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Stadtbäume wachsen schneller

New York City, The Big Apple, die Stadt, die niemals schläft, sie darf seit heute stolz auf einen neuen Superlativ verweisen: Sie ist wohl auch die Großstadt mit den dicksten und höchsten Bäumen. Herausgefunden hat dies die Ökologin Doktor Jillian Gregg von der Cornell University in Ithaca (New York):

Von Klaus Herbst |
    Wir haben nachgewiesen, dass bestimmte Pflanzen in Großstädten doppelt so groß werden wie in ländlichen Gegenden – und das trotz verschiedener großstadttypischer Schadstoffe. Wir vermuteten zunächst, das verstärkte Wachstum könnte an den höheren Temperaturen in Städten oder an den Kohlendioxid- oder Stickstoffkonzentrationen liegen. Wir erstellten eine Vielfalt von Nährstoffprofilen, analysierten diese aufwändig und kamen zu dem Ergebnis, dass keiner dieser Faktoren für ein so starkes Wachstum verantwortlich sein kann. Tatsächlich ist es so, dass die stärkeren Ozonkonzentrationen auf dem Lande das Wachstum von Pflanzen hemmen.

    Alles ist einfach größer in New York und so geht es auch einer bestimmten Baumsorte: American Cottonwood alias Populus deltoides: weißes Splintholz mit braunen Streifen, ein zerstreutporiges Holz mit grober Struktur, eine Pappel, eng verwandt der europäischen Pappel. Was Cottonwood für die amerikanische Umweltforscherin jedoch interessant macht: Es ist genau bekannt, wie stark die lebendige Pappel gegen Ozon empfindlich ist, nämlich mittelmäßig:

    Natürlich kennen wir eine ganze Reihe Faktoren, die sich auf das Wachstum so oder so auswirken. Um diese auszuschließen, nahmen wir Erdboden sowohl aus einer ländlichen als auch aus einer städtischen Umgebung und verpflanzten diese Böden an die verschiedenen Stellen, also Erde vom Land in die Stadt und umgekehrt. Wir rechneten damit, dass Pflanzen in der Großstadterde überall schlechter wachsen würden. Das trat aber nicht ein. Egal, welche Böden wir nahmen, die Bäume in New York City wachsen immer doppelt so hoch.

    Was die Forscherin nachweist, indem sie ihre Baumgiganten fällt, zerhackt, wiegt und die verschiedenen Klötze vergleicht. Die besonders niedrigen Ozonwerte in den Städten, die nachts sogar gegen null tendieren, lassen diese Baumsorte doppelt so hoch in den New Yorker Himmel schießen wie auf dem Land, wo die saisonalen Ozonwerte üblicherweise sehr viel höher sind. Ist so wenig Ozon zu messen wie in New York City, dann haben alle anderen Schadstoffe keine Chance, das Wachstum der Bäume zu fördern beziehungsweise zu bremsen. Jillian Gregg glaubt, dass dies nicht nur für ihre Pappel gilt, von der sie viele genetisch identische Klone besitzt. Die Biomasse verdoppelt sich – vielleicht auch im Londoner Hyde Park oder im Berliner Tiergarten. Aber das ist noch nicht erforscht:

    In unserer Studie haben wir eine Pflanze in einer bestimmten Stadt untersucht. Es wäre nun interessant, nachzuweisen, dass die gefundenen Effekte auch bei anderen Arten und in anderen Städten auftreten. Es ja ist bekannt, dass die von uns verwendete Pflanze gegenüber Ozon mittelmäßig empfindlich ist. Es ist also zu erwarten, dass ähnliche Pflanzen ebenso reagieren und noch empfindlichere sogar noch stärker. Wir rechnen damit, dass wir auch in anderen Städten die biologischen Fingerabdrücke der besonders niedrigen Ozonwerte zeigen können.

    Keinesfalls möchte die junge Forscherin das Gerücht verbreiten, dass die hohen Schadstoffwerte der urbanen Biomasse nichts anhaben oder ihr gar gut tun oder dass das Ökosystem in New York gesund sei. Das weist Jillian Gregg weit von sich. Ihre Arbeit lasse lediglich den Schluss zu, dass sekundäre photochemische Reaktionen außerhalb der Stadt die Biomasse hemmen – wahrscheinlich auch bei anderen Baumsorten sowie bei Säugetieren und bei Menschen.