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Stadteigener Energieversorger

In Norddeutschland ist Hamburg Energie ein Beispiel für einen Kurswechsel. 2009 wurde der Energieversorger von der Stadt gegründet, nachdem Hamburg sich zuvor von ihrem Versorger getrennt hatte. Die Stadt tritt in Konkurrenz zum Energieriesen.

Von Verena Herb |
    "Wir wollen in Hamburg wieder mehr Entscheidungsspielraum in der Energiepolitik. Wir wollen für Hamburg einen Energieversorger, der für Hamburg arbeitet und die Interessen der Stadt vertritt und wahrt. Und dass die vom Unternehmen erwirtschafteten Gewinne in der Stadt bleiben."

    September 2009 - Anja Hajduk, die Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt gibt den Startschuss für einen neuen - wieder kommunalen - Energieversorger in Hamburg. Sieben Jahre nach dem Verkauf des städtischen Stromversorgers an Vattenfall tritt die Stadt nun in Konkurrenz zum Energieriesen. Eine Lehre aus der Vergangenheit, weiß Ulrich Bammert, einer der Geschäftsführer von Hamburg Energie:

    "Ole von Beust, der erste Bürgermeister, hat schon vor zweieinhalb Jahren gesagt: wir haben einen Fehler gemacht mit der Privatisierung. Und man möchte gerne dieses Rad zurückdrehen."

    Ole von Beust ist mittlerweile nicht mehr erster Bürgermeister der Hansestadt, aber Hamburg Energie gibt es nach wie vor. Das Unternehmen feierte im September sein einjähriges Bestehen. Das Kundencenter von Hamburg Energie am Ballindamm - eine prominente Adresse gleich vis á vis der Binnenalster. Es ist Mittagszeit - und das Kundenzentrum leer. Anders sieht es in der ersten Etage aus. Im Call Center stehen die Telefone selten still, sagt Katrin Sommerschmid, die Teamleiterin des Kundenservice:

    "Pro Tag haben wir circa 150 Anrufe. Samstags sind wir ja auch noch da. Da sind es natürlich ein bisschen weniger. Die meisten sind Interessenten, die zum Beispiel in der Zeitung auf uns aufmerksam geworden sind. Die haben Fragen zu den Preisen von Strom und Gas. Möchten sich informieren, wie man zu uns wechseln kann. Oder natürlich auch Bestandskunden, aktuell zum Monatswechsel, Zählerstände, Abschläge ändern, Einzugsermächtigungen erteilen, solche Fragen."

    Im September startete Hamburg Energie mit einem Kundenstamm von Null. Nach zwölf Monaten am Markt zieht Michael Beckereit, ebenfalls Geschäftsführer von Hamburg Energie eine positive Bilanz:

    "Wir haben innerhalb von einem Jahr gut 16 Tausend Stromkunden gewonnen. Wir haben gut 1600 Gaskunden gewonnen. Ein Zahlenspiel. Wir haben uns für dieses Jahr eine Gesamtzahl von 22 500 Strom und Gas vorgenommen. Und wenn man weiß, dass jetzt die wechselstarken Monate kommen, wie wir in der Branche sagen, sind wir also mehr als zufrieden."

    Hamburg Energie als kommunaler Stromanbieter wirbt mit einer Besonderheit um potenzielle Kunden:

    "Der Strom, den wir liefern, hat erst einmal eine besondere Qualität. Das ist auch etwas, das in unseren Annalen steht: Er hat kohle- und atomfrei zu sein!"

    Grüner Strom also. Ungewöhnlich und eine Nische, in der sich das städtische Unternehmen gegen zwischenzeitlich rund 80 Wettbewerber am Hamburger Energiemarkt durchsetzen will:

    "Wir glauben, dass das der richtige Marktantritt ist, und wir nur darüber nachhaltig uns hier entsprechend im Markt positionieren können. Wir haben genügend Internetanbieter die sich in dem Angebot des billigsten Stroms überbieten. Da wollen wir nicht mitmachen, da können wir nicht mitmachen. Wir wollen unsere Position mit dem ökologisch korrekten Strom in einer Stadt finden, die stolz darauf ist, dass sie so grün ist, und die auch bereit ist, für diese Entwicklung auch etwas mehr zu bezahlen."

    Ökostrom ist grün, gut - aber eben nicht günstig. Deshalb ist Paul Schmid, Sprecher des Umweltverbandes BUND auch zurückhaltend optimistisch, was den Erfolg von Hamburg Energie angeht:

    "Dieses hehre Ziel, diese Idee zu sagen: Wir sind das erste städtische Unternehmen, das auf Strom ohne Kohle und Atom setzt, das wird die Bürger noch nicht überzeugen. Die Bürger werden letztendlich gucken: Bekomme ich wirklich günstigen Strom, und dann kommt vielleicht der ideelle Teil dazu."

    Der Wind pfeift über die schwarzen Solarplatten hinweg. 5000 Quadratmeter ist die Fläche groß. 1600 Photovoltaik-Module produzieren rund rund 400.000 Kilowattstunden pro Jahr. Das ist grüner Strom für 170 Haushalte - und erst der Anfang. Ende 2009 erst wurde die Photovoltaik-Anlage auf dem Hügel der ehemaligen Mülldeponie Georgswerder in Betrieb genommen, weitere werden folgen. Ebenfalls sind zwei Windkraftanlagen im Bau. Hamburg Energie agiert derzeit größtenteils noch als Stromhändler - nur 30 Prozent stellt das Unternehmen selbst her. Doch das soll sich mittelfristig ändern: 50 Prozent Eigenproduktion beim Strom, zehn Prozent beim Gas ist das Ziel:

    "Wir haben heute noch nicht das Riesenkraftwerk als Projekt. Sondern wir fangen eben mit den erneuerbaren Energien in den eben genannten Feldern an, und versuchen uns entsprechend breit dort aufzustellen,"

    erklärt Michael Beckereit. Er gibt sich zurückhaltend, was seine Geschäftszahlen angeht: Vor Ablauf des Geschäftsjahres werde er sich zu den aktuellen Zahlen nicht äußern. Grundsätzlich schaue er positiv in die Zukunft, so der Unternehmer, doch könne man derzeit noch nicht einschätzen, welche Auswirkungen das Energiepaket der Bundesregierung auf Betriebe wie Hamburg Energie habe:

    "Man kann aber generell sagen, dass durch die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke ein nicht unbeträchtlicher Kapitalzufluss zu den vier großen Energieunternehmen passiert. Der aus unserer Perspektive nun nicht unbedingt zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der kleineren und mittleren beitragen wird."

    Doch hofft er darauf, dass sich die Hamburger vom Konzept des Ökostroms aus städtischer Hand überzeugen lassen.