Archiv


Stabhochsprung optimiert

Bei den Olympischen Sommerspielen in Athen geht es für die Sportler ums höher, schneller und weiter. Dabei bekommen einige der deutschen Athleten Unterstützung von der Sporthochschule in Köln. Dort geht man den Disziplinen wissenschaftlich auf den Grund. Mit genauer Beobachtung und verschiedenen Messmethoden will man die Bewegungsabläufe der Athleten zu optimieren. Ein besonderer Schwerpunkt ist dabei der Stabhochsprung.

Von Michael Karhausen |
    So funktioniert der Stabhochsprung im Idealfall: Der Athlet läuft an, rammt den Sprungstab in einen Einstichkasten, katapultiert sich nach oben, überquert die Latte, lässt den Stab zurückfallen und landet sanft auf der Matte. Ein Bewegungsablauf, der uns allen vom Zuschauen vertraut ist, der zugleich aber viel Stoff für die Wissenschaft bietet. An der Deutschen Sporthochschule in Köln nimmt Falk Schade den Stabhochsprung elektronisch ins Visier. Schade arbeitet als Biomechaniker für den Olympiastützpunkt Köln-Bonn-Leverkusen. Mit vier Kameras filmt er die Athleten aus verschiedenen Blickwinkeln und analysiert anschließend jeden Moment des Sprungs.

    Unter anderem stellen wir fest, wie stark der Stab gebogen worden ist. Und da gibt es Richtwerte, die wir auch entwickelt haben. Bei um die 28 Prozent Stabdurchbiegung kann man zum Beispiel sagen, da ist genug Energie in den Stab transferiert worden.
    Im Sprungstab steckt das Geheimnis des Erfolgs. Der Stab ist elastisch und speichert die Energie, die ihm der Athlet durch das Anlaufen zuführt. Diese Energie holt sich der Athlet wieder zurück - und zwar in dem Moment, in dem er sich über die Latte katapultieren lässt.
    Der Anlauf dient dazu, möglichst viel Energie zu erzeugen, dann zum Absprung hin eine optimale Position zu erreichen, die es ermöglicht, möglichst verlustfrei Energie auf den Stab zu übertragen. Dann wird der Stab in den Einstiegkasten eingestochen und fängt an, sich zu biegen. Mit der zunehmenden Biegung wird immer mehr Energie auf den Stab übertragen. Und der Betrag, um den sich die Energie des Athleten reduziert, um den Betrag erhöht sich sozusagen die Spannungsenergie im Stab.
    Doch es gibt noch einen Trick: Der Athlet kann dem Stab zusätzlich Energie zuführen. Dafür muss er den Stab direkt nach dem Absprung noch einmal leicht in sich verdrehen. Diese zusätzliche Energie gibt dem Athleten mehr Aufschwung und sorgt dafür, dass er die entscheidenden Zentimeter höher springt als die Konkurrenz.
    Um diesen Abläufen auf die Spur zu kommen, haben die Biomechaniker den Athleten auf den Punkt gebracht. Sie haben 18 Körperteile vermessen und markiert: vom Fußgelenk bis zur Fingerspitze. Der Stab bekommt als Teil des Sportlers einen Extrapunkt. Wenn die Kameras die Bewegungsabläufe des Springers filmen, berechnet der Computer die Bewegungsbahnen der einzelnen Körperteile. Die Wissenschaftler können so genau verfolgen, welche Energie wann freigesetzt wird. Diese Erkenntnisse helfen Sportler und Trainer dabei, die Abläufe zu optimieren. Doch trotz aller Technik lässt sich am Computer nicht der perfekte Sportler entwerfen.
    Das System Mensch ist so komplex, dass es da eigentlich nicht möglich ist, etwas zu berechnen. Natürlich muss ich überlegen, wie schnell könnte der schnellste Mensch mit Stab anlaufen. Tatsächlich ist es so, wenn ich einem Athlet sage, laufe schneller an, wird er nicht zwangsläufig höher springen. Denn allein durch das Ändern der Anlaufgeschwindigkeit verändern sich wieder so viele andere Parameter, dass es letztendlich nicht eindeutig ist, dass er dann auch höher springt.

    Die Biomechaniker nehmen mit der Video-Analyse auch andere Sportarten unter die Lupe: Hammerwerfer, Fechter, Rodler, Ruderer oder Judokämpfer. Wenn Falk Schade die Tastatur seines PC s drückt, beginnen bunte Punkte zu tanzen. Strichmännchen legen sich per Schulterwurf aufs Kreuz, schwingen sich am Reck aufwärts, pflügen sich kraulend durchs Wasser oder brüllen ihrem digitalen Speer hinterher. Doch die Technik ist nur ein Hilfsmittel, das Trainer und Sportler dabei unterstützt, Fehler zu erkennen und auszumerzen. Beim Wettkampf selber kommt es nur noch auf den Athleten an. Er muss sich die Medaille erkämpfen - alleine oder im Team. Das war immer so bei Olympia- und das wird auch immer so bleiben.