"Ich denke, dass das ein sehr, sehr guter Weg ist, den Kurt Beck aufgezeigt hat. Eine Tür ist aufgestoßen, dieses ehrgeizige Projekt der Koalition im Laufe der nächsten Wochen zu Ende zu bringen."
Die Erleichterung bei Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee ist unüberhörbar. Aber der Stoßseufzer kommt aus der ganzen SPD. Denn Parteichef Kurt Beck ist - zumindest auf dem Papier - tatsächlich gelungen, womit fast niemand gerechnet hatte: der jahrelange Grundsatzstreit um die Teilprivatisierung der deutschen Bahn ist beendet - gleichzeitig hat auch Beck innerparteilich seine Autorität wahren können. Die privatisierungskritische Linke ist mit dem Kompromiss weitgehend zufrieden. Genauso wie diejenigen in der SPD, die einen Teilverkauf der Bahn unterstützt haben. Die Parteiinteressen hätten über die Inhalte triumphiert, heißt es dagegen bei der Opposition:
"Also, es ist ja nicht wirklich ein Kompromiss zwischen verschiedenen Modellen. Sondern es ist eher ein machtpolitischer oder flügelpolitischer Kompromiss - man will Gesichter wahren. "
Eine Einschätzung, mit der der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Hermann, nicht ganz falsch liegen dürfte. Doch auch die Union kann mit den Vorschlägen der SPD leben, weshalb die Zustimmung für eine Teilprivatisierung der Bahn bei der Koalitionsrunde am kommenden Montag nicht mehr in Frage steht. Unions-Fraktionschef Volker Kauder:
"Wir hätten gerne etwas mehr gehabt. Aber natürlich werden wir diesen Vorschlag mit der SPD mitmachen. Es geht schließlich darum, dass wir Kapital am Kapitalmarkt schöpfen, um die notwendigen Investitionen der Bahn finanzieren zu können. "
"Es darf keine Zerschlagung der Bahn geben; wir halten am integrierten Konzern und damit auch am internen Arbeitsmarkt fest; der Bund darf in der Wahrung seiner Eigentumsrechte nicht eingeschränkt werden; private Investoren dürfen keinen Zugriff auf die Infrastruktur erhalten. "
So hatte der Auftrag von Kurt Beck für die parteiinterne Arbeitsgruppe der SPD gelautet, die dann Mitte April ihre Lösung präsentierte. Demnach wird innerhalb des Bahnkonzerns eine eigenständige Tochter gegründet, in der das gesamte Transportgeschäft gebündelt wird, also Personen- und Güterverkehr. Nur dieser Teil der Bahn wird bis zu 24,9 Prozent an private Investoren verkauft. Schienennetz, Bahnhöfe und Stromleitungen bleiben dagegen in Besitz der Holding und damit des Bundes. Mit diesem Spagat soll vor allem eines sicher gestellt werden: die mit vielen Milliarden Euro an Steuergeldern aufgebaute Infrastruktur bleibt in Besitz der öffentlichen Hand - gleichzeitig werde der Einfluss von renditeorientierten Geldgebern auf ein Minimum beschränkt, erklärt Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee:
"24,9 Prozent heißt ja, dass der Bund über die DB Oberholding die Aufsichtsratsmandate wahr nimmt und über deren Besetzung entscheidet. Ein solches Quorum bedeutet auch, dass keine Satzung geändert werden kann gegen den Bund; dass Unternehmensteile nicht veräußert werden dürfen - also eine Fülle von grundlegenden, strukturellen Entscheidungen sind damit in 100prozentiger Hoheit und Entscheidungsbefugnis des Bundes. "
Damit ist auch eine Kernforderung der SPD-Linken erfüllt, die nur deshalb auf ihre ursprüngliche Forderung nach der Ausgabe von stimmrechtslosen Aktien verzichtet hat. Selbst die mächtige Bahngewerkschaft Transnet, die einen Großteil der rund 230 000 Bahnmitarbeiter vertritt, zeigte sich in diesen Tagen zufrieden. Transnet-Chef Norbert Hansen:
"Wir haben sehr darauf geachtet, dass die Daseinsberechtigung nicht beeinträchtigt wird. Dass die Infrastruktur beim Staat bleibt. Dass die privaten Investoren keinen maßgeblichen Einfluss haben. Und jetzt kommt der Clou: dass den Beschäftigten aller Voraussicht nach ein betrieblicher Kündigungsschutz für die nächsten 15 Jahre gewährt werden wird. "
Ist also mit dem Beck-Vorschlag die Quadratur des Kreises gelungen - wie von ihm selbst umrissen?
"Der Schienenpersonennahverkehr muss gesichert bleiben. Die Bahn muss sich europäisch besser aufstellen können. "
Denn schließlich gilt ab 2010 auch für den Personenverkehr der freie Wettbewerb. Dann werden auch Bahnen aus Frankreich, Holland oder Spanien deutsche Strecken bedienen können. Nur ein starker nationaler Champion könne dann gegen die europäische Konkurrenz bestehen, so das Credo bei Union und SPD. Verkehrsminister Tiefensee:
"Mir kommt es nun darauf an, deutlich zu machen, dass das keine Teilprivatisierung um der Privatisierung willen ist. Sondern dass diese Teilprivatisierung dem Ziel dient, die Bahnkunden in ihrem Anspruch an die DB AG ernst zu nehmen. Der Anspruch nämlich an eine höhere Dienstleistungsqualität. An ein stabiles gutes Netz. Der Anspruch, dass wir aus Deutschland heraus die europäischen Märkte erobern. "
Doch gerade an dieser Stelle hat sich Ernüchterung breit gemacht - denn aufgrund der abgespeckten Teilprivatisierung wird nun deutlich weniger Geld fließen als geplant. Wurde bei einem Teilverkauf von 49,9 Prozent - wie ursprünglich einmal angedacht - mit Erlösen von bis zu 12 Milliarden Euro gerechnet, kalkulieren die Experten der Koalition nun mit Einnahmen von nur noch 5 Milliarden Euro. Die dann jeweils zu einem Drittel in die Staatskasse, in die Eigenkapitalquote der Bahn sowie in den Lärmschutz und die Sanierung von Bahnhöfen fließen sollen. Entsprechend skeptisch ist der Verkehrsexperte der Grünen, Winfried Hermann:
"Jetzt geht an die Börse die eine Hälfte nicht und von der anderen Hälfte ein Viertel. Also, inzwischen sind wir bei einem Achtel des ursprünglichen Volumens. Und manche tun so, als würden da noch 10 oder 20 Milliarden reinkommen. Es bringt nicht wirklich viel Geld in die Staatskasse. Es bringt nicht wirklich Investitionsvolumina in die Schieneninfrastruktur rein. Es nutzt vielleicht den Einkaufstouren von Hartmut Mehdorn, wenn er ein paar hundert Millionen hat, um die eine oder andere Gesellschaft noch aufzukaufen. "
Längst hat Bahnchef Mehdorn den Konzern in den letzten Jahren völlig umgekrempelt. Fast ein Viertel der Belegschaft arbeitet inzwischen im Ausland. Knapp die Hälfte des gesamten Konzernumsatzes von 31 Milliarden Euro erzielt die Logistiktochter Schenker. Doch der Expansionskurs hat viel Geld verschlungen - noch immer sitzt die Bahn auf einem Schuldenberg von über 16 Milliarden Euro. Der Konzern solle sich anstatt auf die Logistik lieber wieder auf sein Kerngeschäft konzentrieren, meint deshalb der Finanzsenator von Berlin, Thilo Sarrazin, der selbst einmal im Bahnvorstand gearbeitet hat:
"Das dümmste Argument von den vielen dummen Argumenten, die ich gehört habe, war, dass die Bahn jetzt deshalb Private beteiligen müsste, um Kapital zu haben für Investitionen. Für die internationalen Investitionen im Bereich Logistik gilt: da steht privates Kapital immer zur Verfügung, also private Beteiligung an Schenker. Das ist überhaupt kein Thema. Man kann auch Schenker ganz verkaufen. Dafür ist Kapital da. Für die Infrastruktur gibt nie ein Privater Kapital, weil die Infrastruktur unrentierlich ist. Dafür wird sie ja vom Staat gezahlt. "
Gleichzeitig bleibt abzuwarten, wie die Investoren - vor allem Staats- und Pensionsfonds sowie Versicherungen - auf das neue Angebot reagieren werden. Die Meinungen darüber sind geteilt: während etwa das Deutsche Aktieninstitut angesichts der eingeschränkten Mitspracherechte für die Anleger eher skeptisch ist, zeigt sich Analyst Stephan Schöppner von der Dresdner Bank durchaus optimistisch:
"Ja, der Güterverkehr ist erst einmal hervorragend aufgestellt. Wobei das nicht nur Güterverkehr ist, der in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Sondern mit Schenker und Stinnes ist einer der weltgrößten Logistikunternehmen in die Bahn integriert. Das ist super interessant. Und der zweite Punkt ist, der interessant ist, dass im Nahverkehr langfristige Verträge mit den staatlichen Bestellern von Nahverkehrsdienstleistungen getroffen werden, sodass da ein sehr sicherer Cashzufluss bei der Deutschen Bahn besteht. "
Gleichzeitig gilt es in Finanzkreisen als ausgemacht, dass Investoren - trotz der beschränkten Beteiligungsmöglichkeiten - sehr wohl Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen werden. Der Anteil der erworbenen Aktien, das zeigen viele Beispiele aus der Wirtschaft, spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Von einem Placebokonstrukt spricht denn auch Winfried Hermann von den Grünen:
"Jeder Aktionär hat einen Anspruch darauf - da gibt es ja auch entsprechende Gerichtsurteile - dass sein Unternehmen, in das er investiert, auch renditeorientiert geführt wird. Und wenn das die Geschäftsführung nicht leistet, dann verstößt sie gewissermaßen gegen das Aktienrecht. Also, er wird darauf bestehen, dass nicht rentable Strecken nicht länger bedient werden. Er wird darauf bestehen, dass ein Takt an der Auslastung der Züge orientiert wird und nicht an einem Takt, der sozusagen von der Politik vorgegeben wird. "
Die Bahn hat entsprechende Vorbehalte im Zuge einer Teilprivatisierung immer bestritten - in einigen Bundesländern werden sie dagegen geteilt.
Der rheinland-pfälzische Wirtschafts- und Verkehrsminister Hendrik Hering beispielsweise sieht die Gefahr einer weiteren Fahrplanausdünnung auf nicht rentablen Strecken durchaus. Um zu verhindern, dass regionale Mittel- und Oberzentren vom Fernverkehr der Bahn abgehängt werden, drängt er darauf, vor dem Börsengang verbindlich festzuschreiben, welche Leistungen auch eine teilprivatisierte Bahn anbieten muss - ob sie sich betriebswirtschaftlich rechnen oder nicht:
"Wir sind ja deswegen mehrfach vorstellig geworden bei der DB AG, auch beim Bundesverkehrsministerium und ich habe auch Wert gelegt in der Länderverkehrsministerkonferenz aber auch in der Arbeitsgruppe dass es eben auch Regelungen gibt, wie kann die Gemeinwohlverpflichtung bezüglich Fernverkehr konkretisiert werden. Dabei habe ich auch Trier, Mainz und einige andere Orte in Rheinland-Pfalz im Kopf gehabt."
Trier ist eine der Städte, deren Fernverkehrsanbindung für die Region bedeutsam, für die Bahn aber unrentabel ist. Die Unternehmensberatung KCW hat im Auftrag mehrere Bundesländer und Verkehrsverbünde die Konsequenzen des Bahn-Börsengangs für das Streckennetz untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Bahn, die ihren Anteilseignern betriebswirtschaftliche Vernunft schuldet, 15 größere Städte vom Fernverkehrsnetz abkoppeln müsste. Darunter eben auch Trier. Dass es soweit kommt, mag der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Hendrik Hering aber nicht glauben - im Moment jedenfalls nicht.
"Nach den Auskünften, die wir von der DB AG bekommen haben, wird es kein generelles Aus für den Fernverkehr in Trier geben. Das würden wir auch nicht für akzeptabel halten."
Doch die Rechtslage ist im Moment so, dass es im Fernverkehr ziemlich unerheblich ist, was ein Landesminister für akzeptabel hält - über ihre Fernverkehrsstrecken entscheidet alleine die Deutsche Bahn AG. Und die hat schon im Jahr 2000 mit der Einstellung des Interregio-Verkehrs 23 Mittel- und Großstädte von ihren Fernverbindungen abgehängt. Als der Rendite verpflichtetes Unternehmen, so die KCW-Studie, müsse eine teilprivatisierte Bahn ihre Fahrpläne noch weiter betriebswirtschaftlich optimieren - auch im Fernverkehr. Dass das Unternehmen entsprechende Pläne habe, lasse sich beispielsweise daran ablesen, dass von den mehr als 1.600 Intercitys, die derzeit auf den Schienen rollen, mittelfristig nur 800 durch neue Züge ersetzt werden sollen. Auch deswegen ist Professor Heiner Monheim so zornig. Der Verkehrsexperte lehrt an der Universität Trier Angewandte Geographie, Raumentwicklung und Landesplanung, ist Mitbegründer der Vereinigung "Bürgerbahn statt Börsenbahn" und findet, dass die geplante Teilprivatisierung des Unternehmens Teil einer verfehlten Verkehrspolitik ist:
"Wir stehen hier vor dem Hauptbahnhof in Trier. Die Fernverkehrsanbindungen des Hauptbahnhofs Trier sind in den letzten 15 Jahren kontinuierlich schlechter geworden. Und jetzt nehmen Sie sich mal so was wie Krefeld, Mönchengladbach am Niederrhein oder - also es ist mehr als die Hälfte der Oberzentren, die hat keinen Fernverkehr. Und die Raumordnung, die dafür zuständig ist, dass - ich sag' mal: jedes Kaff einen Autobahnanschluss kriegt und die da immer drauf pocht, diese Raumordnung kümmert sich einen Dreck um den Schienenverkehr."
Heiner Monheim fordert seit Jahren eine nachhaltige, ökologische Verkehrspolitik. Und die sei eben nur mit einer Bahn möglich, die dem Gemeinwohl verpflichtet sei, nicht dem Gewinn.
"Das ist das Grundübel dieser ganzen Geschichte: Wir reden überhaupt nicht mehr über Verkehrspolitik, wir reden überhaupt nicht mehr darüber, was wir für eine Bahn brauchen, sondern wir reden über irgendwelche Organisationsmodelle wie wir die Privaten da rein kriegen - mit Sicherheit nicht als mildtätige Spender, die dann dafür sorgen, dass wir eine viel, viel bessere Bahn und viel mehr Bahn kriegen."
"Sie werden halt die großen Rationalisierer sein, sie werden fragen: Was kostet, und was bringt? So, bringen tun es die Rennstrecken zwischen den großen Metropolen, das ist so deren Philosophie. Also werden sie sich auf die Hauptachsen und Hauptkorridore konzentrieren. Das ist eine Katastrophe! Das bedeutet eine Fortsetzung des Rückzugskurses, den wir jetzt seit 15 Jahren schon erleben. Und Herr Mehdorn feiert da irgendwelche Jubelarien, als wär' die Bahn ein super Unternehmen. Wir haben neun Milliarden investiert und kriegen einen sinkenden Marktanteil dabei heraus - warum? Weil wir die Fläche total vernachlässigen."
Tatsächlich ist die Zahl der Bahnreisenden im Fernverkehr nach Berechnungen der KCW seit dem Aus für den InterRegio um rund 25 Millionen zurückgegangen. Die Bahn dementiert diese Zahl. Tatsache ist aber, dass es in der Provinz von Fahrplanwechsel zu Fahrplanwechsel schwieriger wird, eine passende Zugverbindung zu finden. Zu der praktischen Enttäuschung der Kunden kommt - vor allem bei der SPD - die politische Enttäuschung der Basis über das Privatisierungsmodell der eigenen Partei. Was die Bundesführung der SPD als Erfolg preist, ist aus Sicht der einfachen Parteimitglieder Verrat am Gemeinwohl. Die Stimmung beschreibt Theo Tekaat, der im SPD-Unterbezirk Mainz ein nahezu einstimmiges Votum gegen den Börsengang der Bahn herbeigeführt hat:
"Wir sind tief enttäuscht. Wir haben uns seit zwei Jahren dafür eingesetzt, dass keine privaten Investoren Zugriff auf dieses wichtige Infrastrukturunternehmen bekommen - und jetzt steigen private Unternehmen ein und ändern das Unternehmensziel. Jetzt geht es um Profite und nicht mehr um die Versorgung der Bevölkerung mit einem flächendeckenden Verkehrssystem."
In seinem Mainzer Dienstzimmer legt der rheinland-pfälzische Wirtschafts- und Verkehrsminister Hendrik Hering bei solcher Kritik die Stirn in sorgenvolle Falten. Er weiß dass die Bahn eigentlich eine Einrichtung der Daseinsvorsorge sein soll - einerseits. Andererseits findet er, dass das Unternehmen das frische Geld von den privaten Kapitalgebern braucht, um seine Zukunft gestalten zu können. Und so setzt er darauf, dass verbindliche Vorgaben zur Flächenversorgung so gestaltet werden können, dass sie potenzielle Investoren nicht von vornherein abschrecken. Und darauf, dass sich langfristig Gewinnstreben und guter Service miteinander vereinbaren lassen.
"Es soll, das ist wichtig, im Vorfeld der Teilprivatisierung festgelegt werden, in welchem Umfang Gemeinwohlverpflichtungen erfüllt werden. Und dann können damit die potenziellen Anleger auch kalkulieren. Ich halte es dauerhaft betriebswirtschaftlich auch für sinnvoller, dass Sorge getragen wird, dass wir ein attraktives Bahnangebot haben. Nur das kann dauerhaft betriebswirtschaftlich auch sinnvoll sein, denn es muss so attraktiv werden, dass mehr Bürgerinnen und Bürger die Bahn nutzen, und dann können dauerhaft auch mehr Einnahmen erzielt werden. Wenn ich die Angebote abbaue, dann wird die Nachfrage sich auch reduzieren."
Doch trotz der Skepsis in den Ländern - auch die Bundesregierung schätzt die Gefahr von weiteren Streckenstilllegungen im Zuge der Teilprivatisierung eher als gering ein. Man werde sich vertraglich entsprechend absichern, betont Verkehrsminister Tiefensee:
" Das eine ist, dass wir über einen Entschließungsantrag die Kriterien eines sogenannten Beteiligungsvertrages festlegen, der zwischen Bahn und Bund abzuschließen ist. Der legt zum Beispiel Fragen der Veräußerung, des Quorums und des integrierten Konzerns und dergleichen fest. Parallel diskutieren wir eine sogenannte leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, die sich darauf bezieht, die Infrastruktur zu sichern. Das ist nicht zuletzt all jenen wichtig, die sich für den Verkehr in der Fläche stark machen. "
Wie sich dies in der Praxis auswirken wird, bleibt dennoch abzuwarten. Auch bei der Perspektive für den künftigen Wettbewerb auf der Schiene sind manche Experten eher skeptisch. Denn am Grundproblem hat sich wenig geändert: auch wenn Gleise und Bahnhöfe weiterhin in Staatshand bleiben - Hauptnutzer ist und bleibt die Bahn.
Doch schon die Strombranche hat gezeigt: wenn Netz und Betrieb in einer Hand liegen, ist es mit dem Wettbewerb nicht weit her. Zumal es Überlegungen gibt, den teilprivatisierten Transportbereich von den gleichen Bahnvorständen leiten zu lassen wie die Holding, die für die Infrastruktur zuständig sein wird:
"Solange wir ein Holding-Dach haben, was von den Interessen der Betriebsgesellschaften beherrscht wird und auf die Infrastruktur per Weisung durchgreifen kann, werden wir keinen wirklich fairen Wettbewerb bekommen,"
warnt Berlins Finanzsenator. Doch zu der ordnungspolitisch saubersten Lösung - nämlich die klare Trennung von Netz und Transport in zwei jeweils völlig eigenständige Gesellschaften - konnte sich vor allem die SPD nicht durchringen. Der Druck der Bahngewerkschaft, so Thilo Sarrazin, sei zu groß gewesen:
"Die Transnet ist sehr stark mit der SPD verbunden. Das emotionale Argument der Transnet, man dürfe diesen großen nationalen Konzern jetzt nicht zerschlagen. Man müsse die Einheit bewahren auch zum Schutze von Arbeitnehmerinteressen - ich habe das jetzt nur einmal zitiert, ich halte das alles für unfundierten Quark - dieses Argument stößt in der SPD auf emotional offene Ohren. "
Und so wird sich die schwarz-rote Koalition am kommenden Montag auf einen Kompromiss einigen, der viele Unbekannte enthält - allen öffentlichen Beteuerungen zum Trotz. Die vielen wichtigen, aber noch offenen Details für die Teilprivatisierung müssen dann im Rekordtempo in den kommenden Wochen ausgearbeitet werden, denn schon im Herbst soll die Bahn an die Börse fahren.
Die Erleichterung bei Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee ist unüberhörbar. Aber der Stoßseufzer kommt aus der ganzen SPD. Denn Parteichef Kurt Beck ist - zumindest auf dem Papier - tatsächlich gelungen, womit fast niemand gerechnet hatte: der jahrelange Grundsatzstreit um die Teilprivatisierung der deutschen Bahn ist beendet - gleichzeitig hat auch Beck innerparteilich seine Autorität wahren können. Die privatisierungskritische Linke ist mit dem Kompromiss weitgehend zufrieden. Genauso wie diejenigen in der SPD, die einen Teilverkauf der Bahn unterstützt haben. Die Parteiinteressen hätten über die Inhalte triumphiert, heißt es dagegen bei der Opposition:
"Also, es ist ja nicht wirklich ein Kompromiss zwischen verschiedenen Modellen. Sondern es ist eher ein machtpolitischer oder flügelpolitischer Kompromiss - man will Gesichter wahren. "
Eine Einschätzung, mit der der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Hermann, nicht ganz falsch liegen dürfte. Doch auch die Union kann mit den Vorschlägen der SPD leben, weshalb die Zustimmung für eine Teilprivatisierung der Bahn bei der Koalitionsrunde am kommenden Montag nicht mehr in Frage steht. Unions-Fraktionschef Volker Kauder:
"Wir hätten gerne etwas mehr gehabt. Aber natürlich werden wir diesen Vorschlag mit der SPD mitmachen. Es geht schließlich darum, dass wir Kapital am Kapitalmarkt schöpfen, um die notwendigen Investitionen der Bahn finanzieren zu können. "
"Es darf keine Zerschlagung der Bahn geben; wir halten am integrierten Konzern und damit auch am internen Arbeitsmarkt fest; der Bund darf in der Wahrung seiner Eigentumsrechte nicht eingeschränkt werden; private Investoren dürfen keinen Zugriff auf die Infrastruktur erhalten. "
So hatte der Auftrag von Kurt Beck für die parteiinterne Arbeitsgruppe der SPD gelautet, die dann Mitte April ihre Lösung präsentierte. Demnach wird innerhalb des Bahnkonzerns eine eigenständige Tochter gegründet, in der das gesamte Transportgeschäft gebündelt wird, also Personen- und Güterverkehr. Nur dieser Teil der Bahn wird bis zu 24,9 Prozent an private Investoren verkauft. Schienennetz, Bahnhöfe und Stromleitungen bleiben dagegen in Besitz der Holding und damit des Bundes. Mit diesem Spagat soll vor allem eines sicher gestellt werden: die mit vielen Milliarden Euro an Steuergeldern aufgebaute Infrastruktur bleibt in Besitz der öffentlichen Hand - gleichzeitig werde der Einfluss von renditeorientierten Geldgebern auf ein Minimum beschränkt, erklärt Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee:
"24,9 Prozent heißt ja, dass der Bund über die DB Oberholding die Aufsichtsratsmandate wahr nimmt und über deren Besetzung entscheidet. Ein solches Quorum bedeutet auch, dass keine Satzung geändert werden kann gegen den Bund; dass Unternehmensteile nicht veräußert werden dürfen - also eine Fülle von grundlegenden, strukturellen Entscheidungen sind damit in 100prozentiger Hoheit und Entscheidungsbefugnis des Bundes. "
Damit ist auch eine Kernforderung der SPD-Linken erfüllt, die nur deshalb auf ihre ursprüngliche Forderung nach der Ausgabe von stimmrechtslosen Aktien verzichtet hat. Selbst die mächtige Bahngewerkschaft Transnet, die einen Großteil der rund 230 000 Bahnmitarbeiter vertritt, zeigte sich in diesen Tagen zufrieden. Transnet-Chef Norbert Hansen:
"Wir haben sehr darauf geachtet, dass die Daseinsberechtigung nicht beeinträchtigt wird. Dass die Infrastruktur beim Staat bleibt. Dass die privaten Investoren keinen maßgeblichen Einfluss haben. Und jetzt kommt der Clou: dass den Beschäftigten aller Voraussicht nach ein betrieblicher Kündigungsschutz für die nächsten 15 Jahre gewährt werden wird. "
Ist also mit dem Beck-Vorschlag die Quadratur des Kreises gelungen - wie von ihm selbst umrissen?
"Der Schienenpersonennahverkehr muss gesichert bleiben. Die Bahn muss sich europäisch besser aufstellen können. "
Denn schließlich gilt ab 2010 auch für den Personenverkehr der freie Wettbewerb. Dann werden auch Bahnen aus Frankreich, Holland oder Spanien deutsche Strecken bedienen können. Nur ein starker nationaler Champion könne dann gegen die europäische Konkurrenz bestehen, so das Credo bei Union und SPD. Verkehrsminister Tiefensee:
"Mir kommt es nun darauf an, deutlich zu machen, dass das keine Teilprivatisierung um der Privatisierung willen ist. Sondern dass diese Teilprivatisierung dem Ziel dient, die Bahnkunden in ihrem Anspruch an die DB AG ernst zu nehmen. Der Anspruch nämlich an eine höhere Dienstleistungsqualität. An ein stabiles gutes Netz. Der Anspruch, dass wir aus Deutschland heraus die europäischen Märkte erobern. "
Doch gerade an dieser Stelle hat sich Ernüchterung breit gemacht - denn aufgrund der abgespeckten Teilprivatisierung wird nun deutlich weniger Geld fließen als geplant. Wurde bei einem Teilverkauf von 49,9 Prozent - wie ursprünglich einmal angedacht - mit Erlösen von bis zu 12 Milliarden Euro gerechnet, kalkulieren die Experten der Koalition nun mit Einnahmen von nur noch 5 Milliarden Euro. Die dann jeweils zu einem Drittel in die Staatskasse, in die Eigenkapitalquote der Bahn sowie in den Lärmschutz und die Sanierung von Bahnhöfen fließen sollen. Entsprechend skeptisch ist der Verkehrsexperte der Grünen, Winfried Hermann:
"Jetzt geht an die Börse die eine Hälfte nicht und von der anderen Hälfte ein Viertel. Also, inzwischen sind wir bei einem Achtel des ursprünglichen Volumens. Und manche tun so, als würden da noch 10 oder 20 Milliarden reinkommen. Es bringt nicht wirklich viel Geld in die Staatskasse. Es bringt nicht wirklich Investitionsvolumina in die Schieneninfrastruktur rein. Es nutzt vielleicht den Einkaufstouren von Hartmut Mehdorn, wenn er ein paar hundert Millionen hat, um die eine oder andere Gesellschaft noch aufzukaufen. "
Längst hat Bahnchef Mehdorn den Konzern in den letzten Jahren völlig umgekrempelt. Fast ein Viertel der Belegschaft arbeitet inzwischen im Ausland. Knapp die Hälfte des gesamten Konzernumsatzes von 31 Milliarden Euro erzielt die Logistiktochter Schenker. Doch der Expansionskurs hat viel Geld verschlungen - noch immer sitzt die Bahn auf einem Schuldenberg von über 16 Milliarden Euro. Der Konzern solle sich anstatt auf die Logistik lieber wieder auf sein Kerngeschäft konzentrieren, meint deshalb der Finanzsenator von Berlin, Thilo Sarrazin, der selbst einmal im Bahnvorstand gearbeitet hat:
"Das dümmste Argument von den vielen dummen Argumenten, die ich gehört habe, war, dass die Bahn jetzt deshalb Private beteiligen müsste, um Kapital zu haben für Investitionen. Für die internationalen Investitionen im Bereich Logistik gilt: da steht privates Kapital immer zur Verfügung, also private Beteiligung an Schenker. Das ist überhaupt kein Thema. Man kann auch Schenker ganz verkaufen. Dafür ist Kapital da. Für die Infrastruktur gibt nie ein Privater Kapital, weil die Infrastruktur unrentierlich ist. Dafür wird sie ja vom Staat gezahlt. "
Gleichzeitig bleibt abzuwarten, wie die Investoren - vor allem Staats- und Pensionsfonds sowie Versicherungen - auf das neue Angebot reagieren werden. Die Meinungen darüber sind geteilt: während etwa das Deutsche Aktieninstitut angesichts der eingeschränkten Mitspracherechte für die Anleger eher skeptisch ist, zeigt sich Analyst Stephan Schöppner von der Dresdner Bank durchaus optimistisch:
"Ja, der Güterverkehr ist erst einmal hervorragend aufgestellt. Wobei das nicht nur Güterverkehr ist, der in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Sondern mit Schenker und Stinnes ist einer der weltgrößten Logistikunternehmen in die Bahn integriert. Das ist super interessant. Und der zweite Punkt ist, der interessant ist, dass im Nahverkehr langfristige Verträge mit den staatlichen Bestellern von Nahverkehrsdienstleistungen getroffen werden, sodass da ein sehr sicherer Cashzufluss bei der Deutschen Bahn besteht. "
Gleichzeitig gilt es in Finanzkreisen als ausgemacht, dass Investoren - trotz der beschränkten Beteiligungsmöglichkeiten - sehr wohl Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen werden. Der Anteil der erworbenen Aktien, das zeigen viele Beispiele aus der Wirtschaft, spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle. Von einem Placebokonstrukt spricht denn auch Winfried Hermann von den Grünen:
"Jeder Aktionär hat einen Anspruch darauf - da gibt es ja auch entsprechende Gerichtsurteile - dass sein Unternehmen, in das er investiert, auch renditeorientiert geführt wird. Und wenn das die Geschäftsführung nicht leistet, dann verstößt sie gewissermaßen gegen das Aktienrecht. Also, er wird darauf bestehen, dass nicht rentable Strecken nicht länger bedient werden. Er wird darauf bestehen, dass ein Takt an der Auslastung der Züge orientiert wird und nicht an einem Takt, der sozusagen von der Politik vorgegeben wird. "
Die Bahn hat entsprechende Vorbehalte im Zuge einer Teilprivatisierung immer bestritten - in einigen Bundesländern werden sie dagegen geteilt.
Der rheinland-pfälzische Wirtschafts- und Verkehrsminister Hendrik Hering beispielsweise sieht die Gefahr einer weiteren Fahrplanausdünnung auf nicht rentablen Strecken durchaus. Um zu verhindern, dass regionale Mittel- und Oberzentren vom Fernverkehr der Bahn abgehängt werden, drängt er darauf, vor dem Börsengang verbindlich festzuschreiben, welche Leistungen auch eine teilprivatisierte Bahn anbieten muss - ob sie sich betriebswirtschaftlich rechnen oder nicht:
"Wir sind ja deswegen mehrfach vorstellig geworden bei der DB AG, auch beim Bundesverkehrsministerium und ich habe auch Wert gelegt in der Länderverkehrsministerkonferenz aber auch in der Arbeitsgruppe dass es eben auch Regelungen gibt, wie kann die Gemeinwohlverpflichtung bezüglich Fernverkehr konkretisiert werden. Dabei habe ich auch Trier, Mainz und einige andere Orte in Rheinland-Pfalz im Kopf gehabt."
Trier ist eine der Städte, deren Fernverkehrsanbindung für die Region bedeutsam, für die Bahn aber unrentabel ist. Die Unternehmensberatung KCW hat im Auftrag mehrere Bundesländer und Verkehrsverbünde die Konsequenzen des Bahn-Börsengangs für das Streckennetz untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Bahn, die ihren Anteilseignern betriebswirtschaftliche Vernunft schuldet, 15 größere Städte vom Fernverkehrsnetz abkoppeln müsste. Darunter eben auch Trier. Dass es soweit kommt, mag der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Hendrik Hering aber nicht glauben - im Moment jedenfalls nicht.
"Nach den Auskünften, die wir von der DB AG bekommen haben, wird es kein generelles Aus für den Fernverkehr in Trier geben. Das würden wir auch nicht für akzeptabel halten."
Doch die Rechtslage ist im Moment so, dass es im Fernverkehr ziemlich unerheblich ist, was ein Landesminister für akzeptabel hält - über ihre Fernverkehrsstrecken entscheidet alleine die Deutsche Bahn AG. Und die hat schon im Jahr 2000 mit der Einstellung des Interregio-Verkehrs 23 Mittel- und Großstädte von ihren Fernverbindungen abgehängt. Als der Rendite verpflichtetes Unternehmen, so die KCW-Studie, müsse eine teilprivatisierte Bahn ihre Fahrpläne noch weiter betriebswirtschaftlich optimieren - auch im Fernverkehr. Dass das Unternehmen entsprechende Pläne habe, lasse sich beispielsweise daran ablesen, dass von den mehr als 1.600 Intercitys, die derzeit auf den Schienen rollen, mittelfristig nur 800 durch neue Züge ersetzt werden sollen. Auch deswegen ist Professor Heiner Monheim so zornig. Der Verkehrsexperte lehrt an der Universität Trier Angewandte Geographie, Raumentwicklung und Landesplanung, ist Mitbegründer der Vereinigung "Bürgerbahn statt Börsenbahn" und findet, dass die geplante Teilprivatisierung des Unternehmens Teil einer verfehlten Verkehrspolitik ist:
"Wir stehen hier vor dem Hauptbahnhof in Trier. Die Fernverkehrsanbindungen des Hauptbahnhofs Trier sind in den letzten 15 Jahren kontinuierlich schlechter geworden. Und jetzt nehmen Sie sich mal so was wie Krefeld, Mönchengladbach am Niederrhein oder - also es ist mehr als die Hälfte der Oberzentren, die hat keinen Fernverkehr. Und die Raumordnung, die dafür zuständig ist, dass - ich sag' mal: jedes Kaff einen Autobahnanschluss kriegt und die da immer drauf pocht, diese Raumordnung kümmert sich einen Dreck um den Schienenverkehr."
Heiner Monheim fordert seit Jahren eine nachhaltige, ökologische Verkehrspolitik. Und die sei eben nur mit einer Bahn möglich, die dem Gemeinwohl verpflichtet sei, nicht dem Gewinn.
"Das ist das Grundübel dieser ganzen Geschichte: Wir reden überhaupt nicht mehr über Verkehrspolitik, wir reden überhaupt nicht mehr darüber, was wir für eine Bahn brauchen, sondern wir reden über irgendwelche Organisationsmodelle wie wir die Privaten da rein kriegen - mit Sicherheit nicht als mildtätige Spender, die dann dafür sorgen, dass wir eine viel, viel bessere Bahn und viel mehr Bahn kriegen."
"Sie werden halt die großen Rationalisierer sein, sie werden fragen: Was kostet, und was bringt? So, bringen tun es die Rennstrecken zwischen den großen Metropolen, das ist so deren Philosophie. Also werden sie sich auf die Hauptachsen und Hauptkorridore konzentrieren. Das ist eine Katastrophe! Das bedeutet eine Fortsetzung des Rückzugskurses, den wir jetzt seit 15 Jahren schon erleben. Und Herr Mehdorn feiert da irgendwelche Jubelarien, als wär' die Bahn ein super Unternehmen. Wir haben neun Milliarden investiert und kriegen einen sinkenden Marktanteil dabei heraus - warum? Weil wir die Fläche total vernachlässigen."
Tatsächlich ist die Zahl der Bahnreisenden im Fernverkehr nach Berechnungen der KCW seit dem Aus für den InterRegio um rund 25 Millionen zurückgegangen. Die Bahn dementiert diese Zahl. Tatsache ist aber, dass es in der Provinz von Fahrplanwechsel zu Fahrplanwechsel schwieriger wird, eine passende Zugverbindung zu finden. Zu der praktischen Enttäuschung der Kunden kommt - vor allem bei der SPD - die politische Enttäuschung der Basis über das Privatisierungsmodell der eigenen Partei. Was die Bundesführung der SPD als Erfolg preist, ist aus Sicht der einfachen Parteimitglieder Verrat am Gemeinwohl. Die Stimmung beschreibt Theo Tekaat, der im SPD-Unterbezirk Mainz ein nahezu einstimmiges Votum gegen den Börsengang der Bahn herbeigeführt hat:
"Wir sind tief enttäuscht. Wir haben uns seit zwei Jahren dafür eingesetzt, dass keine privaten Investoren Zugriff auf dieses wichtige Infrastrukturunternehmen bekommen - und jetzt steigen private Unternehmen ein und ändern das Unternehmensziel. Jetzt geht es um Profite und nicht mehr um die Versorgung der Bevölkerung mit einem flächendeckenden Verkehrssystem."
In seinem Mainzer Dienstzimmer legt der rheinland-pfälzische Wirtschafts- und Verkehrsminister Hendrik Hering bei solcher Kritik die Stirn in sorgenvolle Falten. Er weiß dass die Bahn eigentlich eine Einrichtung der Daseinsvorsorge sein soll - einerseits. Andererseits findet er, dass das Unternehmen das frische Geld von den privaten Kapitalgebern braucht, um seine Zukunft gestalten zu können. Und so setzt er darauf, dass verbindliche Vorgaben zur Flächenversorgung so gestaltet werden können, dass sie potenzielle Investoren nicht von vornherein abschrecken. Und darauf, dass sich langfristig Gewinnstreben und guter Service miteinander vereinbaren lassen.
"Es soll, das ist wichtig, im Vorfeld der Teilprivatisierung festgelegt werden, in welchem Umfang Gemeinwohlverpflichtungen erfüllt werden. Und dann können damit die potenziellen Anleger auch kalkulieren. Ich halte es dauerhaft betriebswirtschaftlich auch für sinnvoller, dass Sorge getragen wird, dass wir ein attraktives Bahnangebot haben. Nur das kann dauerhaft betriebswirtschaftlich auch sinnvoll sein, denn es muss so attraktiv werden, dass mehr Bürgerinnen und Bürger die Bahn nutzen, und dann können dauerhaft auch mehr Einnahmen erzielt werden. Wenn ich die Angebote abbaue, dann wird die Nachfrage sich auch reduzieren."
Doch trotz der Skepsis in den Ländern - auch die Bundesregierung schätzt die Gefahr von weiteren Streckenstilllegungen im Zuge der Teilprivatisierung eher als gering ein. Man werde sich vertraglich entsprechend absichern, betont Verkehrsminister Tiefensee:
" Das eine ist, dass wir über einen Entschließungsantrag die Kriterien eines sogenannten Beteiligungsvertrages festlegen, der zwischen Bahn und Bund abzuschließen ist. Der legt zum Beispiel Fragen der Veräußerung, des Quorums und des integrierten Konzerns und dergleichen fest. Parallel diskutieren wir eine sogenannte leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, die sich darauf bezieht, die Infrastruktur zu sichern. Das ist nicht zuletzt all jenen wichtig, die sich für den Verkehr in der Fläche stark machen. "
Wie sich dies in der Praxis auswirken wird, bleibt dennoch abzuwarten. Auch bei der Perspektive für den künftigen Wettbewerb auf der Schiene sind manche Experten eher skeptisch. Denn am Grundproblem hat sich wenig geändert: auch wenn Gleise und Bahnhöfe weiterhin in Staatshand bleiben - Hauptnutzer ist und bleibt die Bahn.
Doch schon die Strombranche hat gezeigt: wenn Netz und Betrieb in einer Hand liegen, ist es mit dem Wettbewerb nicht weit her. Zumal es Überlegungen gibt, den teilprivatisierten Transportbereich von den gleichen Bahnvorständen leiten zu lassen wie die Holding, die für die Infrastruktur zuständig sein wird:
"Solange wir ein Holding-Dach haben, was von den Interessen der Betriebsgesellschaften beherrscht wird und auf die Infrastruktur per Weisung durchgreifen kann, werden wir keinen wirklich fairen Wettbewerb bekommen,"
warnt Berlins Finanzsenator. Doch zu der ordnungspolitisch saubersten Lösung - nämlich die klare Trennung von Netz und Transport in zwei jeweils völlig eigenständige Gesellschaften - konnte sich vor allem die SPD nicht durchringen. Der Druck der Bahngewerkschaft, so Thilo Sarrazin, sei zu groß gewesen:
"Die Transnet ist sehr stark mit der SPD verbunden. Das emotionale Argument der Transnet, man dürfe diesen großen nationalen Konzern jetzt nicht zerschlagen. Man müsse die Einheit bewahren auch zum Schutze von Arbeitnehmerinteressen - ich habe das jetzt nur einmal zitiert, ich halte das alles für unfundierten Quark - dieses Argument stößt in der SPD auf emotional offene Ohren. "
Und so wird sich die schwarz-rote Koalition am kommenden Montag auf einen Kompromiss einigen, der viele Unbekannte enthält - allen öffentlichen Beteuerungen zum Trotz. Die vielen wichtigen, aber noch offenen Details für die Teilprivatisierung müssen dann im Rekordtempo in den kommenden Wochen ausgearbeitet werden, denn schon im Herbst soll die Bahn an die Börse fahren.