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Staatliche Einflussnahme
IOC-Entscheidung über Italien naht

Das IOC verlangt von Italien eine klarere Selbständigkeit des Sports von den staatlichen Strukturen. Es droht ein Entzug von Hymne und Flagge bei den Spielen in Tokio - die Entscheidung soll am Mittwoch fallen.

Von Jörg Seisselberg | 26.01.2021
Das Logo des Italienischen NOK
Das Logo des Italienischen NOK (www.imago-images.de)
Italiens Sport hat mit Furcht auf diesen Tag geguckt. Giovanni Malagò, Chef des Nationalen Olympischen Komitees, räumt ein: "Es ist klar, dass wir diesen 27. Januar als Damoklesschwert ansehen."

"Unsere Rechtssituation ist total irregulär"

Ob das Schwert auf Italiens Sport herabsaust, entscheidet das IOC. Unermüdlich ist Malagò in den vergangenen Wochen durchs Land gezogen im Streit um die Finanzierung des Sports. Er hat gewarnt vor der Gefahr, dass Italien bei Olympia droht als No-Name-Nation antreten zu müssen, ohne Hymne und ohne Fahne. Rom säße faktisch auf der Sünderbank des olympischen Sports, Seite an Seite zum Beispiel mit Dopingsünder Russland.
Grund ist, dass der Sport im Land von der Regierung abhängig ist – so der Vorwurf des IOC. Und Malagò gibt den Anklägern in Lausanne Recht: "Diese surreale, sehr italienische Situation kennt unserer Sportwelt hier schon lange – und jetzt auch die breite Öffentlichkeit. Wir sind in einer konfusen Rechtssituation, die total irregulär ist in Bezug auf die internationalen Regeln."

Große Machtbefugnisse für Quasi-Behörde im Sport

Stein des Anstoßes ist die Einrichtung Sport e Salute, übersetzt Sport und Gesundheit. Sie ist eine Quasi-Behörde, die vor zwei Jahren von der Regierung in Rom mit weitrechenden Machtbefugnissen ausgestattet wurde. Sie gehört zu 100 Prozent dem Finanzministerium, ist also vollständig in staatlicher Hand. An der Spitze wurde ein Mann der größten Regierungspartei, der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, platziert. Zuständig ist Sport e Salute unter anderem dafür, Millionengelder im Sport zu verteilen, beispielsweise an die einzelnen Verbände. Das Ganze nach Gutdünken der Regierung, kritisiert das IOC.
Das Nationale Olympische Komitee Italiens, durch die neue Behörde quasi entmachtet, sieht dies ähnlich. Aber: In den Stunden vor der drohenden Degradierung, hat sich in Rom noch etwas bewegt. In seiner letzten Sitzung vor der Regierungskrise hat das Kabinett ein Dekret beschlossen, das die Autonomie des italienischen Sports künftig wieder sicherstellen soll. NOK-Chef Malagò zeigt sich in einer ersten Reaktion zufrieden. Das letzte Wort aber hat das IOC.