Als der Deutschlandfunk vor 50 Jahren auf Sendung ging, ließ es sich Bundespräsident Heinrich Lübke nicht nehmen, die Eröffnungsansprache zu halten. Gerichtet an die Hörer in der DDR.
"Ich spreche in diesem Augenblick im Deutschlandfunk. Wir wissen genau, dass auch das Abhören einer Rundfunksendung, die von uns kommt, bei Ihnen nicht ohne Gefahren ist."
Womit er wohl Recht hatte. Gefahrlos konnten in Ost-Berlin nur die mithören, die im staatlichen Auftrag lauschten: die Damen und Herren beim Monitordienst, einer Abteilung von Radio DDR. Karl Obermanns arbeitete dort als Redakteur. Der bedächtige, graumelierte Mittfünfziger mit den freundlich dreinblickenden Augen ist heute Archivar im Deutschen Rundfunkarchiv.
"So ein normaler Frühdienst sah so aus, dass man morgens um sechs zum Beispiel eine Frühstrecke eines Hörfunkprogramms, ein Morgenmagazin vom RIAS oder vom Sender Freies Berlin oder vom Deutschlandfunk hörte, das selber in seinem Arbeitsraum mitschnitt - und interessante Themen, Beiträge, während das Programm noch lief, in referierender Form zu Papier zu bringen."
Für die Redakteure beim DDR-Radio etwa, die sich in ihren politischen Sendungen darauf stützten. Oder auch für Karl-Eduard von Schnitzler, der in seiner Fernsehsendung "Der Schwarze Kanal" die Mitschnitte aus dem Westfernsehen verwendete. Aber auch staatliche Stellen bis hinauf zum Zentralkomitee der SED lasen die Berichte des Monitordienstes, für die bis zu 40 festangestellte Mitarbeiter verantwortlich waren. Zu ihren wichtigsten Beobachtungsobjekten gehörte der Deutschlandfunk. Karl Obermanns.
"Der Deutschlandfunk deshalb, weil man ihn als einen relativ regierungsnahen Sender angesehen hat - aber der zweite Aspekt, glaube ich, ist der wichtigere: dass der Deutschlandfunk sich sehr stark mit Themen, die die DDR betrafen, die die deutsch-deutschen Beziehungen damals betrafen, beschäftigte."
Hier ist der Deutschlandfunk! Wir berichten aus dem Zeitgeschehen. Sie hören: Das Deutschlandecho.
Den staatlichen Lauschern in Ost-Berlin war der Sender aus Köln genauso wichtig wie die Fernsehprogramme von ARD und ZDF. Zumal die Radiosendungen auf Mittel- und Langwelle auch bis in die Regionen der DDR reichten, in die westlichen Fernsehsender nicht mehr hineinstrahlten. Etwa ins viel zitierte Tal der Ahnungslosen rund um Dresden oder nach Ost-Vorpommern. Auch dort hörte man beispielsweise die Kommentare von Werner Dassui.
Wer irgendwo auf der Welt darauf angewiesen wäre, sich ausschließlich aus dem Organ des Zentralkomitees der SED Neues Deutschland zu informieren, würde sich vermutlich von diesem Schlag mit der Agitationskeule nicht so bald wieder erholen.
Deshalb brachte der DLF ab 1965 eine neuartige Presseschau.
Eine Selbstbeschreibung aus "Ost-Berliner Zeitungen":
Sie heißt Aus Ost-Berliner Zeitungen und besteht aus kommentierenden Zitaten dieser Morgenzeitungen vom Tage.
Aus "Ostberliner Zeitungen" verlas also Artikel aus "Neuem Deutschland", "Berliner Zeitung" oder DDR-Regionalzeitungen - und stellte dann die westliche Sichtweise direkt dagegen:
.
Guten Morgen! Ganz unten auf Seite sieben liest man im "Neuen Deutschland" einen Artikel, keine 40 Zeilen lang, mit der Überschrift: Treffen von Weltreligionen für Sicherung des Friedens. Veranstaltung in Assisi auf Initiative des Papstes - Die SED, die sich so viel auf ihre Friedenspolitik zugute hält, schätzt Friedensaktivitäten anderer offenbar gering. In westlichen Medien gehört das Friedensgebet von Assisi heute zu den wichtigsten Schlagzeilen.
Damit konterkarierte die Sendung das Meinungsmonopol der SED - eine Säule ihrer Macht. Und so reagierte die Ost-Berliner Monitorredaktion hellwach.
"Diese Presseschau "Aus Ost-Berliner Zeitungen", die wurde auch jeden Morgen protokolliert. Die wurde nicht nur aufgezeichnet, sondern da wurde auch jedes Mal ein wörtliches Protokoll angefertigt."
Auch technisch betrieb der Monitordienst einen gewaltigen Aufwand. Das begann schon mit dem Problem, einen Sender überhaupt zu hören.
"Der Deutschlandfunk war zum Beispiel in Berlin nicht empfangbar, und diese weit abgelegenen Stationen, die mussten also an der DDR-Grenze empfangen werden - da gab's so eine Art Fernsehturm, die also die Programme für Redaktion Monitor empfangen haben und dann per Leitung ins Funkhaus weitergegeben haben."
Auf dem Kyffhäuserberg in Thüringen stand dieser Empfangsturm; sogar die UKW-Programme von WDR und Südwestfunk konnte man hier abhören. Karl Obermanns hat gerade in den achtziger Jahren beim Monitordienst gearbeitet. Allerdings nicht als Kalter Krieger, wie er betont. Er hoffte stattdessen, zu einem Wandel in der DDR beitragen zu können.
"Dass man ja selber zunehmend immer so die Illusion hatte, dass man mit diesen Informationsdiensten, die ja auch das Haus verließen und auch an die Schaltstellen der Macht in der DDR gingen, dass man dachte, dass es vielleicht doch ein bisschen Nachdenklichkeit bewirkt, und vielleicht auch die Bereitschaft für Veränderungen - aber das hat sich ja letztlich als Illusion erwiesen."
Heute ist vom DDR-Monitordienst nicht viel mehr geblieben als ein Archiv. Dieses ist allerdings mit seinen über 5000 Tonbändern nach wie vor von Interesse, denn es birgt echte Raritäten.
"Wir haben ja beim Deutschlandfunk zum Beispiel festgestellt, dass im Deutschlandfunk selber die Eröffnungsrede zum Beginn des Programms 1962 von dem damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke nicht mehr überliefert war - aber bei uns im Monitorbestand konnten wir das noch finden."
"Ich spreche in diesem Augenblick im Deutschlandfunk. Wir wissen genau, dass auch das Abhören einer Rundfunksendung, die von uns kommt, bei Ihnen nicht ohne Gefahren ist."
Womit er wohl Recht hatte. Gefahrlos konnten in Ost-Berlin nur die mithören, die im staatlichen Auftrag lauschten: die Damen und Herren beim Monitordienst, einer Abteilung von Radio DDR. Karl Obermanns arbeitete dort als Redakteur. Der bedächtige, graumelierte Mittfünfziger mit den freundlich dreinblickenden Augen ist heute Archivar im Deutschen Rundfunkarchiv.
"So ein normaler Frühdienst sah so aus, dass man morgens um sechs zum Beispiel eine Frühstrecke eines Hörfunkprogramms, ein Morgenmagazin vom RIAS oder vom Sender Freies Berlin oder vom Deutschlandfunk hörte, das selber in seinem Arbeitsraum mitschnitt - und interessante Themen, Beiträge, während das Programm noch lief, in referierender Form zu Papier zu bringen."
Für die Redakteure beim DDR-Radio etwa, die sich in ihren politischen Sendungen darauf stützten. Oder auch für Karl-Eduard von Schnitzler, der in seiner Fernsehsendung "Der Schwarze Kanal" die Mitschnitte aus dem Westfernsehen verwendete. Aber auch staatliche Stellen bis hinauf zum Zentralkomitee der SED lasen die Berichte des Monitordienstes, für die bis zu 40 festangestellte Mitarbeiter verantwortlich waren. Zu ihren wichtigsten Beobachtungsobjekten gehörte der Deutschlandfunk. Karl Obermanns.
"Der Deutschlandfunk deshalb, weil man ihn als einen relativ regierungsnahen Sender angesehen hat - aber der zweite Aspekt, glaube ich, ist der wichtigere: dass der Deutschlandfunk sich sehr stark mit Themen, die die DDR betrafen, die die deutsch-deutschen Beziehungen damals betrafen, beschäftigte."
Hier ist der Deutschlandfunk! Wir berichten aus dem Zeitgeschehen. Sie hören: Das Deutschlandecho.
Den staatlichen Lauschern in Ost-Berlin war der Sender aus Köln genauso wichtig wie die Fernsehprogramme von ARD und ZDF. Zumal die Radiosendungen auf Mittel- und Langwelle auch bis in die Regionen der DDR reichten, in die westlichen Fernsehsender nicht mehr hineinstrahlten. Etwa ins viel zitierte Tal der Ahnungslosen rund um Dresden oder nach Ost-Vorpommern. Auch dort hörte man beispielsweise die Kommentare von Werner Dassui.
Wer irgendwo auf der Welt darauf angewiesen wäre, sich ausschließlich aus dem Organ des Zentralkomitees der SED Neues Deutschland zu informieren, würde sich vermutlich von diesem Schlag mit der Agitationskeule nicht so bald wieder erholen.
Deshalb brachte der DLF ab 1965 eine neuartige Presseschau.
Eine Selbstbeschreibung aus "Ost-Berliner Zeitungen":
Sie heißt Aus Ost-Berliner Zeitungen und besteht aus kommentierenden Zitaten dieser Morgenzeitungen vom Tage.
Aus "Ostberliner Zeitungen" verlas also Artikel aus "Neuem Deutschland", "Berliner Zeitung" oder DDR-Regionalzeitungen - und stellte dann die westliche Sichtweise direkt dagegen:
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Guten Morgen! Ganz unten auf Seite sieben liest man im "Neuen Deutschland" einen Artikel, keine 40 Zeilen lang, mit der Überschrift: Treffen von Weltreligionen für Sicherung des Friedens. Veranstaltung in Assisi auf Initiative des Papstes - Die SED, die sich so viel auf ihre Friedenspolitik zugute hält, schätzt Friedensaktivitäten anderer offenbar gering. In westlichen Medien gehört das Friedensgebet von Assisi heute zu den wichtigsten Schlagzeilen.
Damit konterkarierte die Sendung das Meinungsmonopol der SED - eine Säule ihrer Macht. Und so reagierte die Ost-Berliner Monitorredaktion hellwach.
"Diese Presseschau "Aus Ost-Berliner Zeitungen", die wurde auch jeden Morgen protokolliert. Die wurde nicht nur aufgezeichnet, sondern da wurde auch jedes Mal ein wörtliches Protokoll angefertigt."
Auch technisch betrieb der Monitordienst einen gewaltigen Aufwand. Das begann schon mit dem Problem, einen Sender überhaupt zu hören.
"Der Deutschlandfunk war zum Beispiel in Berlin nicht empfangbar, und diese weit abgelegenen Stationen, die mussten also an der DDR-Grenze empfangen werden - da gab's so eine Art Fernsehturm, die also die Programme für Redaktion Monitor empfangen haben und dann per Leitung ins Funkhaus weitergegeben haben."
Auf dem Kyffhäuserberg in Thüringen stand dieser Empfangsturm; sogar die UKW-Programme von WDR und Südwestfunk konnte man hier abhören. Karl Obermanns hat gerade in den achtziger Jahren beim Monitordienst gearbeitet. Allerdings nicht als Kalter Krieger, wie er betont. Er hoffte stattdessen, zu einem Wandel in der DDR beitragen zu können.
"Dass man ja selber zunehmend immer so die Illusion hatte, dass man mit diesen Informationsdiensten, die ja auch das Haus verließen und auch an die Schaltstellen der Macht in der DDR gingen, dass man dachte, dass es vielleicht doch ein bisschen Nachdenklichkeit bewirkt, und vielleicht auch die Bereitschaft für Veränderungen - aber das hat sich ja letztlich als Illusion erwiesen."
Heute ist vom DDR-Monitordienst nicht viel mehr geblieben als ein Archiv. Dieses ist allerdings mit seinen über 5000 Tonbändern nach wie vor von Interesse, denn es birgt echte Raritäten.
"Wir haben ja beim Deutschlandfunk zum Beispiel festgestellt, dass im Deutschlandfunk selber die Eröffnungsrede zum Beginn des Programms 1962 von dem damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke nicht mehr überliefert war - aber bei uns im Monitorbestand konnten wir das noch finden."