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Sprung in die Praxis geglückt

Technik. - In Bremen geht heute die zu Ende. Sie ist so etwas wie ein internationaler Szene-Treff der Aktoren-Spezialisten. Kamen früher hauptsächlich Forscher in Bremen zusammen, sind inzwischen zwei Drittel der Angereisten Praktiker. Ein klares Indiz dafür, dass bei der Aktorik jetzt die Anwendung und nicht mehr die Entwicklung im Vordergrund steht.

12.06.2002
    Von Folkert Lenz

    Aktoren - bislang waren das vor allem elektromagnetische Stellglieder zum Steuern oder Regeln von Technik. Äußerst winzige Motoren, sozusagen die "Muskeln der Mikrosysteme", die Miniaturgeräten jedweder Art Bewegung einhauchen. Doch bei der "Actuator"-Messe in Bremen standen vor allem die neuen Aktoren im Mittelpunkt, die mit so genannten intelligenten Werkstoffen arbeiten. Hubert Borgmann, Organisator der "Actuator": -- Ganz allgemein kann man sagen: Die Eigenschaften von intelligenten Werkstoffen, ihre mechanischen Abmessungen, ihre Fließeigenschaften lassen sich durch Anlegen von elektrischen Feldern oder magnetischen Feldern verändern. Sie können das ganze als kraftvolle Festkörper-Aktoren, Piezo-Aktoren oder aber auch in dünnen Schichten haben, als Antriebsmechanismen für die Mikrosystemtechnik

    So genannte rheologische Flüssigkeiten wie Öle und andere Fluide werden von den Magneten beeinflusst entweder butterweich oder zäh wie Honig - wenn nötig in wenigen Millisekunden. Die neuartigen Aktoren sind bis zu fünf Mal schneller als ihre Vorgänger. Über die Forschungsphase sind diese Stoffe längst hinaus. Seit Kurzem werden sie als Füllung in Stossdämpferkolben amerikanischer Luxusautos eingesetzt, erklärt Hubert Borgmann:

    Es wird also im Prinzip alle Tausendstel Sekunde gemessen, welche Schwingungen tauchen auf in der Bewegung des Stoßdämpfers, und man kann dann mit einer kleinen Rechnereinheit den optimalen Strom einstellen, damit das Magnetfeld für diesen Stoßdämpfer dort und damit diesen Stoßdämpfer adaptiv auf die Umgebung anpassen.

    Die dynamischsten solcher Aktoren verarbeiten Schwingungen bis zu 1000 Hertz. Sie können zur Dämpfung in der Zweiradindustrie oder im Anlagenbau dienen, aber auch in der Medizintechnik eingesetzt werden - etwa, um künstliche Kniegelenke zu dämpfen.

    Stellglieder auf Piezo-Basis waren ein weiterer Schwerpunkt auf der "Actuator". Die Bauteile aus Keramik dehnen sich aus oder ziehen sich zusammen, wenn sie unter Spannung gesetzt werden. Auch hier sind Reaktionszeiten von wenigen Millisekunden möglich. Die Piezo-Aktoren werden nun auf ihre Serienreife getestet, zum Beispiel in Einspritzanlagen bei modernen Dieselmotoren. Statt den Treibstoff mit einem Mal in den Zylinder zu stäuben, können die Keramikelemente den Diesel in bis zu sieben Portionen einspritzen. Der Effekt: Die Motoren verlieren das dieseltypische "Nageln", sind leiser und nicht nur das, sagt Dr. Karl Lubitz von der Siemens AG:

    Es ist eine deutliche Reduzierung der Ruß-Emissionen möglich, weil man durch das Abregeln - man ist nicht mehr gebunden an ein Auf und ein Zu ... - kann man die Abregelmenge im Bereich des Schließens dem noch verfügbaren Sauerstoff besser anpassen. Das System ist heute, obwohl es viele bessere Features hat, billiger als das konventionelle, elektromagnetische System.

    Solche Dieselmotoren sollen dann rund 80 Prozent weniger Ruß ausstoßen. Der Weg, den der Ventilkopf der Düse zurücklegen muss, der von dem Piezo-Element gesteuert wird, beträgt übrigens gerade 0,4 Millimeter. In anderen Bereichen der Aktorik würde man bei diesem Maß nicht mehr von Präzision reden.

    Die Nanomotoren, die der Physiker Volker Klocke in seinem Aachener Unternehmen herstellt, sind nach seinen Angaben die kleinsten und präzisesten Linearmotoren der Welt. Auf einer Strecke von rund fünf Millimetern bewegen sie sich mit atomarer Auflösung.

    Wir haben es geschafft, Maschinenbauelemente völlig spielfrei zu machen. Nicht ganz atomar wie unsere Antriebe selber, ein bisschen ist noch übrig geblieben durch das Zusammenpressen der Materialien. Das heißt, auch Metalle sind elastisch. Aber es sind zwei Manometer, das ist der Anstand von zehn Atomen.

    Klockes Nanomotoren können als Stellglieder in der Optik, bei der Präzisionspositionierung oder in der Mikromontage eingesetzt werden. Die neuen Kleinstaktoren finden aber vor allem Anwendung in der Nanorobotik. Sie steuern Mikrogreifarme an und lassen diese arbeiten. Volker Klocke:

    Das Greifen von einzelnen Zellen ist für Biologen eine schwierige, eine sehr dynamische Übung, weil die Manipulatoren wegdriften. Das können wir ganz locker lösen, indem unsere Manipulatoren - auch viele davon - gleich einfach am Mikroskoptisch angebaut werden und auch die Proben mit der gleichen Technik bewegt werden können.

    Denn die streichholzkopfgroßen Mini-Antriebe haben Platz in den Kammern von Elektronenmikroskopen. Wirtschaftliche Sorgen schieben Klocke und seine Kollegen übrigens nicht vor sich her. Die Aktoren-Entwickler zählen sich zu einer Boom-Branche. Bis zum Jahr 2005 rechnen die zumeist kleinen Firmen, die rund um den Globus verstreut sind, mit einer Verneunfachung ihrer Umsätze.