Das Theater, von Politik und Kritik aus unterschiedlichen Gründen heute am liebsten ganz in die Ecke gestellt, verhilft immer noch zur Früherkennung gesellschaftlicher oder seelischer Zeitströmungen. Es ist Seismograph und Spiegel zugleich geblieben. So lässt sich der weitreichende Abstand der Studentenbewegung von 1968 zu den derzeitigen Studentenprotesten in Frankreich im Blick auf das Theater sehr deutlich ablesen.
In einem Zuge mit Minirock, Beatles und Hippies meldete sich schon vor '68 auf der Bühne plötzlich die Jugend zu Wort. Wie eine helle Fanfare erklang ihre Stimme mit "Gerettet" von Edward Bond oder mit "Magic Afternoon" von Wolfgang Bauer. Beide Stücke wurden sofort zu internationalen Theater-Bestsellern. Auch an "Publikumsbeschimpfung" von Peter Handke sei erinnert. Es ließe sich eine Fülle weiterer Titel nennen, Stücke, in denen junge Leute ihre zeitspezifischen Freuden und Leiden darstellten, vom Haschischrauchen, von blinder Gewalt.
Wie sehr sich das Theaterklima verändert hat, zeigt sich bei dem begehrten Molière, dem französischen Theater-Oscar, der soeben für 2006 vergeben wurde. Von 24 Nominierungen für die beste Schauspielerleistung fielen 10 an Schauspieler, die man höflicherweise auf über 75 schätzen würde - wunderbare alte Schauspieler übrigens. Aufschlussreicher noch als diese Anekdote ist die Tatsache, dass im heutigen Theaterstück wie in einem Spiegelbild des politischen Lebens die Jugend nicht mehr vernehmbar ist, so wenig wie eine gesamtkulturelle Bewegung, die einen jugendlichen Aufbruch signalisieren würde. Aber noch tiefergreifend führen die zeitgenössischen Stücke schon seit längerem ein anderes auffallendes Phänomen vor: Ws findet kein Dialog mehr statt.
Dass die gesellschaftliche Krise tiefere Schichten im Menschen erfasst hat, das lässt sich auch heute wieder im Theater ablesen. Die ständig mit falschen Masken spielenden Menschen bei Martin Crimp, die einsamen Traumtänzer auf der Bühne von Valère Novarina, die ideologiegeladenen Sprachmanöver ohne Figuren im dramatischen Werk von Elfriede Jelinek, sie alle führen uns vor Augen, dass eigentlich nur noch Skelette agieren, die ohne Echo ins Leere sprechen. Und genauso gespensterhaft klingen die Sprechchöre der protestierenden französischen Jugend mit ihren leeren Worthülsen vom Arbeitgeber als Sklavenhalter. Gleichzeitig mit dem arbeitsrechtlichen Gesetz für die unter 26-Jährigen verabschiedete das Parlament auch ein neues Gesetz zum Urheberrecht. Es soll den kostenfreien Konsum von Musik und Film im Internet offiziell legalisieren. Dieses Gesetz auf Kosten der Urheber wurde ausdrücklich für die "Jeunes" gemacht.
Die Jugendlichen sind in Frankreich, deutlicher noch als in anderen Ländern, Objekt einer befremdlichen Fetischisierung und zugleich anhaltender Entmündigung. So begleiteten schon vor dem Streik zahlreiche liebevolle Eltern ihre studierenden Kinder auf die Demonstrationen - aus "Solidarität" wie es hieß, was man auch anders lesen kann, als Dominierungsversuch nämlich, zur Verdrängung eines Generationskonflikts, der offen – das heißt dialogisch - nicht mehr ausgetragen wird. Auf den Demonstrationen konnte man bei den Jugendlichen manche weißgeschminkten Gesichter sehen, eine noch lebendige französische Theatertradition, die eine Maske ersetzt. Auch die jugendlichen Autozündler in den Cités griffen zur Maske mit ihrer berühmten Kapuze, und schon sie haben keinen Dialog führen, sich nicht artikulieren wollen.
Gemeinsam aber ist ihnen allen der Konsumknopf im Ohr. Auch bei Demonstrationen, wie man am Beispiel des jungen Gewerkschafters sieht, der von der Polizei krankenhausreif geschlagen wurde. Noch als er bewusstlos am Boden lag, lief sein Musikprogramm. Die Realität jenseits des Gedudels spricht wiederum schon der Titel eines der wenigen heutigen Theaterstücke aus, worin die Probleme der gegängelten und hilflosen Jugendlichen vehement Ausdruck finden, "Shoppen und Ficken" von Mark Ravenhill - zurzeit übrigens sehr erfolgreich auch in Paris. Vielleicht sind die Protestaktionen der jungen Franzosen auch ein Versuch, einmal etwas selber auf die Beine zu stellen und gegen die verlogene Bevormundung zumindest untereinander doch zu einem Dialog zu finden.
In einem Zuge mit Minirock, Beatles und Hippies meldete sich schon vor '68 auf der Bühne plötzlich die Jugend zu Wort. Wie eine helle Fanfare erklang ihre Stimme mit "Gerettet" von Edward Bond oder mit "Magic Afternoon" von Wolfgang Bauer. Beide Stücke wurden sofort zu internationalen Theater-Bestsellern. Auch an "Publikumsbeschimpfung" von Peter Handke sei erinnert. Es ließe sich eine Fülle weiterer Titel nennen, Stücke, in denen junge Leute ihre zeitspezifischen Freuden und Leiden darstellten, vom Haschischrauchen, von blinder Gewalt.
Wie sehr sich das Theaterklima verändert hat, zeigt sich bei dem begehrten Molière, dem französischen Theater-Oscar, der soeben für 2006 vergeben wurde. Von 24 Nominierungen für die beste Schauspielerleistung fielen 10 an Schauspieler, die man höflicherweise auf über 75 schätzen würde - wunderbare alte Schauspieler übrigens. Aufschlussreicher noch als diese Anekdote ist die Tatsache, dass im heutigen Theaterstück wie in einem Spiegelbild des politischen Lebens die Jugend nicht mehr vernehmbar ist, so wenig wie eine gesamtkulturelle Bewegung, die einen jugendlichen Aufbruch signalisieren würde. Aber noch tiefergreifend führen die zeitgenössischen Stücke schon seit längerem ein anderes auffallendes Phänomen vor: Ws findet kein Dialog mehr statt.
Dass die gesellschaftliche Krise tiefere Schichten im Menschen erfasst hat, das lässt sich auch heute wieder im Theater ablesen. Die ständig mit falschen Masken spielenden Menschen bei Martin Crimp, die einsamen Traumtänzer auf der Bühne von Valère Novarina, die ideologiegeladenen Sprachmanöver ohne Figuren im dramatischen Werk von Elfriede Jelinek, sie alle führen uns vor Augen, dass eigentlich nur noch Skelette agieren, die ohne Echo ins Leere sprechen. Und genauso gespensterhaft klingen die Sprechchöre der protestierenden französischen Jugend mit ihren leeren Worthülsen vom Arbeitgeber als Sklavenhalter. Gleichzeitig mit dem arbeitsrechtlichen Gesetz für die unter 26-Jährigen verabschiedete das Parlament auch ein neues Gesetz zum Urheberrecht. Es soll den kostenfreien Konsum von Musik und Film im Internet offiziell legalisieren. Dieses Gesetz auf Kosten der Urheber wurde ausdrücklich für die "Jeunes" gemacht.
Die Jugendlichen sind in Frankreich, deutlicher noch als in anderen Ländern, Objekt einer befremdlichen Fetischisierung und zugleich anhaltender Entmündigung. So begleiteten schon vor dem Streik zahlreiche liebevolle Eltern ihre studierenden Kinder auf die Demonstrationen - aus "Solidarität" wie es hieß, was man auch anders lesen kann, als Dominierungsversuch nämlich, zur Verdrängung eines Generationskonflikts, der offen – das heißt dialogisch - nicht mehr ausgetragen wird. Auf den Demonstrationen konnte man bei den Jugendlichen manche weißgeschminkten Gesichter sehen, eine noch lebendige französische Theatertradition, die eine Maske ersetzt. Auch die jugendlichen Autozündler in den Cités griffen zur Maske mit ihrer berühmten Kapuze, und schon sie haben keinen Dialog führen, sich nicht artikulieren wollen.
Gemeinsam aber ist ihnen allen der Konsumknopf im Ohr. Auch bei Demonstrationen, wie man am Beispiel des jungen Gewerkschafters sieht, der von der Polizei krankenhausreif geschlagen wurde. Noch als er bewusstlos am Boden lag, lief sein Musikprogramm. Die Realität jenseits des Gedudels spricht wiederum schon der Titel eines der wenigen heutigen Theaterstücke aus, worin die Probleme der gegängelten und hilflosen Jugendlichen vehement Ausdruck finden, "Shoppen und Ficken" von Mark Ravenhill - zurzeit übrigens sehr erfolgreich auch in Paris. Vielleicht sind die Protestaktionen der jungen Franzosen auch ein Versuch, einmal etwas selber auf die Beine zu stellen und gegen die verlogene Bevormundung zumindest untereinander doch zu einem Dialog zu finden.