, haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Bildungstests belegt. Ihnen zufolge kann bis zu einem Fünftel der Schülerinnen und Schüler nicht ausreichend lesen und schreiben, um dem Unterricht folgen zu können. Bund und Länder reagierten darauf, indem sie vor sieben Jahren gemeinsam das BiSS-Programm auflegte, das jetzt offiziell auslief. BiSS steht für "Bildung durch Sprache und Schrift", die Idee: Kitas und Schulen sollen zusammenarbeiten und in einem abgestimmten und wissenschaftlich begleiteten Programm verschiedene Methoden ausprobieren und weiterentwickeln, mit denen Schülerinnen und Schüler im Lesen und beim Sprachverständnis gefördert werden können. Gleichzeitig sollte es eine Begleitung durch die Wissenschaft geben. Was hat BiSS am Ende gebracht? Vor allem die Erkenntnis, wie positiv es empfunden wurde, dass erstmals die Kluft zwischen Theorie und Praxis überbrückt, dass gemeinsam pädagogische Methoden entwickelt und verworfen wurden, lobte Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung die Initiative, eine von gleich drei wissenschaftlichen Institutionen, die das Programm begleitet haben.
"Also dass Fortbildungen nicht einmal im Jahr ein halber Tag sein können, sondern dass wir eine begleitete Schul- und Unterrichtsentwicklung brauchen. Wo sich ganze Kollegien, ganze Teams in den Kitas auf den Weg machen, wo sie Unterstützung brauchen, die sie aber nicht von außen aufgedrückt bekommen, sondern wo sie im besten Fall sehen, da haben unsere Kinder, da haben unsere Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten, da wollen wir sie unterstützen."
Wertschätzung für die Muttersprache
So hat sich in manchen Bereichen die Forschung weiterentwickelt. Etwa bei der Frage, ob nicht die Muttersprache der Kinder stärker genutzt werden müsste, um ihre Kompetenzen abzufragen und zu entwickeln – zusätzlich zur Bildungssprache Deutsch. Hier braucht es jedoch wieder die Beschäftigung mit der konkreten Umsetzung im Unterricht, betonte Petra Stannat, Leiterin des Instituts für Qualitätseinwicklung im Bildungswesen IQB.
"Ganz, ganz wichtig war natürlich der Punkt, dass man nicht verbietet, die Erstsprachen zu benutzen. Völlig klar. Dass es eine Wertschätzung geben muss für die erstsprachlichen Ressourcen, auch völlig klar. Aber wie man dann die erstsprachlichen Kompetenzen nutzt, im Fachunterreicht beispielsweise, dass ist dann schon komplexer."
Inwieweit es jetzt gelingen wird, die gewonnenen Erkenntnisse in die Realität der Schulen und Kitas in Deutschland zu tragen, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Es geht um viel. Ohne Sprache, ohne Stift, ist es schwer, Zugang zu Bildung zu bekommen. Bis für alle die passenden Instrumente bereits stehen, räumt KMK-Präsident Lorz ein, …
"…Ja, ich glaube ganz ehrlich, bis wir da einen Haken dranmachen können, falls das jemals geschieht, da wird noch eine Weile ins Land gehen."