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Sprit, Spirit, Spiritus

Manch einem Autobesitzer mag das Lachen vergehen, wenn er daran denkt, was der neue Bio-Kraftstoff E10 womöglich mit seinem Auto anstellt. Ob der neue Sprit wirklich das Klima schützt - wie Politik, Öl- und Autoindustrie behaupten - bleibt umstritten.

Von Burkhard Müller-Ullrich | 07.03.2011
    Das närrische Treiben an den Tankstellen hat natürlich, wie der ganze Karneval, einen hochreligiösen Hintergrund. Sprit kommt schließlich von Spiritus, und das bedeutet Geist, auch und zumal, wenn er heilig ist. Geistige Getränke zu geistlichen Zwecken sind ein fester Bestandteil der Liturgie, und gerade jetzt, kurz vor der Fastenzeit, sollten wir uns erinnern, dass Alkohol und feste Nahrung einander gut ersetzen können. Wenn die Mönche nichts mehr essen durften, hielten sie sich ans Starkbier. Insofern ist es doch egal, ob man aus Weizen Brot macht oder Benzin.

    Beziehungsweise besser: Bio-Benzin. Das ist ein ganz besonderer Saft. Bio-Ethanol kommt nicht aus der dreckigen Erde wie das gemeine Öl, das schon soviel Verheerung in der Weltgeschichte angerichtet hat. Um Öl wird gekämpft, Öl stinkt, und es verdirbt den Charakter. Bio-Ethanol hingegen ist ein Segen, denn Bio-Ethanol entsteht aus Rüben und Raps und Birnenschnaps. Man muss nur daran glauben. Reinheit ist eine transzendentale, eine metaphysische Kategorie.
    So werden weltweit Wälder gerodet und Getreidefelder angelegt, damit ein Stoff namens E10 uns von dem bösen Benzin erlöse. E10 – das ist neben Hartz IV, G-8 und S21 eine der magischen Chiffren unserer Spektakelgesellschaft. Die Priester der Klimakirche predigen, dass wir auf unser Brot verzichten sollen, wenn wir weiter Auto fahren wollen. Doch so wie Knochenmehl für Kühe, so ist das neue Bauernbenzin für Motoren nur bedingt bekömmlich. Ihm fehlen offenbar gewisse Informationszusätze.

    Die werden dem Kraftstoff jetzt auf einem Benzingipfel beigemischt. Wir dürfen uns das so vorstellen: Sprit ist nicht nur ein Energieträger, sondern auch ein Bewusstseinserweiterer. Wenn die Autoindustrie, die Benzinindustrie und die Politikindustrie ein Übereinkommen erzielen, dann wird es neben den normalen Zapfsäulen auch spirituelle Zapfsäulen geben, an denen man Hoffnung und Zuversicht tanken kann: Hoffnung, dass der Wagen mit E10 fährt, und Zuversicht, dass die absurde Verwandlung von Brot in Benzin zur Abkühlung des Klimas führt, wobei wir dann wieder mehr Salz brauchen.

    Auf alle Fälle brauchen wir eine Menge Humor, um diese ganze sogenannte Umweltpolitik wenn schon nicht zu verstehen, so wenigstens zu ertragen. Der angebliche Notstand, mit dem uns die Profiteure desselben rammdösig machen, ist ja nur ein Trick, um alle Maßnahmen alternativlos erscheinen zu lassen. Wahn und Willkür herrschen sowieso, also sollte man ohne Widerrede gleich bezahlen: Humorbenzin und Dosenpfand, Wind- und Sonnensubvention und ab morgen von allem das Gegenteil plus 30 Prozent Gegenteilzuschlag für Spätmerker.