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Staat ohne Anerkennung

In Berg-Karabach gibt es heute keine Moslems mehr. Als sich die Armenier von Berg-Karabach vor genau 15 Jahren vom moslemischen Aserbaidschan ablösten, wurden sie vertrieben. Im dann folgenden Bürgerkrieg kamen 40.000 Menschen ums Leben, eine Million verlor ihre Heimat. Und bis heute hat außer Armenien noch kein Land Berg-Karabach als eigenständig anerkannt. Jan-Uwe Stahr berichtet.

    Zwei junge Frauen-Stimmen beleben das mächtige alte Gemäuer: Die armenische Kirche von Schuschi. Sie steht in der zweitgrößten - einst mehrheitlich von Muslimen bewohnten - Stadt in Berg-Karabach. Während des Bürgerkrieges, Anfang der 90er Jahre, diente die christliche Kirche muslimischen Kämpfern als Munitionslager. Von Suschi aus schossen sie auf das tiefer gelegene Stepanakert, die vor allem von christlichen Armeniern bewohnte Hauptstadt von Berg-Karabach. Heute gibt es keine Moslems mehr in Berg-Karabach. Sie wurden vertrieben. Die Kirche von Suschi wurde 1998 renoviert. Die nur wenige hundert Meter entfernte Moschee dagegen verfällt.

    "Wir glauben, dass wir in Schuschi und Stepanakert eine gute Zukunft haben werden", sagt die Frau, die in einer Holzbude Andenken aus Berg-Karabach verkauft. Immer mehr der während des Krieges geflüchteten Einwohner kehren in die einst florierende Stadt im Südkaukasus zurück. Christen. Muslime sind hier nicht mehr erwünscht.

    Vor genau 15 Jahren erklärten sich die Armenier von Berg-Karabach zur unabhängigen Republik, lösten sich ab vom moslemischen Aserbaidschan. Es folgte eine blutige Auseinandersetzung, die 40.000 Menschen das Leben und rund eine Million die Heimat kostete. Aserbaidschanern wie Armeniern. Seit 12 Jahren herrscht nun ein Waffenstillstand. Aber kein Land der Welt hat Berg-Karabach bisher als eigenständigen Staat anerkannt. Außer dem Nachbarland Armenien. Dennoch hofft Masis Mayilian, der 44-jährige Vize-Außenminister von Berg-Karabach, auf eine gute Zukunft. Und wirbt um Investoren aus aller Welt.

    "Die Steuern in Berg-Karabach betragen nur fünf Prozent. Nicht nur für die Investoren auch für die Bürger. Es gibt außerdem die Möglichkeit, dass Investoren Industrieanlagen und ähnliches umsonst von uns bekommen können, unter der Voraussetzung, dass sie hier Arbeitsplätze schaffen und die Anlagen und Fabriken renovieren."

    Die politische Lage sei stabil, die Investitionsbedingungen günstig, betont die Regierung von Berg-Karabach. Dennoch hängt Berg-Karabach wirtschaftlich noch immer am Tropf. Zwar gab es nach dem Krieg viele Auslandsarmenier, vor allem in den USA und Frankreich, die Berg-Karabach mit ihren Spenden halfen. Kriegsschäden konnten so beseitigt und eine neue Verbindungsstraße nach Armenien gebaut werden. Aber noch liegen die meisten der einstmals bedeutenden Industriebetriebe am Boden. Kann die privatisierte Landwirtschaft sich kaum selbst versorgen.

    Die gesamte Strom- und Gasversorgung wird - ebenso wie in Armenien - von Russland kontrolliert. Und der wichtigste Arbeitgeber ist das Militär. Ohne eine internationale Anerkennung wird die Republik Berg-Karabach auf Dauer nicht überleben können, darüber ist sich auch Vizeaußenminister Mayilian im Klaren.

    "Wir hoffen und glauben daran, dass es uns gelingt. Wir arbeiten im Außenministerium daran. Das Erlangen der Unabhängigkeit ist wichtig für die Existenz und die Entwicklung unseres Volkes. Es gibt keinen anderen Weg."

    Im Mutterland Armenien hat Berg-Karabach eine starke Lobby: Sowohl der Präsident als auch der Verteidigungsminister kommen aus Karabach. Aber die Friedensverhandlungen und die politische Wiederannäherung zwischen Armeniern und Aserbaidschanern, die noch vor einigen Jahren hoffnungsvoll erschienen, befinden sich in einer Sackgasse. Man sei durchaus zu pragmatischen Lösungen bereit, was die wirtschaftliche Entwicklung von Berg-Karabach angeht, sagt der Aserbaidjanische Außenminister Elmar Mammadjarow. Aber die Armenier stellten sich stur.

    "Ich sehe keine Strategie in der armenischen Politik. Die einzige Strategie der Armenier ist: Die Sache ist erledigt. Wir haben uns das Land mit dem Maschinengewehr genommen und wir wollen es für immer behalten."

    Aber auch Aserbaidschan gibt sich unnachgiebig. Und besteht auf der Rückgabe von Berg-Karabach. Die beiderseitige Kompromisslosigkeit im Berg-Karabach Konflikt ist ein großes Hindernis für die friedliche Entwicklung im Südkaukasus. Und damit auch ein Problem für Europa. Denn aus Aserbaidschan und vom Kaspischen Meer soll in Zukunft immer mehr Öl und Gas nach Westeuropa geliefert werden. Die dafür gebauten neuen Pipelines verlaufen nur wenige Kilometer nordöstlich von Berg-Karabach. Bei einem neu aufflammenden Konflikt wären sie und damit die Energieversorgung für Europa gefährdet. In Schuschi und Stepanakert ist dass kein Thema. Dort wird am Samstag gefeiert: Der 15-jährige Geburtstag der armenischen Republik Berg Karabach.