Aufschlußreich sind Paris' Texte vor allem deshalb, weil sie sich mit den Strategien der Minder- und Mittelmächtigen auseinandersetzen, und wenn auch so nicht gedacht, wirkt der Band an vielen Stellen wie Machiavelli fürs Fußvolk. Denn Wissen um die Systeme des Machttransfers – und um die Grenzen der eigenen Wirksamkeit – erhöht die Zielgenauigkeit sozialen Widerspruchs. Mit den Erfolgen ist es allerdings nicht weit her. "Oftmals müssen sich die Provokateure den Erfolg ihrer Provokation nachträglich selber erst einreden, um die erwünschte Bestätigung zu bekommen", notiert Rainer Paris süffisant; auch Drohungen führen selten zum Ziel. Ihre Folgekosten – nämlich das Dilemma, bei Nichterfüllung Sanktionen ausüben zu müssen – sind für den Mindermächtigen verheerend; ihm fehlt es ja genau an der Macht zu Sanktionen. Zu allem Überfluß muß er bei Rainer Paris auch noch einen distanziert ironischen, manchmal schadenfrohen Ton ertragen, den sich der Soziologe beim Betrachten der aussichtslosen Machtambitionen nicht verkneifen kann. Die Repressionsmöglichkeiten von unten nach oben sind eben denkbar gering, es gilt: "Ein Stachel ist nur ein Stachel und längst noch kein Speer"; nur angeschlagene Machthaber stürzen über Nadelstiche, gut etablierte halten sogar Schwerthieben stand.
Bleibt als Guerillataktik nur die Seilschaft und das "negative Organisieren" via Intrige. Auch hier ist das unterste Glied einer Gemeinschaft chancenlos; um zu intrigieren, um in eine Seilschaft aufgenommen zu werden, muß man ein Mindestmaß an Einfluß und Informiertheit mitbringen, denn Seilschaften sind kosten/nutzen-orientiert, und Intriganten finden nur Partner, wenn sie ihrerseits etwas bieten können. Dem gänzlich Machtlosen steht nur der "Schimpfklatsch" offen, oder dessen Steigerung, das Keifen. Ihm ist im vorliegenden Band eine soziologische Preziose gewidmet, ernsthaft und doch einen Hauch satirisch. Gekeift wird vornehmlich von alten Frauen, die in patriarchalischen Ehegefängnissen eingemauert sind und ihr Leiden wahllos an der Welt abtragen. "Glück gibt es nur, wo zwei sind", vermerkt Rainer Paris. "Das Keifen zeigt an: Hier sind zwei ohne Glück." Glück für die Menschheit: Es ist im Aussterben begriffen.