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Staatsgelder für italienische Zeitungen

Jedes Jahr gibt der italienische Staat etliche Millionen Euro für Zeitungen aus. Damit soll, so heißt es im Zeitungsfinanzierungsgesetz, die Meinungsvielfalt gesichert werden. Bedacht werden aber nur Printmedien, die die Organe einer politischen Partei oder einer Gruppe von Politikern oder Abgeordneten sind. Darüber und über die undurchsichtige Vergabepraxis gibt es Streit in der Medienbranche.

Von Thomas Migge |
    " Da gibt es nur eine Antwort: wir bekommen nichts. Nicht einen Cent. Und dass, obwohl wir die Interessen vieler Italiener vertreten, sie sich über soziale Themen informieren wollen. Doch wir gehen leer aus. Wir können nur hoffen, dass sich das irgendwann ändern wird."

    Enrico Polimente ist Redakteur der Wochenzeitung "Casa". Eine kleine Zeitung mit einer Auflage von nur 10.000 Exemplaren. "Casa" beschäftigt sich vor allem mit den Problemen wohnungssuchender Italiener. Ein großes soziales Problem, denn immer mehr Italiener sind gezwungen, leer stehende Häuser zu besetzen, weil sie keinen Wohnraum finden oder nicht das Geld für die im europäischen Durchschnitt extrem teuren Mietwohnungen haben. "Casa" ist eine der Zeitschriften, die vom Geldsegen des Staates nicht profitiert, weil sie keiner Partei nahe steht. Enrico Polimente:

    " Unser Problem in punkto Zeitungen besteht darin, dass es keine echte Konkurrenz gibt, denn der Staat finanziert zu einem großen Teil die italienischen Printmedien. Das sind staatliche Überweisungen, die hoch ausfallen. Nehmen wir nur das Beispiel der linksdemokratischen Tageszeitung 'Unità': sie erhält pro Jahr ganze 6,8 Millionen Euro! Das Geld könnte man doch wohl anders ausgeben. "

    Die linke Zeitung "Unità" ist Rekordhalter bei der staatlichen Zeitungen-Finanzierung. Jedes Jahr gibt der Staat dutzende von Millionen Euro für Zeitungen aus. Damit soll, so heißt es im Zeitungsfinanzierungsgesetz, die Meinungsvielfalt in den Printmedien gesichert werden. Ein Gesetz mit einem sehr demokratischen Hintergrund, erklärt Francesco Cossiga, Christdemokrat und ehemaliger Staatspräsident:

    " Ich bin einer jener Politiker, die fest davon überzeugt sind, dass innerhalb einer Demokratie die absolute Meinungsvielfalt herrschen muss. Deshalb haben wir vor Jahren das Gesetz zur staatliche Mitfinanzierung der Printmedien verabschiedet. Ja, da wird viel Geld ausgegeben und es gibt sicherlich Unterschiede in den Zuwendungen, die ausgeglichen werden müssen, aber dank dieses Gesetzes können auch kleine Zeitungen überleben. Ein sicherlich eigentümliches Gesetz, aber sehr wichtig. "

    Ein Gesetz, das aber nur bei jenen Zeitungen Frohlocken hervorruft, die einen politischen Hintergrund haben. Nur Printmedien, die die Organe einer politischen Partei oder einer Gruppe von Politikern oder Abgeordneten sind, erhält eine finanzielle Unterstützung. So bekommt "Avanti!", die Tageszeitung der Sozialisten, 602 Tausend Euro im Jahr. Die linkchristdemokratische Zeitung "Europa" erhält stolze 3,1 Millionen Euro. "Liberazione", das Organ der Kommunisten, bekommt 3,7 Millionen Euro und "La Padania", die Zeitung der rechten Partei Lega Nord, nimmt dank des Gesetzes sogar 4 Millionen Euro ein.

    Ein Skandal, schimpfte vor kurzem Milena Gabanelli, Chefredakteurin der Reportagesendung "Report" im dritten Kanal des Staatsfernsehens RAI. Ein Skandal, so die Journalistin, weil die Höhe der staatlichen Gelder für die einzelnen Printmedien nach vollkommen undurchsichtigen Kriterien festgelegt werden:

    " Diese Undurchsichtigkeit bei der Vergabe der Gelder hat immer schon existiert. Parteizeitungen erhalten sehr unterschiedliche Geldspritzen. Ich habe den Eindruck, dass diejenigen Zeitungen mehr Gelder erhalten, die bessere Kontakte zur Regierung haben. Ein Unding, denn man sollte diese Finanzierung nach den konkreten finanziellen Problemen einer Zeitung ausrichten. Das aktuelle System ist ungerecht. "

    Ungerecht auch deshalb, weil so manche Zeitung nur deshalb gegründet wird - es handelt sich hierbei um Blätter mit kleinen Auflagen, die nur in wenigen Städten verkauft werden - damit einige Lokalpolitiker in den Genuss zusätzlicher Finanzmittel kommen. Die Reportagesendung von Milena Gabanelli enthüllte, dass viele Zeitungen nur als Geldbeschaffungsmaschinen fungieren: das auf diese Weise eingenommene Geld wird dann für die Wahlkampagnen von Politikern ausgegeben. Jede Kritik am aktuellen Zeitungsfinanzierungsgesetz wird als "Angriff auf die Meinungsfreiheit" abgewiesen.

    In den ersten Tagen nach dem Wahlsieg von Romano Prodi hieß es zunächst, dass man diesem Finanzierungsunwesen schnell ein Ende machen werde. Von einer Reform des Zeitungsfinanzierungsgesetzes war die Rede. Doch es bleibt alles beim alten: In den nächsten Tagen werden wieder rund 45 Millionen Euro an Parteizeitungen ausgeschüttet.