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Sprungbrett für den deutschen Arbeitsmarkt

Zugewanderte, arbeitslose Ingenieure werden bei der Otto-Benecke-Stiftung über Fortbildungen an Hochschulen für einen Job in Deutschland fit gemacht. Ein Bespiel ist die Hochschule in Magdeburg-Stendal.

Von Susanne Arlt |
    "Das Kalkulationsschema startet also mit den Materialeinzelkosten, was müssen wir jetzt verrechnen ..."

    BWL-Unterricht an der Hochschule Magdeburg. Im Klassenraum sitzen 23 Frauen und Männer. Die meisten von ihnen sind über 30 Jahre alt und stammen aus dem Ausland: aus Aserbaidschan, Russland, dem Irak und Iran. Dozent Christian Krause steht vor der Tafel und bringt seinen Schülern gerade bei, wie man zu einem Auftrag ein entsprechendes Preisangebot kalkuliert.

    "So jetzt haben wir nur die Materialproblematik gelöst, wie geht es jetzt weiter? Was müssen wir jetzt berücksichtigen in unserem Kalkulationsschema? ... die Lohnkosten ... "

    Alex Sinigriwov hebt die Hand. Die Lohnkosten müssen in der Kalkulation berücksichtigt werden, sagt er. Sein Dozent nickt. Alex Sinigriwov lächelt. Der 26-Jährige stammt aus Russland, er hat dort Flugzeugbau studiert. Als er vor vier Jahren nach Deutschland kam, hatte er seinen Hochschulabschluss in der Tasche. Genutzt habe ihm dieses Dokument aber leider nichts, sagt der 26-Jährige.

    "Ich habe immer eine Absage bekommen, aus verschiedenen Gründen. Ich passe nicht zur ausgeschriebenen Stelle, meine Qualifikation nicht entspricht. Anfangs war es schon, dass ich geträumt, dass ich ganz einfach eine Stelle bekommen und als Ingenieur arbeite. Aber aus meiner Erfahrung hat das nicht geklappt und dann bin ich entschieden, weiterzustudieren. "


    Seit November nimmt Alex Sinigriwov darum an dem dreizehnmonatigen Akademikerprogramm Aqua der Otto-Benecke-Stiftung teil. Die Abkürzung Aqua steht für Akademikerinnen und Akademiker qualifizieren sich für den Arbeitsmarkt. Das Programm richtet sich in erster Linie an Ausländer, die in Deutschland leben, aber auch an Deutsche. An der Hochschule Magdeburg können interessierte Akademiker das Studienergänzungsfach Maschinenbau belegen. Wir bieten unseren Studierenden theoretischen und praktischen Unterricht an, erklärt Projektleiter Christian Krause.

    "Das Ziel ist nicht, ein grundsätzliches Qualifikationsniveau zu erreichen, denn das ist da. Alle haben einen Hochschulabschluss in Maschinenbau oder einem vergleichbaren Studiengang. Hier geht es darum, das Wissen aufzufrischen und auf den Stand zu bringen, der vergleichbar ist mit einem Bachelor-Abschluss. "

    Die dreizehn Monate sind vollgepackt mit Seminaren, Projekten und einem abschließenden dreimonatigen Praktikum bei einer Firma. Defizite bei seinen Studierenden sieht der Professor für Controlling und Rechnungswesen vor allem in den sogenannte soft kills. Arbeitgeber bemängelten oft, dass die Migranten zu wenig von betriebswissenschaftlichen Grundlagen verstünden und es bei ihnen auch an der Kommunikation hapere. Darum werden neben Fächern wie Betriebswirtschaft auch Bewerbungstraining und Präsentationstechniken angeboten.

    "Ich denke die Fähigkeit, sich kommunikativ zu bewegen, sich bei einigen wesentlich verbessert hat. Also dass eine gewisse Hemmschwelle da war, auch die eigenen Leistungen entsprechend zu präsentieren. Das finden wir also häufig vor, dass also sehr gut Leistungen erbracht werden und es oft fehlt, dass auch darstellen zu können. Auch die Leistung zu verkaufen, was heute auch nun ein ganz wesentlicher Punkt ist. "

    An dem Aufbaustudium in Magdeburg nehmen auch drei Frauen teil. Tatziana Neufeld hat der Liebe wegen Kasachstan vor drei Jahren verlassen und ist nach Hamm gezogen. Als Maschinenbauingenieurin hat sie kaum praktische Erfahrung in ihrem Heimatland gesammelt, darum findet sie auch keinen Job in Deutschland, sagt sie. Mit dem Zertifikat über das Ergänzungsstudium in Magdeburg hofft sie, künftig bessere Chancen zu haben.

    "Ich kann sagen, ich habe sicher schon viel gelernt hier. Zum Beispiel, ich brauche hier ein Aufbauprogramm Computer, welche Programme ich nicht gelernt habe in meine Studium. Jetzt ich kann sagen, kann ich machen. Und ich bewerbe mich jetzt als Ingenieur ganz ruhig. "

    Das könne sie auch, betont Projektleiter Christian Krause. Seit zehn Jahren bietet Aqua das Studienergänzungsfach Maschinenbau in Magdeburg an. Von den 250 Absolventen hätten im Schnitt 80 Prozent der Teilnehmer einen Job bekommen, sagt Krause. Und die Zukunft für Maschinenbauingenieure sehe in Deutschland gar nicht schlecht aus. Der Bedarf an Fachkräften wächst. Der 26-jährige Alexej Sinigriwov jedenfalls sieht jetzt entspannter in seine berufliche Zukunft in Deutschland als noch vor einem Jahr.

    "Obwohl schon eine Menge Schwierigkeiten in Deutschland habe, sehe ich bessere Chancen in Deutschland Karriere zu machen. "