Beim Arzt viel Zeit zum Gespräch? Ne, die habe ich eigentlich nicht so. Da sage ich kurz so, was ich habe und dann sagt der Arzt meistens schon, was er dazu denkt und davon hält.
Mit dem Ergebnis: Wegen seiner "Magenbeschwerden" bekam dieser Patient sofort Kautabletten gegen Sodbrennen und Druckgefühle in der Magengegend verschrieben. Obwohl er auch noch über seine Probleme im Büro sprechen wollte: Als möglich Ursache seiner Magenschmerzen:
Und das ist ja auch gerne so, dass was vom Stress kommt. Dass ich selber was zu sage, das muss ich mir dann eigentlich eher so einfordern.
Doch dazu hatte sein Hausarzt nur kurz genickt und ihm flugs eine Überweisung zur Magenspiegelung herübergereicht. Vorbeugend, um mögliche Magengeschwüre auszuschließen.
Ein Einzelfall? Keineswegs. Denn in dem sieben bis acht Minuten, die so eine Sprechstunde bei einem Hausarzt in der Regel dauert, hat der Patient - statistisch gesehen - überhaupt nur 1,8 Minuten Zeit, seine Beschwerden genau zu beschreiben. Das hat Dr. Johannes Kruse, Psychotherapeut und Leitender Oberarzt in der Düsseldorfer Landesklinik, bei der Analyse von 500 Arzt-Patienten-Gesprächen herausgefunden.
Die Patienten klagen über Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, haben aber häufig sehr genau im Kopf, dass das zusammenhängt zum Beispiel mit der Ehescheidung, mit dem Auszug der Kinder oder mit einem Konflikt am Arbeitsplatz.
In der Regel wird dann über die Kopfschmerzen, über die Bauchschmerzen gesprochen, aber gerade in diesen kurzen Gesprächen kann der Patient gar nicht dem Arzt vermitteln, dass es da einen Zusammenhang gibt: zu den anderen Problemen, die im psychosozialen Umfeld des Patienten da liegen.
So können auch Symptome wie Abgeschlagenheit und Schlafstörungen Ausdruck einer depressiven Verstimmung sein. Oder Herzschmerzen, über die eine Patientin klagte und zusätzlich noch ihre Angst vor einem Herzinfarkt äußerte.
Ihr Hausarzt schickte sie kurzerhand zu einem Kardiologen, der sie gründlich durchcheckte und selbst bei einer Herzkatheder-Untersuchung nichts krankhaftes finden konnte. Nur durch Zufall erfuhr ihr Hausarzt von der Ehescheidung seiner Patientin und bemerkte dann erst, dass sie sich in einer tiefen seelischen Verstimmung befand - und ihr "Herz-Schmerz" nichts organisches war. Die Düsseldorfer Studie zeigt weiter, dass nicht nur Zeitmangel das Arzt-Patienten-Gespräch negativ beeinflusst und Fehldiagnosen provoziert.
Wir wissen, dass die Patienten nur die Hälfte ihrer Beschwerden dem Arzt schildern. Und ganz interessant ist, wenn man die Patienten mit seelischen Problemen befragt, warum sie ihrem Arzt diese Beschwerden nicht schildern, dann sagen die: einerseits Zeitmangel, und das spiegelt sich ja auch in unserer Untersuchung wider. Sie sagen aber auch: zweitens, dass der Arzt in seiner Gesprächsführung eigentlich auch gar nicht darauf eingeht.
Denn der Arzt bestimmt allein schon durch sein Verhalten, ob Patienten ihm nur die körperliche Seite ihrer Symptome benennen, oder ob sie sich auch trauen, über Sorgen und Ängste zu sprechen.
Das geht zum Beispiel über den Blick, ob der Arzt in dem Augenblick, wo der Patient starten möchte und über psychosoziale Aspekte zu sprechen, dann seinen Blick nach unten wendet, oder schreibt oder sagt: na ja, ist gut. Also diese Interaktion, dieses Gespräch wird durch sehr feine Signale gesteuert und die haben wir untersucht und konnten feststellen, dass der Arzt, dann, wenn er das Gespräch sehr stark kontrolliert, wesentlich seltener die psychosoziale Problematik erkennen kann.
Außerdem zögern viele Patienten auch, ihre seelischen Probleme beim Hausarzt anzusprechen, weil sie befürchten, dass er sie als Simulanten einstuft und sie deswegen auch nicht ausreichend medizinisch versorgt.
Das heißt, wir haben hier ein ganz große Rate von Patienten, die chronifizieren, wo die Diagnostik nur im somatischen Bereich durchgeführt wird, während der psychosomatische Bereich komplett über lange Zeit ausgespart bleibt.
Was nicht sein muss. Manche Patienten haben dagegen bereits eine wirksame Strategie entwickelt, erzählt Johannes Kruse.
Die nehmen sich eine Liste mit in die Sprechstunde, die überlegen sich vorher, was sie an Beschwerden dem Arzt schildern möchten und auch was ihre eigenen Überlegungen zur Entstehung der Beschwerden anbelangt, auch das dem Arzt zu schildern. Das halte ich für eine sehr gute Möglichkeit.
Weil sie dem Arzt so auch signalisieren, dass sie erst aufstehen werden, wenn sie alle Punkte auf ihre Liste angesprochen und abgehakt haben. Und dann machte der Düsseldorfer Psychotherapeut eine erstaunliche Entdeckung: Wenn die Patienten statt der 1,8 Minuten doppelt so viel Redezeit bekommen, und sich das Arzt-Patienten-Gespräch dadurch auf mindestens 10 Minuten ausdehnt, dann kommen die Ärzte den psycho-somatischen Leiden viel schneller auf die Spur. Weil sie ihren Patienten besser zuhören. Eine Fähigkeit, die in der Ausbildung der Mediziner bislang immer noch viel zu kurz kommt, kritisiert der Düsseldorfer Mediziner.
Es reicht nicht, die Laborwerte zu kennen, sondern die Fähigkeit mit dem Patienten zu sprechen, ist für die diagnostische Fähigkeit des Arztes eine ganz wichtig Schlüsselfertigkeit.
Gerade wenn es um die Behandlung von chronisch Kranken geht.
Und diese Schlüsselfertigkeit können Ärzte durch ein Kommunikationstraining an einem Wochenende erwerben.
Literatur:
Johannes Kruse:
Der Arzt, der Patient und die diagnostische Schlussbildung
Reihe Psychosoziale Aspekte in der Medizin, VAS-Verlag für Akademische Schriften Frankfurt/Main, 2003, 230 Seiten,
ISBN 3-88864-365-1
Mit dem Ergebnis: Wegen seiner "Magenbeschwerden" bekam dieser Patient sofort Kautabletten gegen Sodbrennen und Druckgefühle in der Magengegend verschrieben. Obwohl er auch noch über seine Probleme im Büro sprechen wollte: Als möglich Ursache seiner Magenschmerzen:
Und das ist ja auch gerne so, dass was vom Stress kommt. Dass ich selber was zu sage, das muss ich mir dann eigentlich eher so einfordern.
Doch dazu hatte sein Hausarzt nur kurz genickt und ihm flugs eine Überweisung zur Magenspiegelung herübergereicht. Vorbeugend, um mögliche Magengeschwüre auszuschließen.
Ein Einzelfall? Keineswegs. Denn in dem sieben bis acht Minuten, die so eine Sprechstunde bei einem Hausarzt in der Regel dauert, hat der Patient - statistisch gesehen - überhaupt nur 1,8 Minuten Zeit, seine Beschwerden genau zu beschreiben. Das hat Dr. Johannes Kruse, Psychotherapeut und Leitender Oberarzt in der Düsseldorfer Landesklinik, bei der Analyse von 500 Arzt-Patienten-Gesprächen herausgefunden.
Die Patienten klagen über Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, haben aber häufig sehr genau im Kopf, dass das zusammenhängt zum Beispiel mit der Ehescheidung, mit dem Auszug der Kinder oder mit einem Konflikt am Arbeitsplatz.
In der Regel wird dann über die Kopfschmerzen, über die Bauchschmerzen gesprochen, aber gerade in diesen kurzen Gesprächen kann der Patient gar nicht dem Arzt vermitteln, dass es da einen Zusammenhang gibt: zu den anderen Problemen, die im psychosozialen Umfeld des Patienten da liegen.
So können auch Symptome wie Abgeschlagenheit und Schlafstörungen Ausdruck einer depressiven Verstimmung sein. Oder Herzschmerzen, über die eine Patientin klagte und zusätzlich noch ihre Angst vor einem Herzinfarkt äußerte.
Ihr Hausarzt schickte sie kurzerhand zu einem Kardiologen, der sie gründlich durchcheckte und selbst bei einer Herzkatheder-Untersuchung nichts krankhaftes finden konnte. Nur durch Zufall erfuhr ihr Hausarzt von der Ehescheidung seiner Patientin und bemerkte dann erst, dass sie sich in einer tiefen seelischen Verstimmung befand - und ihr "Herz-Schmerz" nichts organisches war. Die Düsseldorfer Studie zeigt weiter, dass nicht nur Zeitmangel das Arzt-Patienten-Gespräch negativ beeinflusst und Fehldiagnosen provoziert.
Wir wissen, dass die Patienten nur die Hälfte ihrer Beschwerden dem Arzt schildern. Und ganz interessant ist, wenn man die Patienten mit seelischen Problemen befragt, warum sie ihrem Arzt diese Beschwerden nicht schildern, dann sagen die: einerseits Zeitmangel, und das spiegelt sich ja auch in unserer Untersuchung wider. Sie sagen aber auch: zweitens, dass der Arzt in seiner Gesprächsführung eigentlich auch gar nicht darauf eingeht.
Denn der Arzt bestimmt allein schon durch sein Verhalten, ob Patienten ihm nur die körperliche Seite ihrer Symptome benennen, oder ob sie sich auch trauen, über Sorgen und Ängste zu sprechen.
Das geht zum Beispiel über den Blick, ob der Arzt in dem Augenblick, wo der Patient starten möchte und über psychosoziale Aspekte zu sprechen, dann seinen Blick nach unten wendet, oder schreibt oder sagt: na ja, ist gut. Also diese Interaktion, dieses Gespräch wird durch sehr feine Signale gesteuert und die haben wir untersucht und konnten feststellen, dass der Arzt, dann, wenn er das Gespräch sehr stark kontrolliert, wesentlich seltener die psychosoziale Problematik erkennen kann.
Außerdem zögern viele Patienten auch, ihre seelischen Probleme beim Hausarzt anzusprechen, weil sie befürchten, dass er sie als Simulanten einstuft und sie deswegen auch nicht ausreichend medizinisch versorgt.
Das heißt, wir haben hier ein ganz große Rate von Patienten, die chronifizieren, wo die Diagnostik nur im somatischen Bereich durchgeführt wird, während der psychosomatische Bereich komplett über lange Zeit ausgespart bleibt.
Was nicht sein muss. Manche Patienten haben dagegen bereits eine wirksame Strategie entwickelt, erzählt Johannes Kruse.
Die nehmen sich eine Liste mit in die Sprechstunde, die überlegen sich vorher, was sie an Beschwerden dem Arzt schildern möchten und auch was ihre eigenen Überlegungen zur Entstehung der Beschwerden anbelangt, auch das dem Arzt zu schildern. Das halte ich für eine sehr gute Möglichkeit.
Weil sie dem Arzt so auch signalisieren, dass sie erst aufstehen werden, wenn sie alle Punkte auf ihre Liste angesprochen und abgehakt haben. Und dann machte der Düsseldorfer Psychotherapeut eine erstaunliche Entdeckung: Wenn die Patienten statt der 1,8 Minuten doppelt so viel Redezeit bekommen, und sich das Arzt-Patienten-Gespräch dadurch auf mindestens 10 Minuten ausdehnt, dann kommen die Ärzte den psycho-somatischen Leiden viel schneller auf die Spur. Weil sie ihren Patienten besser zuhören. Eine Fähigkeit, die in der Ausbildung der Mediziner bislang immer noch viel zu kurz kommt, kritisiert der Düsseldorfer Mediziner.
Es reicht nicht, die Laborwerte zu kennen, sondern die Fähigkeit mit dem Patienten zu sprechen, ist für die diagnostische Fähigkeit des Arztes eine ganz wichtig Schlüsselfertigkeit.
Gerade wenn es um die Behandlung von chronisch Kranken geht.
Und diese Schlüsselfertigkeit können Ärzte durch ein Kommunikationstraining an einem Wochenende erwerben.
Literatur:
Johannes Kruse:
Der Arzt, der Patient und die diagnostische Schlussbildung
Reihe Psychosoziale Aspekte in der Medizin, VAS-Verlag für Akademische Schriften Frankfurt/Main, 2003, 230 Seiten,
ISBN 3-88864-365-1