Mittwoch, 17. April 2024

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Staatskrise in Thailand
Westen verurteilt Militärputsch

Nach der Machtübernahme des Militärs in Thailand verurteilt der Westen den Putsch einhellig. Deutschland, Frankreich und die EU fordern die Streitkräfte zur Zurückhaltung auf. Die Armee will die Ordnung in dem südostasiatischen Land wiederherstellen - und hat die Verfassung außer Kraft gesetzt.

22.05.2014
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, er lehne die Machtübernahme des thailändischen Militärs ab. "Die Verantwortlichen müssen umgehend zu einem politischen Prozess zurückkehren", teilte der Minister mit. Die Armeeführung müsse den Dialog der politischen Kräfte in Thailand wieder in Gang bringen und Neuwahlen in die Wege leiten. Zudem rief er die Machthaber auf, die verfassungsrechtlichen Grundfreiheiten zu garantieren, darunter auch die Pressefreiheit. Deutschen in Thailand riet er, "Menschenansammlungen zu meiden".
    Auch Frankreichs Präsident François Hollande forderte eine sofortige Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung. Ähnlich äußerte sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Sie zeigte sich "extrem besorgt". Wichtig seien nun rasche "glaubwürdige Neuwahlen". Die USA kündigten an, ihre militärische Zusammenarbeit mit dem asiatischen Land überprüfen zu wollen. Davon betroffen sei auch ein Manöver in Thailand, an dem zurzeit 700 US-Soldaten beteiligt seien, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon plädierte er für einen politischen Dialog aller Konfliktparteien, um "den Weg für einen dauerhaften Frieden und Wohlstand zu ebnen."
    Militär verhängt nächtliche Ausgangssperre
    In einer Fernsehansprache hatte Armeechef Prayuth Chan-ocha verkündet, die Streitkräfte hätten die Kontrolle über die Regierung übernehmen müssen, um weitere politische Gewalt zu vermeiden und das Land schnell zur Normalität zurückzuführen. Die Bevölkerung rief er zur Zurückhaltung auf. Die Entscheidung werde die internationalen Beziehungen Thailands nicht beeinflussen, erklärte der Armeechef. Das Militär setzte umgehend die Verfassung von 2007 außer Kraft und verhängte eine Ausgangssperre, die von 22 Uhr bis 5 Uhr gelten soll. Im Land gelte weiter Kriegsrecht, erklärte ein Armeesprecher. Es erlaubt den Soldaten unter anderem, Kundgebungen zu stoppen und Menschen ohne Haftbefehl festzunehmen.
    Thailändische Soldaten patrouillieren am 22.05.2014, nachdem der Armeechef sich mit Regierungsanhängern und -gegnern in Bangkok getroffen hat.
    In Thailand hat die Armee nun die Regierungsgewalt übernommen - in der Hauptstadt Bangkok marschieren Soldaten. (afp / Pornchai Kittiwongsakul)
    Die Machtergreifung der Armee verlief ohne Waffengewalt. Im Einkaufsviertel von Bangkoks Innenstadt waren keine Panzer zu sehen. Allerdings positionierten sich Hunderte Soldaten an den Kundgebungsstätten von Regierungsanhängern und -gegnern. Die Armee befahl allen Radio- und Fernsehsendern des Landes, ihr Programm zu unterbrechen und nur noch Sendungen des Militärs auszustrahlen. Das Volk müsse fortlaufend mit den wichtigen Neuigkeiten versorgt werden, sagte ein Militärsprecher zur Begründung. Die Demonstranten wurden angewiesen, nach Hause zu gehen.
    Massives Truppenaufgebot in Bangkok
    Prayuth hatte in den vergangenen Tagen vergeblich versucht, die zerstrittenen politischen Lager zu Kompromissen und einer einvernehmlichen Lösung der Staatskrise zu bewegen. Unmittelbar vor seiner Ansprache führten Soldaten den Anführer der Regierungsproteste, Suthep Thaugsuban, ab, nachdem die Armee zwischen den rivalisierenden Parteien zu vermitteln versuchte. Unklar ist, ob er festgenommen wurde. In Bangkok wurden die Truppen massiv verstärkt.
    Zuvor hatte sich der geschäftsführende Premierminister geweigert, zurückzutreten, um einer Übergangsregierung Platz zu machen. Dies hat möglicherweise den Putsch ausgelöst. Am Dienstag hatte das Militär noch erklärt, die Ausrufung des Kriegsrechts solle keinen Militärputsch einleiten. Vielmehr sollten auf diese Weise "Frieden und Ordnung aufrechterhalten" werden. Im In- und Ausland hatte der Schritt scharfe Kritik ausgelöst.
    Seit November Massenproteste gegen die Regierung
    Während die thailändische Regierung auf baldige Neuwahlen bestand, forderte die Opposition einen ungewählten Rat, der die Regierungsgeschäfte übernehmen sollte. Seit November versuchen die außerparlamentarischen Regierungsgegner, die Führung mit Massenprotesten und Blockaden zu stürzen. 28 Menschen wurden seitdem getötet.
    Thailands abgesetzte Regierungschefin Yingluck Shinawatra
    Thailands abgesetzte Regierungschefin Yingluck Shinawatra (dpa / picture-alliance / Narong Sangnak)
    Die Bundesregierung rät Reisenden nach Thailand zu "erhöhter Wachsamkeit". Bislang verlaufe das öffentliche Leben in der Hauptstadt Bangkok weitgehend normal, doch die Lage könne sich rasch ändern, heißt es in den nach dem Putsch aktualisierten Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes. Aufgrund der nächtlichen Ausgangssperre müssten Reisende spätestens um 22 Uhr am Flughafen sein. Jedes Jahr machen Hunderttausende Deutsche Urlaub in Thailand.
    Seit Jahrzehnten immer wieder Putschversuche in Thailand
    Dort ist eine Militärherrschaft nichts Neues - in den vergangenen gut 80 Jahren putschte die Armee mehrfach. Vor der nun erfolgten Machtübernahme hatten die Streitkräfte im Jahr 2006 den damaligen Regierungschef Thaksin Shinawatra entmachtet, der mittlerweile im Exil lebt. Seine Schwester Yingluck Shinawatra war kürzlich wegen Amtsmissbrauchs von der Justiz abgesetzt worden.
    Die thailändische Gesellschaft ist tief gespalten. Die Führung hat großen Rückhalt bei der armen Bevölkerung in den ländlichen Regionen im Norden und Nordosten des Königreichs. Hinter den Regierungsgegnern stehen dagegen in erster Linie Royalisten, Geschäftsleute und Vertreter traditioneller Eliten aus Bangkok.
    (tj/sdö)