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Sprengstoffen auf der Spur

Technik. - Sprengstoffattentäter aufzuspüren, bevor sie Schaden anrichten, ist eine Herausforderung, an deren technischer Lösung in vielen Labors geforscht wird. Elektronische Nasen, die noch kleinste Ausdünstungen gefährlicher Substanzen registrieren, spielen dabei eine Schlüsselrolle. In einem EU-Forschungsprojekt wurden diese empfindlichen Riecher jetzt um eine entscheidende Komponente ergänzt.

Von Ralf Krauter |
    Elektronische Nasen im Chipformat, die sensibel auf die verräterischen Ausdünstungen von Explosivstoffen reagieren, gibt es schon länger. Um potenzielle Attentäter in Menschenmengen aufzuspüren, taugen sie bislang aber kaum. Die Quelle des verdächtigen Geruchs lokalisieren, können die elektronischen Schnüffler nämlich nicht. Schlägt solch ein Sprengstoff-Sensor Alarm - etwa in einer Bahnhofshalle oder im Terminal eines Flughafens - ist deshalb im Prinzip jeder verdächtig. Für Sicherheitsbeamte, die schnell entscheiden müssen, ein Alptraum, erklärt Dr. Wolfgang Koch vom Forschungsinstitut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie bei Bonn.

    " Das Sicherheitspersonal braucht so eine Art mentalen Kraftverstärker, um in einer Massensituation einen möglichen Bedroher zu erkennen und herauszufischen - aber eben möglichst so, dass das öffentliche Leben dadurch nicht zu sehr beeinträchtigt wird. "

    Im Rahmen eines EU-Projektes hat Wolfgang Koch eine Entscheidungshilfe für brenzlige Situationen entwickelt. Ihr Name: Hamlet.

    " Hazardous material localization and person tracking. Wir denken natürlich an den Hamlet von Shakespeare, der riecht, dass was faul ist im Staate Dänemark. "

    Das elektronische Sensorsystem gleichen Namens erkennt nicht nur, wann etwas faul ist, es verrät auch, wer den Sprengstoff mit sich herum trägt. Dazu haben die Forscher ein Netzwerk aus fünf handelsüblichen Gassensoren mit drei Laserscannern verknüpft, die die Entfernung und Bewegung einzelner Passanten in einem Strom von Menschen durch Peilung ermitteln. Koch:

    " Mit diesen Laserscannern kann man diesen Personenstrom ganz gut aufnehmen und ganz gut verfolgen. Und dann erzeugen uns die Entfernungs- und Winkelmessungen auf dem Rechner eine Spur. Wir wissen also: In diesem Gang ist jetzt diesen Pfad eine Person gegangen, eine andere Person einen anderen Pfad, eine dritte Person ist entgegen gekommen, eine ist abgebogen. Und wenn wir dieses Spurmuster vergleichen, wir sagen matchen, fusionieren mit den Geruchsprofilen dieser vielen Chemosensoren, dann hebt sich eben eine Spur heraus. Und für das Sicherheitspersonal heißt das: Gucken wir uns doch mal diese Person genauer an und lassen die anderen passieren. "

    Gezielte Kontrolle statt Generalverdacht. In einer tunnelförmigen Sicherheitsschleuse, die Kochs Team gemeinsam mit Forschern der Fachhochschule Rheinbach und der Universität Bonn zu Demonstrationszwecken gebaut hat, funktioniert das im Prinzip schon. Vorausgesetzt, die Luftströmung in der Schleuse wird nicht dem Zufall überlassen. Sonst wird es nämlich schwer mit der Geruchspeilung. Koch:

    " Wir müssen so ein bisschen für Ventilation sorgen. Wenn wir einfach zulassen, dass beliebig Zugluft auftritt und dergleichen mehr, dann ist es schwierig. Dann wird aus Datenfusion schnell Datenkonfusion. Man muss ein bisschen so eine Art Luftvorhang erzeugen. Ähnlich wie früher, ich kann mich als Kind erinnern, Kaufhäuser hatten so was. Da ist so ein Luftstrom, der eine gewisse Direktivität hat. "

    Ihn zu erzeugen, ist in einer korridorartigen Sicherheitsschleuse am einfachsten. Beim Nachfolger von Hamlet wollen die Bonner Forscher auch elektronische Schnüffler für Brandbeschleuniger in die Wände der Sicherheitsschleuse einbauen. Und preiswerte Strahlungsdetektoren, die radioaktive Substanzen aufspüren, die Teil einer der gefürchteten schmutzigen Bomben sein könnten. Jener fatalen Mischung aus radioaktivem Abfall und Sprengstoff also, die bei minimalem technischem Aufwand enormen Schaden anrichtet.

    " Der nächste Schritt wird sein, dieses System anzuwenden im militärischen Kontext. Auch die Nato befasst sich mit dem Thema "defense against terrorism". Und ein wichtiges Thema für die Nato ist der Schutz von Hafenanlagen. Wer in der Lage ist, diese Knoten zu zerstören, kann die militärische Infrastruktur massiv schädigen. Deswegen ist hier Hafenzugangskontrolle ein wichtiges Thema und Schiffszugangskontrolle ein wichtiges Thema. "

    Bei einer großen Nato-Übung, Ende August im Marinestützpunkt Eckernförde, soll der Bonner Sprengstoff-Spurenermittler erstmals unter realen Einsatzbedingungen getestet werden.