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Sprung geschafft

Medizin. – Die in Asien wütende Vogelgrippe sorgt bei der Weltgesundheitsorganisation für Besorgnis. Nicht nur, dass sich das Virus hemmungslos unter Geflügel ausbreitet, es springt auch gelegentlich auf Säugetiere über, darunter den Menschen. Jetzt wird aus Thailand der erste Fall einer Ansteckung zwischen Menschen berichtet. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur weltumspannenden Pandemie unter Menschen ist getan.

Von Volkart Wildermuth | 30.09.2004
    Drei Hürden muss ein Virus nehmen, bevor es eine Pandemie, eine weltweite Seuche, auslösen kann. Erstens muss der Erreger neu sein, die Menschen dürfen noch keine Abwehrkräfte gegen ihn entwickelt haben. Zweitens muss er eine schwere Krankheit auslösen und drittes muss er schnell von Mensch zu Mensch weitergegeben werden. Das Vogelgrippevirus mit dem Kürzel H5N1 erfüllt die ersten beiden Voraussetzungen. Und für den Sprung über die letzte Hürde hat das Virus jetzt zumindest Anlauf genommen. In einem kleinen Dorf in der Provinz Kampaeng Phet im Norden Thailands erkrankte ein elfjähriges Mädchen und starb. Sie wurde von ihrer Mutter gepflegt, die sich infizierte und kürzlich ebenfalls starb. Das Mädchen lebte bei seiner Tante, auch sie ist erkrankt, genau wie der Neffe des Mädchens. Für Professor Reinhard Burger, Leiter der Abteilung Infektionskrankheiten am Robert Koch Institut, ist das aber noch kein Grund zur Panik.

    Diese Ereignisse in Thailand bestärken die Bedenken und die Befürchtungen, die man bei diesem Virus schon hat: Es kam in dieser Familie zu einer Übertragung. Aber bisher sieht es zum Glück so aus, dass es zu keinen weiteren Übertragungen außerhalb dieser Familie kommt. Also eine Art Sackgasse.

    Die achtzig anderen Dorfbewohner werden derzeit intensiv von der Weltgesundheitsorganisation überwacht, bislang kam es aber zu keinen weiteren Infektionen. Diese Variante von H5N1 war noch nicht aggressiv genug, das ist aber keine Entwarnung auf Dauer. Sobald sich der Erreger der Vogelgrippe und das Influenzavirus in einem Körper, in einem Menschen oder auch einem Schwein, begegnen, können sie Gene austauschen. Wenn sich H5N1 dabei die hohe Ansteckungsrate des Grippevirus aneignet, kann es zu einer weltweiten Infektionswelle kommen. Das Risiko steigt, je häufiger die Vogelgrippe auftritt, meint Reinhard Burger:

    Es gab bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts etwa 17 Ausbrüche weltweit, jetzt hatten wir sieben oder acht Ausbrüche in den letzten sechs Jahren das heißt die Häufigkeit, bei der ein Kontakt vom Menschen zum Geflügelvirus vorkommen kann, hat sich massiv gesteigert und das normale menschliche Influenzavirus zirkuliert. Die Chance, dass also eine Durchmischung auftritt und eine neue Virusvariante entsteht, ist sehr viel größer als es in der Vergangenheit war.

    Die Grippe ist viel ansteckender als etwa Sars, eine solche Seuche würde sich von den damals erprobten Barrieren kaum aufhalten lassen und sich schnell rund um den Globus ausbreiten. Deshalb kommt es darauf an vorzubeugen, die Chancen für die Kombination der beiden Viren möglichst klein zu halten. Oberste Priorität ist, die Vogelgrippe so schnell wie möglich einzudämmen. Das kostet viel Geld, vor allem die kleinen Bauern müssen entschädigt werden, sonst melden sie krankes Geflügel erst gar nicht. Bei der Größe des Ausbruchs wird es sicher noch ein, zwei Jahre dauern, bis er wirklich eingedämmt ist. Zweitens sollten die Menschen in Asien gegen das menschliche Grippevirus geimpft werden. Dann können sie zwar immer noch an H5N1 erkranken, aber das Virus hat keine Gelegenheit, sich genetisch aufzurüsten. Der Influenzaimpfstoff existiert schon, aber es gibt nicht genug Dosen, die zudem vor allem in Amerika und Europa eingesetzt werden. Bleibt als dritte Strategie die Entwicklung eines neuen Impfstoffes, der gezielt vor H5N1 schützt. Allerdings werden Grippeimpfstoffe in Hühnereiern hergestellt, und die tötet die Vogelgrippe ab. Burger:

    Man bedient sich daher gentechnischer Verfahren, um entsprechende Viren herzustellen. Das ist auch ganz gut gelungen, man hat aber noch keine klinischen Studien begonnen. Das beginnt jetzt erst in den USA Anfang nächsten Jahres und in Japan um überhaupt die Wirksamkeit und Verträglichkeit und so weiter zu überprüfen.

    Das dauert, außerdem ist offen, wer eine bevölkerungsweite Impfkampagne in Südostasien bezahlen würde. Vorerst empfiehlt Reinhard Burger Reisenden in diese Region Bauernhöfe und Geflügelmärkte zu meiden und sich nach jedem Kontakt zu Vögeln sehr gründlich die Hände zu waschen. Und wer hier bleibt, sollte über eine Grippeimpfung nachdenken, um zumindest die bekannten Influenzaerreger in Schach zu halten. Sollte die Vogelgrippe wieder in Europa auftreten, verhindert man so immerhin, dass sich die Viren gegenseitig verstärken.