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Stadionsicherheit
Mehr Arbeit für Staatsanwälte und Sanitäter

Die Sicherheit in den Stadien stand in der aktuellen Sitzung des Bundestags-Sportausschusses auf der Agenda. Die Deutsche Fußball-Liga stellte ihr aktuelles Sicherheitskonzept zur Diskussion – und Polizei, Wissenschaft und Fans übten Kritik.

Von Daniel Bouhs | 21.05.2014
    3.000 Mal – so oft verhängen die großen Fußballvereine hierzulande Stadionverbote, 2.000 als Dauerkarte. Dann müssen Fußballfans ein ganzes Jahr lang draußen bleiben. Eine Kennziffer, die seit Jahren stabil ist, wie Vertreter der Fußballvereine den Abgeordneten erklärten. Man habe die Lage im Griff, anders als im Süden.
    "Schauen Sie nach Italien stellvertretend. Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind", sagt Andreas Rettig, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga DFL, nach der Sitzung.
    "Dazu trägt auch sicherlich bei, dass wir gerade was das Thema der Preispolitik was Tickets angeht, klare Zeichen gesetzt haben, dass wir niemanden ausschließen. Also auch da die Möglichkeit haben, dass jeder, der das möchte, auch bezahlbare Tickets bekommt."
    Neben der Preispolitik setzt die Liga auf einen gemeinsamen Standard in den Stadien. Wo nötig, wird die Kameratechnik aufgerüstet, Fans, die in die Stadien strömen, in "Vereinzelungsanlagen" sorgfältiger kontrolliert. Und dann muss jeder Verein mindestens zwei Fanbeauftragte beschäftigen – hauptamtlich. Die Politik gibt sich zufrieden, Vertreter der Fans erstaunlich versöhnlich. Andere sehen hingegen noch einen weiten Weg vor sich.
    "Also wir haben eine Saison gehabt, die auch wieder sehr arbeitsintensiv war," resümiert Jörg Radek, Chef der Polizeigewerkschaft GdP. "Wenn man betrachtet, dass wir da auch wieder unbeteiligte Verletzte haben, ist das etwas, was wir nicht als Status-quo hinnehmen dürfen."
    Außerdem mögen zwar nicht die Stadionverbote steigen, durchaus aber die Zahl der angestrengten Strafverfahren und vor allem die der Verletzten auf beiden Seiten, bei Publikum wie Polizei. Der Fanforscher Jonas Gabler hat sich dafür an der Universität Hannover die vergangenen zwanzig Jahre angesehen. Bis 2009 konnte er keinen Trend ausmachen, aber dann: Staatsanwälte und Sanitäter haben nun mehr zu tun.
    Die Details will der Wissenschaftler im Sommer präsentieren. Schuldige hat er vor der Politik aber schon mal benannt: Pauschale, harte Durchgriffe von Vereinen und Beamten – und die Medien, die aus Einzelfällen große Probleme machten. Die Folge: Fans solidarisieren sich, es bilde sich eine "Widerstandsidentität", die letztlich nur mit Besonnenheit und Feinfühligkeit zerschlagen werden könne, allein:
    "Im Moment ist dafür nicht so ganz die Stimmung. Und was halt diskutiert wird aktuell sind doch eher wieder Einschränkungen. Und das stößt bei den Fans und insbesondere bei den Ultra-Gruppierungen bitter auf."
    So sieht der Forscher eine Spirale der Gewalt, die womöglich erst am Anfang steht. Mit der "Alles wird gut"-Mentalität der Liga deckt sich das jedenfalls nicht.