Die Bundeswehr darf keine Armee wie jede andere sein. Und das ist ihr Problem genauso, wie es das Problem der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit ist.
Deutsche Soldaten führen am Hindukusch in bleihaltiger Luft Krieg; sie fallen bisweilen auf den zerklüfteten Schlachtfeldern. Aber die Politiker zuhause – genau die, die alle Jahre wieder das Afghanistan-Mandat erneuern – vermeiden drei Worte geflissentlich: nämlich "Krieg", "Schlachtfeld" und "gefallen".
Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg hat die scheinheilig-feige Polit-Semantik neuerdings auf ein bisschen mehr Realismus getrimmt. Und doch wird die Bundeswehr zwischen gesellschaftlichem Anspruch und militärischer Wirklichkeit regelmäßig zerrieben ...
Der hehre Anspruch manifestiert sich seit Anfang der 50er-Jahre im Konzept der "Inneren Führung" – gleichwohl musste der Wehrbeauftragte Helmut Königshaus im neuesten Wehrbericht wieder einmal erhebliche Führungsschwächen bemängeln: Es kam zu Schikanen, Beleidigungen, Straftaten.
Man könnte auch sagen: Ein weiteres Mal wurde offenbar, dass sich die Struktur von Befehl und Gehorsam, die nach militärischer Logik tatsächlich alternativlos ist, eben nicht restlos mit zivilen Standards und zumal den Rechtsstandards der Demokratie verbinden lässt. Die Bundeswehr ist sicher kein Staat im Staate, aber geistig und mental sehr wohl ein Sperrbezirk.
Der deutsche Soldat soll kein vulgärer Krieger sein, sondern ein "Staatsbürger in Uniform". Gleichwohl berichtet "Spiegel online" unter dem Titel "Spindsaufen, Schweineleber, Stromschläge" von den damals wie heute beliebten Schmuddel-, Demütigungs- und Gewalt-Ritualen der unteren Chargen.
Denn tatsächlich ist die Bundeswehr im Alltag genau das, was sie nicht sein darf: Eine normale Armee samt allen Eigenheiten und Bizarrerien, die seit jeher im Militär zuhause sind – mal mehr, mal weniger, aber immer zuhause.
Die Geschichte, soweit sie keine Propaganda-Geschichte ist, berichtet jedenfalls von keinem größeren Krieg ohne Gewaltexzesse an Zivilisten und Kriegsgefangenen, ohne Kollateralschäden jeglicher Art; sie berichtet von keiner Armee, die frei von schäbigen Ritualen ihrer Angehörigen – auch untereinander – gewesen wäre. Kurz: Die Geschichte berichtet von keiner Armee, die sich als Heilsarmee entpuppt hätte, und von keinem einzigen sauberen Krieg ...
Zwar haben versunkene Staaten wie Preußen Offizieren eine gute Platzierung in der gesellschaftlichen Hierarchie zugebilligt – aber auch das preußische Heer war beileibe kein Trupp von charakterfesten, smarten Supermännern, sondern ein Schauplatz des Drills und eine Brutstätte des Kadavergehorsams. Wer wissen will, wie total das Soldatenhandwerk schon damals gedacht wurde, lese Clausewitz "Vom Kriege".
Viele Deutsche indessen – gerade die Politiker, die sich bei Missständen obligatorisch empören – träumen offenbar von einer Bundeswehr, in der lauter schneidig-souveräne zu Guttenberg-Klone Dienst tun, uniformierte Ideal-Bürger, die sich darauf verstehen sollen, Kriege zu führen, ohne jemandem wehzutun, die im Projektil-Hagel gelassen und beim promilleseligen Kameradschaftsabend psychisch stabil bleiben und sich sowieso stets hilfreich, edel und gut verhalten.
Wer indessen bei der Formalausbildung – so heißt das Exerzieren in der Bundeswehr – jemals wieder und wieder auf die Stube geschickt wurde, um noch einmal seine Stiefel zu polieren, sie aber dort nie poliert hat, und beim dritten Stiefel-Vorstellen vom Unteroffizier trotzdem für die nun endlich blendende Verfassung des Leders gelobt wurde, der weiß: Schon im Allerkleinsten ist das Militär eine Paralleluniversum und niemand frage nach Sinn und Verstand ...
Dienstvergehen sind wie in jeder Branche so auch im Militär natürlich zu ahnden. Doch es wäre an der Zeit, dass das deutsche Publikum bei der Beurteilung seiner Bundeswehr das unaufhebbare Entweder-Oder erkennt: Entweder man will seine Hände in pazifistischer Unschuld waschen – dann war das Afghanistan-Mandat ein böser Irrtum von Anfang an –, oder man will eine Armee, die im Zweifel Kriege gewinnt – dann muss man manches Unappetitliche akzeptieren.
Nur eines kann nicht klappen, weder für Politiker noch für Wähler: Soldaten in den Krieg schicken und gleichzeitig die Unschuld bewahren.
Deutsche Soldaten führen am Hindukusch in bleihaltiger Luft Krieg; sie fallen bisweilen auf den zerklüfteten Schlachtfeldern. Aber die Politiker zuhause – genau die, die alle Jahre wieder das Afghanistan-Mandat erneuern – vermeiden drei Worte geflissentlich: nämlich "Krieg", "Schlachtfeld" und "gefallen".
Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg hat die scheinheilig-feige Polit-Semantik neuerdings auf ein bisschen mehr Realismus getrimmt. Und doch wird die Bundeswehr zwischen gesellschaftlichem Anspruch und militärischer Wirklichkeit regelmäßig zerrieben ...
Der hehre Anspruch manifestiert sich seit Anfang der 50er-Jahre im Konzept der "Inneren Führung" – gleichwohl musste der Wehrbeauftragte Helmut Königshaus im neuesten Wehrbericht wieder einmal erhebliche Führungsschwächen bemängeln: Es kam zu Schikanen, Beleidigungen, Straftaten.
Man könnte auch sagen: Ein weiteres Mal wurde offenbar, dass sich die Struktur von Befehl und Gehorsam, die nach militärischer Logik tatsächlich alternativlos ist, eben nicht restlos mit zivilen Standards und zumal den Rechtsstandards der Demokratie verbinden lässt. Die Bundeswehr ist sicher kein Staat im Staate, aber geistig und mental sehr wohl ein Sperrbezirk.
Der deutsche Soldat soll kein vulgärer Krieger sein, sondern ein "Staatsbürger in Uniform". Gleichwohl berichtet "Spiegel online" unter dem Titel "Spindsaufen, Schweineleber, Stromschläge" von den damals wie heute beliebten Schmuddel-, Demütigungs- und Gewalt-Ritualen der unteren Chargen.
Denn tatsächlich ist die Bundeswehr im Alltag genau das, was sie nicht sein darf: Eine normale Armee samt allen Eigenheiten und Bizarrerien, die seit jeher im Militär zuhause sind – mal mehr, mal weniger, aber immer zuhause.
Die Geschichte, soweit sie keine Propaganda-Geschichte ist, berichtet jedenfalls von keinem größeren Krieg ohne Gewaltexzesse an Zivilisten und Kriegsgefangenen, ohne Kollateralschäden jeglicher Art; sie berichtet von keiner Armee, die frei von schäbigen Ritualen ihrer Angehörigen – auch untereinander – gewesen wäre. Kurz: Die Geschichte berichtet von keiner Armee, die sich als Heilsarmee entpuppt hätte, und von keinem einzigen sauberen Krieg ...
Zwar haben versunkene Staaten wie Preußen Offizieren eine gute Platzierung in der gesellschaftlichen Hierarchie zugebilligt – aber auch das preußische Heer war beileibe kein Trupp von charakterfesten, smarten Supermännern, sondern ein Schauplatz des Drills und eine Brutstätte des Kadavergehorsams. Wer wissen will, wie total das Soldatenhandwerk schon damals gedacht wurde, lese Clausewitz "Vom Kriege".
Viele Deutsche indessen – gerade die Politiker, die sich bei Missständen obligatorisch empören – träumen offenbar von einer Bundeswehr, in der lauter schneidig-souveräne zu Guttenberg-Klone Dienst tun, uniformierte Ideal-Bürger, die sich darauf verstehen sollen, Kriege zu führen, ohne jemandem wehzutun, die im Projektil-Hagel gelassen und beim promilleseligen Kameradschaftsabend psychisch stabil bleiben und sich sowieso stets hilfreich, edel und gut verhalten.
Wer indessen bei der Formalausbildung – so heißt das Exerzieren in der Bundeswehr – jemals wieder und wieder auf die Stube geschickt wurde, um noch einmal seine Stiefel zu polieren, sie aber dort nie poliert hat, und beim dritten Stiefel-Vorstellen vom Unteroffizier trotzdem für die nun endlich blendende Verfassung des Leders gelobt wurde, der weiß: Schon im Allerkleinsten ist das Militär eine Paralleluniversum und niemand frage nach Sinn und Verstand ...
Dienstvergehen sind wie in jeder Branche so auch im Militär natürlich zu ahnden. Doch es wäre an der Zeit, dass das deutsche Publikum bei der Beurteilung seiner Bundeswehr das unaufhebbare Entweder-Oder erkennt: Entweder man will seine Hände in pazifistischer Unschuld waschen – dann war das Afghanistan-Mandat ein böser Irrtum von Anfang an –, oder man will eine Armee, die im Zweifel Kriege gewinnt – dann muss man manches Unappetitliche akzeptieren.
Nur eines kann nicht klappen, weder für Politiker noch für Wähler: Soldaten in den Krieg schicken und gleichzeitig die Unschuld bewahren.