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Sprechende Mäuse

Biologie. - Hinter dem Kürzel FoxP2 verbirgt sich ein Gen, das irgendetwas mit der Sprache zu tun hat. Wenn es nicht funktioniert, klingt die Aussprache verwaschen, kaum verständlich und die betroffenen Menschen haben große Probleme mit der Grammatik. Die menschlicheFoxP2 Variante ist erst vor einigen hunderttausend Jahren entstanden. Mäuse sollen jetzt beim Verstehen des Erbguts helfen.

Von Volkart Wildermuth | 02.06.2009
    FoxP2 ist ein ausgesprochen konservatives Gen. Im Lauf der Evolution hat es sich kaum verändert. Die Maus-Variante unterscheidet sich von der menschlichen an nur drei Stellen. Zwei dieser Veränderungen sind typisch für den Menschen, sie finden sich noch nicht einmal beim Schimpansen. Vielleicht sind sie ja wirklich eine Wurzel des menschlichen Sprachvermögens. Mit Menschen und Schimpansen lässt sich genetisch aber schlecht experimentieren, deshalb hat Dr. Wolfgang Enard vom Leipziger Max Planck Institut für Evolutionäre Anthropologie Mäuse gezüchtet, die das menschliche FoxP2Gen tragen. Die auf der DNA-Ebene vermenschlichten Mäuse begrüßen ihn aber noch immer nicht mit einem kräftigen "Guten Morgen" wenn er das Labor betritt.

    "Ne, ich hab zwar ein bisschen darauf gehofft, aber das haben sie natürlich nicht gemacht. Nein. Es sind nach wie vor Mäuse, sind pumperlgsund und sind vor allem Mäuse."

    Dass sie gesund sind, ist keine Selbstverständlichkeit. FoxP2 hat, wie die meisten Gene, viele Aufgaben. Nicht nur im Gehirn, sondern zum Beispiel auch in der Darm- und Lungenentwicklung. Deshalb sind Mäuse ganz ohne FoxP2 auch gar nicht lebensfähig. Welche der vielen Funktionen des Gens die kleinen Unterschiede zwischen der Nager- und der Menschenversion von FoxP2 beeinflussen würde, war völlig offen. Die genmanipulierten Nager wurden deshalb in München an der Mausklinik und an ähnlichen Institutionen von über 50 Mäusemedizinern, Mäusepsychologen und Mäuseneurowissenschaftlern im Detail untersucht. Ergebnis: Die menschliche FoxP2 Variante verändert nur das Gehirn der Mäuse. Und auch da nur eine kleine Region, die mit der Feinkontrolle von Bewegungen zu tun hat. Hier verzweigen sich die Nerven weiter, sie nutzen etwas andere Botenstoffe und sie lernen anders.

    "Nervenzellen können lernen, indem sie diesen Input, den sie bekommen, modifizieren, stärker oder schwächer bewerten. Und was wir festgestellt haben, dass die Mäuse, die ein menschliches FoxP2 haben, das leicht anders machen als die normalen Mäuse. Das heißt wir denken, dass vielleicht FoxP2 während der menschlichen Evolution an so einem leichten Regler gedreht hat, dass eben Nervenzellen so ein bisschen anders verschaltet sind und ein bisschen anders lernen und das könnten in Zusammenhang mit Sprache wichtig gewesen sein."

    Wahrscheinlich erlaubt die menschliche Form des FOXP2 eine genauere Kontrolle der Muskulatur der Zunge, des Kehlkopfs und der Atmung. Kein Wunder, dass der Gentausch auch das Fiepen und Pfeifen der Mäuse verändert hat. Es erklingt etwas tiefer als gewöhnlich, das zeigen Aufnahmen mit dem Ultraschallmikrofon. Pfiffe und Fiepen sind angeborene Laute und damit etwas ganz anders als die erlernten Worte der Sprache. Experimente mit Singvögeln zeigen aber, dass FoxP2 gerade auch für das Erlernen von Lautfolgen eine wichtige Rolle spielt. Die neuen Ergebnisse aus der Maus zeigen etwas genauer, an, wo die Verbindung FopP2 – Lautäußerung - Sprache eigentlich liegt. FoxP2 ist sicher nicht "das" Sprachgen des Menschen, aber es ist ein wichtiges Element der biologischen Basis des menschlichen Sprechens und Verstehens. Auch wenn Wolfgang Enard noch immer keine sprechenden Mäuse besitzt, er ist sich sicher, mit Hilfe dieser Tiere wichtige Hinwiese darauf zu erhalten, wie der Mensch zur Sprache kam.

    "Wir haben vor allem jetzt zum ersten Mal einen bestimmten Prozess auf der Ebene der Nervenzellen zum Beispiel oder auf der Ebene der Gene oder Genregulierung wo wir menschliche Evolution sozusagen am Wickel haben, wir können jetzt studieren, was macht denn der Unterschied, wir wissen, in welchen Nervenzellen ist das denn vielleicht wichtig und vielleicht ist das auch der erste Schritt um viel besser zum Beispiel sprachliche Lautäußerungen in einem Mausmodell zu studieren. Natürlich wird es am Schluss keine sprechende Maus geben, aber man wird die grundlegenden Prozesse vielleicht schon verstehen können und in unseren Fall auch menschliche Evolution besser verstehen können."