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Staatskünstler und Geächtete

In einer Woche starten die Olympischen Spiele in Peking mit einer Eröffnungsfeier, die von dem erfolgreichen Filmregisseur Zhang Yimou inszeniert wird. Doch es gibt Streit um die Zeremonie: Die chinesische Kunstszene ist gespalten, wie weit es politisch vertretbar ist, sich in den Dienst der chinesischen Regierung zu stellen.

Von Eva Mehl |
    Obwohl die Welt auf China blickt, bleibt die Frage der Menschenrechte ungeklärt. Die chinesische Kulturszene reagiert auf die rigide Haltung des Regimes gespalten: Bereits im Februar trat der amerikanische Regisseur Steven Spielberg wegen Chinas Rolle im Darfur-Konflikt als künstlerischer Berater für die Olympischen Spiele in Peking zurück. Sein Gewissen erlaube es nicht, in China ein solches Amt zu bekleiden.

    Der chinesische Künstler Cai Guoqiang hingegen hat anscheinend keine Skrupel, sich in den Dienst der Regierung zu stellen. Am 8. August wird er über dem Himmel von Peking ein spektakuläres Feuerwerk inszenieren. Der in New York lebende Cai Guoqiang ist durch seine Schiesspulverkunst international bekannt geworden. Mit seinen Feuerwerk-Performances hat er bereits in London, New York, Valencia, aber auch schon in Berlin für Furore gesorgt. Unter der Leitung des chinesischen Filmregisseurs Zhang Yimou ist Cai für die Spezialeffekte bei der Eröffnungs- und Abschlusszeremonie von Olympia zuständig. Er sieht die Spiele als Chance für China und für die Völkerverständigung.

    " Wenn man an die Olympischen Spiele denkt, sollte es doch darum gehen, dass die Weltgemeinschaft zusammen hält. Da soll man nicht fragen, wen oder was die Pekinger Regierung kontrolliert, und auch die Tibet-Frage sollte man hier nicht stellen. "

    Das sieht Ai Weiwei ganz anders. Er brachte im vergangenen Jahr 1001 Chinesen zur Documenta nach Kassel und machte sich damit einen Namen. Ai Weiwei, auch Photograph, Filmemacher und Architekt, gilt als einer der schärfsten Regime-Kritiker seiner Heimat. Zwar hat er die Schweizer Star-Architekten Herzog & de Meuron beim Bau des Nationalstadions beraten, doch heute distanziert er sich öffentlich von den Olympischen Spielen. Aus Protest will er die Eröffnungsfeier boykottieren:

    " Es ist doch ganz offensichtlich, dass die chinesische Regierung entgegen ihres Versprechens die Olympischen Spiele nicht zum Anlass genommen hat, für mehr Freiheit und Liberalisierung in China zu sorgen. Im Gegenteil, die Lage ist momentan noch viel angespannter und beengender. "

    Für diese öffentlichen Äußerungen bekommt Ai Weiwei keinen Besuch von der Geheimpolizei. Die Bekanntheit seines verstorbenen Vaters schützt ihn, ebenso wie sein internationaler Erfolg, heißt es. Andere Regimekritiker müssen Repressionen fürchten. "Die meisten Künstler halten sich aus der Politik und der Diskussion rund um die Olympischen Spiele raus", so die international erfolgreiche Photographin Xing Danwen. Sie arbeitet an einem Photoband über ihre eigene Generation, die Pekinger Kulturszene aus den 80er und 90er Jahren. Eine Zeit der Rebellion, die auch von der Zensur geprägt war. Im August 2008 gehen die Künstler nicht auf die Straße - die Angst vor Repressalien ist zu groß:

    " Uns, die wir unter den Nachwehen der Kulturrevolution aufgewachsen sind, ist eingetrichtert worden, dass es Probleme gibt, wenn man öffentlich seine Meinung äußert. Das hat sich tief in unsere Persönlichkeiten eingeprägt. Seit wir klein sind haben wir gelernt, dass wir politische Gedanken besser nicht thematisieren. "

    Wer dennoch wagt, die von der Partei vorgegebene Linie zu verlassen, dem droht die Zensur. Die tibetische Schriftstellerin Tsering Woeser sitzt in Peking unter Hausarrest. Auf ihrem Blog hat sie Bilder vom Dalai Lama veröffentlicht. Lou Ye, Chinas bekannter Arthouse-Regisseur, hat für seinen Film "Summer Palace" drei Jahre Berufsverbot bekommen. Auch der Film "Lost in Beijing" von Li Yu, auf der Berlinale groß gefeiert, ist in Peking verboten.

    Um in China als Künstler Erfolge feiern zu können, muss man mit der chinesischen Regierung kooperieren. Auch Cai Guoqiang durfte bis zum Jahr 2000 nicht in China ausstellen. Jetzt, da er die Eröffnungs- und Abschlusszeremonie für die Olympischen Spiele in Peking gestaltet, widmet ihm die Stadt ab dem 20. August eine Solo-Ausstellung im Pekinger Nationalmuseum. "20 Jahre Cai Guoqiang", die größte Ausstellung des Meisters bisher, noch größer als seine Schau im New Yorker Guggenheim Museum im Februar diesen Jahres. Der Titel der Ausstellung: "I want to believe". Nicht auszuschließen, dass die Retrospektive kulturelles Highlight der Olympischen Spiele in Peking wird.