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Stadtbäume schützen

Es liegt auf der Hand, dass Bäume in der freien Natur besser wachsen als in dicht besiedelten Gebieten. Doch wie können auch Stadtbäume gut gedeihen? Das wird derzeit in einer Studie am Beispiel von Göttingen untersucht.

Von Elke Drewes | 03.01.2008
    "Wir haben Rotbuchen hier, da steht eine alte Fichte, wir haben hier Ahorn, Kastanien, Rosskastanien und Robinien. Es ist wie ein Arboretum hier, und natürlich sind es sehr alte, ehrwürdige Bäume, wie man sieht. Besonders gefährdet ist die Rotbuche, da sterben schnell die Wurzeln ab."

    Ulrich Weihs von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst zeigt auf eine hohe Baumgruppe, gleich neben dem Kinderspielplatz. Im Wald könnten diese Bäume mehrere 100 Jahre alt werden. Aber in der Stadt sind diese Bäume stark gestresst, sagt Wolfgang Gieße vom Fachbereich Stadtgrün der Stadt Göttingen:

    "Hier gibt es ein großes Problem, gerade im Bereich des Kinderspielplatzes: Es wird viel gelaufen zwischen den Bäumen, und da hat sich herausgestellt, dass das zu einer großen Bodenverdichtung führt."

    Unter den Tritten der Spaziergänger und tobender Kinder wird der Boden stark zusammengepresst, ebenso unter Straßenasphalt und Radwegen. Auch dort verdichtet sich der Boden so sehr, dass kaum noch Sauerstoff an die Baumwurzeln gelangt, erklärt Bodenexperte Thorsten Gaertig von der HAWK:

    "Dann haben wir das Problem, dass die Wurzeln nicht mehr atmen können und quasi ersticken, so als wenn Sie in einem Raum sind, wo die Fenster geschlossen sind."

    Die Bäume geraten in Stress, so dass einzelne Äste in der Baumkrone ihre Blätter abwerfen und absterben. Etwa ein Viertel der Göttinger Stadtbäume kränkelt schon und ist deshalb auch gefährdet für gefährlichen Pilzbefall, erklärt Ulrich Weihs:

    "Wenn es ihm im Wurzelraum nicht gut geht, die Wurzeln sind ja wesentlich für die Wasser- und Nährstoffaufnahme, dann bildet er auch gegenüber anderen Krankheiten wie Pilzbefall keine Barrierezonen. Das ist wie bei uns Menschen: Wenn wir geschwächt sind, bekommen wir eher eine Grippe."

    Aber: Anstatt die kranken Kronenteile aufwendig herauszuschneiden, könnte eine genaue Diagnose der Wurzelschäden helfen, die richtige Maßnahme zu finden, um die Stadtbäume länger zu erhalten - so die Hoffnung der Wissenschaftler.

    Sie wollen deshalb unterschiedliche Methoden testen, mit denen Baumwurzeln künstlich belüftet werden. Einige sind einfach, andere sehr aufwendig, erklärt Baumkontrolleur Steffen Rust:

    "Man kann tatsächlich den alten Boden wegnehmen bis in 50 Zentimeter Tiefe und durch neuen Boden ersetzen. Man kann auch die Verdichtung zurücknehmen, indem man Luft einpresst in den Boden. Das kann mehrere tausend Euro pro Baum kosten."

    Günstiger ist es, einfach das Laub zwischen den Bäumen liegen zu lassen. Denn auch das dämpft die Schritte:

    "Das wäre das Einfachste, und über die Jahre kann der Boden unter so einer Laubschicht wieder aufgelockert werden, Regenwürmer können wieder ihre Arbeit aufnehmen."

    Schwierig ist es allerdings für die Forscher, die Baumwurzeln zu untersuchen. Denn sie wollen die Bäume nicht durch Grabungen verletzen. Deshalb wenden sie erstmalig Methoden aus der Geophysik an wie zum Beispiel Geo-Radar und Elektrotomografie.

    Doktorand Dirk Bieker steckt etwa 20 Zentimeter lange Elektroden in den Boden vor einer Buche, ohne die Baumwurzeln zu berühren. Er will herausfinden, wo die starken Wurzeln verlaufen, die den Baum standsicher machen:

    "Hier sehen Sie Elektroden in einer Reihe, und es werden Ströme losgeschickt und Spannungen abgegriffen. Und es ist so, dass Wurzeln charakteristische elektrische Eigenschaften haben, die man dann im Widerstandstomogramm wieder erkennen kann."

    Die Kurven des elektrischen Widerstandes und damit den Verlauf der Baumwurzeln zeichnet ein Computer auf. Diese Buche hat noch genügend starke Wurzeln und ist nicht gefährdet, vom nächsten Sturm umgerissen zu werden. So eine Messreihe kostet für einen Baum je nach Umfang der Fragestellung mehrere 100 Euro. Die Volkswagenstiftung fördert die Göttinger Pilotstudie mit 750.000 Euro für fünf Jahre. Aber schon in drei Jahren wollen die Wissenschaftler erste Ergebnisse liefern, wie Stadtbäume länger überleben, sagt Ulrich Weihs von der Fachhochschule Hildesheim-Holzminden-Göttingen. Denn:

    "Wenn er im optimalen Umfeld wächst, dann kann der Baum sein biologisches Alter auch in der Stadt erreichen."