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Spurenelemente und Elementspuren

von Hellmuth Nordwig

13.01.2003
    Essen Sie gerne Meeresfrüchte? Dann lesen Sie besser nicht weiter. Denn in Hummern oder Muscheln ist so viel Arsen enthalten, dass man eigentlich schon beim Schälen tot umfallen müsste. Dass die Gourmets solche Mahlzeiten trotzdem überleben, liegt daran, dass Arsen hier in einer ungiftigen Verbindung vorkommt. Erkenntnisse wie diese verdanken wir der so genannten Elementspeziesanalytik, bei der Metalle, Spurenelemente und ihre Bindungsformen nachgewiesen werden. In dieser Woche treffen sich Experten dieses Faches in Garmisch-Partenkirchen. Vor allem die technischen Entwicklungen der Analyseverfahren stehen dabei im Mittelpunkt.

    Umweltbehörden, Lebensmittel-Untersuchungsämter und Kliniken gehören zu den Kunden seiner Abteilung. Bernhard Michalke vom GSF-Forschungszentrum bei München kann so ziemlich alles nachweisen, was das Periodensystem der Elemente so hergibt: Mangan in der Muttermilch. Am Straßenrand Platin aus den Autokatalysatoren, in jüngster Zeit steht auch das hoch giftige Palladium im Mittelpunkt. Und in vielen Proben das Element Selen, das mancherorts im Boden vorkommt und in einer geringen Menge gar nicht einmal giftig ist, sondern lebensnotwendig.

    Es wird auch in Selen-armen Gebieten und zu denen zählt Deutschland in die Futtermittel für die Tiere die wir essen gemischt. Und kommt damit auf uns zu in Form von Lebensmitteln, meistens in Form von Fleisch aber in Eiern. Es ist dann in biologischen Mitteln, wie menschlichen Serum nachweisbar, auch in der Muttermilch und in Organen wie der Leber.

    Die müssen die Chemiker vor dem Nachweis erst einmal in Salpetersäure legen. Eine aggressive Brühe, die von der Leber nichts Sichtbares übrig lässt. Selen und alle anderen Stoffe, die nachgewiesen werden sollen, werden ebenfalls aufgelöst. Diese ziemlich rohe Vorbehandlung muss sein, weil die Nachweisgeräte nur mit Flüssigkeiten etwas anfangen können. Sie werden zunächst zu feinsten Nebeltröpfchen versprüht - in einem Quarzröhrchen, das nicht einmal so groß ist wie ein Kinderfinger. Aus dem Probennebel wird dann ein so genanntes Plasma erzeugt - ein 6000 Grad heißer, extrem energiereicher Materiezustand, der eigentlich nur im Inneren von Sternen vorkommt. Auf der Erde kann man die nötige Energie mit Hilfe einer Spule zuführen, durch die einige Millionen Mal in der Sekunde elektrischer Strom gejagt wird - im Prinzip nichts anderes als ein starker Kurzwellensender.

    Sie sehen hier diese Spule, das ist die Spule des Hochfrequenzgenerators, der die Energieeinkopplung macht.

    Der also jetzt nicht angeschaltet ist, sonst würde ich es wahrscheinlich hören.

    Sie würden es nicht nur hören, sondern wir könnten auch nicht offen lassen, es müsste alles mit Argon gespült sein, und wir dürften so auch nicht reinschauen. Dieses Argonplasma hat eine sehr starke UV-Strahlung, die den Augenhintergrund ohne Schutzbrille beschädigen würde. Sie sehen hier dieses Sichtfenster, wo man bei geschlossener Probenzuführung reinschauen kann, das ist stark abgedunkelt wie eine starke Sonnenbrille sozusagen.

    Wenn die Probe mit soviel Energie bombardiert wird, fliegen auch die Nebeltröpfchen auseinander - zu einzelnen elektrisch geladenen Molekülen, die mit Hochgeschwindigkeit durch das Hochvakuum der Probenkammer sausen und an deren Wand nachgewiesen werden. Insgesamt kosten die Analysegeräte im GSF-Forschungszentrum mehr als drei Millionen Euro, und etwa 10 Mitarbeiter sind mit den Nachweisen voll ausgelastet. Doch dieser hohe Aufwand ist gerechtfertigt.

    Wenn irgendwo ein Chemieunfall passiert ist werden Elemente im Boden, im Wasser bestimmt. Aber auch aus landwirtschaftlichen Aspekten heraus wird so etwas bestimmt. In der Vergangenheit gab es Forschungsprojekte, die untersuchten ob sich im ökologischen Landbau Unterschiede in der Elementkonzentration in den Pflanzen im Vergleich zum konventionellen Landbau zeigten. In den frühen 90er Jahren kam die Waldschadensforschung hinzu. Natürlich auch in der Medizin, wo wir seit 30 Jahren hinzugezogen werden, bei Analysen für alle Münchner Kliniken, aber auch bundesweit bei verschiedenen Erkrankungen.

    Hier ist vor allem wichtig, in welcher Form ein Spurenelement vorliegt. Davon hängt seine Wirkung entscheidend ab - so sind bestimmte Arsenverbindungen hoch giftig, andere dagegen unschädlich. Immer noch werden diese Nachweise verfeinert. Daran wird sich auch nichts ändern, solange in der Umwelt sind Chemikalien immer wieder dort auftauchen, wo sie nicht hingehören.