Archiv


Sprachrohr der oppositionellen Landwirte

Die "Bauernstimme" feiert 30. Geburtstag. Die Zeitung wurde von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ins Leben gerufen. Dort sind all die Landwirte organisiert, die sich durch den Deutschen Bauernverband nicht vertreten fühlen.

Von Yvonne Mabille |
    "Wir haben gegen die Milchkontingentierung protestiert mit über 50 Kühen vor dem Deutschen Bundestag. Auch ein Novum für die Politiker, dass dort plötzlich Kühe auftauchten. Fairer Handel, faire Preise. Das ist etwas, wofür wir uns einsetzen. Und immer auch der Bündnisgedanke."

    Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) richtet ausnahmsweise einmal den Blick nach hinten: Denn die "Unabhängige Bauernstimme" - das Forum der AbL und aller sonstigen agrarpolitischen Querdenker im Lande und auf dem Lande - feiert ihr 30-jähriges Bestehen. Georg Janßen erinnert sich an die Anfänge:

    "1973 hat sich der AK junger Landwirt in Herrenberg gegründet in BWB, dort ist eine unserer Wurzeln. Und dieser AK hat sich mit kritischen Fragen auseinandergesetzt, die der Bauernverband auf keinen Fall behandeln wollte – nämlich wer bekommt eigentlich Subventionen, wem nützen sie? Deshalb gab es die Idee, eine Zeitung zu machen. 1976 im März ist die erste Zeitung erschienen."

    Seit 1983 kommt die "Bauernstimme" monatlich heraus - auf rauem Zeitungspapier, in ungewöhnlichem Format. Zwei feste Redakteure und viele Landwirte aus der Praxis, aber auch Hochschullehrer schreiben in der "Bauernstimme" Nachrichten, Hintergrundberichte und Analysen, die man in der übrigen landwirtschaftlichen Fachpresse vergeblich sucht. Mit ihrem Plädoyer "Bauernhöfe statt Agrarfabriken" schwimmt die "Bauernstimme" seit der ersten Stunde unbeirrt gegen den Strom. 1988 hat sie sich mit Natur- und Verbraucherschutzverbänden- sowie Entwicklungsorganisationen zum so genannten Agrarbündnis zusammengeschlossen. Selbsthilfe und Widerstand heißen die erklärten AbL-Ziele.

    "Diese beiden Säulen haben uns über 30 Jahre lang getragen, und diese beiden Säulen haben wir auch immer in der 'Bauernstimme' deutlich hervorgehoben: Widerstand gegen alle Ungerechtigkeiten, die Bäuerinnen und Bauern widerfahren, über Verordnungen, über politische Entscheidungen. Aber vor allen Dingen auch Selbsthilfe, weil wir gesagt haben, wir müssen auch die Geschicke selber in die Hand nehmen und nicht darauf warten, bis Politik uns etwas Positives beschert."

    1989 wird mit vereinten Kräften "Neuland" aus der Taufe gehoben - ein Programm für umweltschonende und tiergerechte Haltung, das gut ankommt bei qualitätsbewussten Verbrauchern. 1994 startet die "Kampagne gegen gentechnisch hergestelltes Rinderwachstumshormon". RBST ist bis heute in Europa verboten. Im Jahr zuvor, 1993, war die AbL Verlags GmbH gegründet worden. Zum ersten Mal erscheint der "Kritische Agrarbericht", eine fundierte Zusammenfassung der agrarpolitischen Debatte, die seither jedes Jahr zur Grünen Woche herauskommt. Als jüngster Verlagsrenner erweist sich "Verliebt Treckerfahren" - Selbstironisch-komische Geschichten, die Milchbauer Matthias Stührwoldt großenteils für die "Bauernstimme" verfasste. Als Buch 12.000 Mal verkauft, liegt inzwischen auch eine CD vor:

    "Beim Treckerfahren guck ich nun mal so, da denk ich immer nach oder ich träume."

    Ob es um die Rettung der beliebten Kartoffelsorte "Linda" geht oder um die Koordinierung der gentechnikfreien Regionen in Deutschland– die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und ihre "Bauernstimme" sind dabei. Ohne Gentechnik - das ist die richtige Richtung, meint Josef Jacobi, von 1986 bis 1996 AbL-Bundesvorsitzender

    "Wir müssen sehen, dass gerade, wenn die neue Regierung sagt, das ist die moderne Landwirtschaft, dann müssen wir den Menschen sagen: Wir sind die moderne Landwirtschaft. Wir sind nicht die letzten von gestern, sondern die ersten von morgen."