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Spritze oder Spray?

Medizin.- Zeitgleich mit der saisonalen Grippe wird ein Wiederaufflammen von H1N1 erwartet. Unklar ist allerdings: Wie heftig wird das Schweinegrippevirus zurückkehren? Die amerikanische Behörde für Arzneimittelsicherheit hat nun vier H1N1-Impfstoffe zugelassen. Der Wissenschaftsjournalist Arndt Reuning berichtet im Gespräch mit Uli Blumenthal.

16.09.2009
    Blumenthal: Beginnt jetzt in den USA das große Impfen?

    Reuning: Zuerst einmal ist nur die Zulassung erteilt worden. Größere Mengen dieses Impfstoffes stehen noch überhaupt nicht zur Verfügung. Innerhalb der kommenden vier Wochen nun läuft die Produktion auf Hochtouren, kann man sich vorstellen. Und dann erst, also ungefähr nach vier Wochen, Mitte Oktober, werden die ersten Dosen verteilt werden.

    Blumenthal: Wie wird das passieren in den USA? Gibt es eine Rang- und Reihenfolge? Wer wird zuerst geimpft?

    Reuning: Also natürlich wie immer diejenigen, die dem größten Risiko ausgesetzt sind. Das sind die, die zuerst drankommen. Normalerweise, bei der saisonalen Grippe sind das ja vor allem die älteren Menschen. Diesmal ist es etwas anders. Die Welle im April und Mai hat gezeigt, dass auch schon jungen Menschen stärker von der Schweinegrippe betroffen sind. Wahrscheinlich ist bei älteren Menschen einfach noch eine Immunisierung vorhanden, weil die irgendwann früher einmal mit einem ähnlichen Erreger Kontakt hatten. Das Immunsystem kennt den also noch irgendwie. Das heißt jetzt also für diese Situation: Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene zwischen sechs Monaten und 24 Jahren sollen zuerst diese Impfung erhalten. Außerdem Menschen unter 65, die noch an anderen Krankheiten leiden. Dann natürlich alle, die irgendwie mit Kranken zu tun haben, Medizinerinnen, Mediziner, und das Personal in Krankenhäusern und Arztpraxen.

    Blumethal: Die amerikanische Arzneimittelbehörde, die FDA, hat nun vier Impfstoffe zugelassen. Wie unterscheiden die sich und wie werden sie verabreicht?

    Reuning: Unterscheiden tun sie sich eigentlich fast gar nicht. Das sind ganz normale Grippeimpfstoffe. Drei davon werden mit einer Spritze injiziert und einer davon als Nasenspray verabreicht. Das ist der einzige große Unterschied. Das ist ja vielleicht auch ganz wichtig bei Kindern, die Angst vor Spritzen haben. Und auch Erwachsene sollen ja manchmal dazu neigen. Die Versuchen haben übrigens gezeigt: eine Dosis genügt. Eine einzelne Dosis ruft eine starke Reaktion des Immunsystems hervor, die sich dann innerhalb von zehn Tagen aufbaut. Hier hatte es ja vorher Befürchtungen gegeben, dass eine Mehrfachimpfung nötig sein werde. Das heißt, dass der bereitstehende Impfstoff vielleicht nur für die Hälfte oder nur für ein Drittel der Personen gereicht hätte, die jetzt eben geimpft werden können.

    Blumethal: Was sagt die FDA zur Sicherheit dieser Impfstoffe. Es ist ja die Frage, welche Nebenwirkungen damit verbunden sind.

    Reuning: Wie schon gesagt, es ist ein ganz normaler Grippeimpfstoff. Die Firmen, die ihn herstellen sind ganz altbekannte Firmen. Und die haben auf bewährte Produktionsmethoden gesetzt. Überraschungen sind daher nicht zu erwarten, sagt die FDA. Man könnte jetzt natürlich vermuten, dass dieser knappe Zeitrahmen, der zur Produktion zur Verfügung steht, die Firmen dazu verleitet, dass sie unsauber arbeiten. Die FDA wird diesen Prozess natürlich überwachen, sagt sie und spricht nur eine einzige Warnung aus: Menschen mit einer Allergie gegen Hühnereier sollen nicht geimpft werden. Denn diese abgeschwächten Viren werden ja in Hühnereiern produziert. Außerdem wird es zwei Versionen des Impfstoffs geben, einmal mit und einmal ohne ein bestimmtes Konservierungsmittel, das Quecksilber enthält. Auch da gibt es ja Bedenken von Seiten der Impfgegner, dass das zu irgendwelchen Nebenwirkungen führen kann, eben besonders bei Kindern.

    Blumethal: Diese vier Impfstoffe sind jetzt zugelassen worden. Wann stehen sie tatsächlich zur Verfügung, um zu impfen?

    Reuning: Mitte Oktober, wie schon gesagt. Und das ist der Knackpunkt, denn das ist gerade der Höhepunkt der Schweinegrippe, höchstwahrscheinlich. 195 Millionen Impfdosen sind von der Regierung bestellt worden. Ungefähr ein Drittel davon wird dann Mitte Oktober zur Verfügung stehen. Das heißt: Eigentlich ist das schon fast zu spät. Aber man sollte auch daran denken, dass es auch andere Mittel gegen die Grippe gibt. Antivirale Medikamente, wenn man denn schon mal infiziert ist und verbeugend natürlich eben ein besonders hohes Maß an Hygiene. Also ohne Desinfektionsmittel geh ich zum Beispiel nicht mehr aus dem Haus.